Weiter umstritten

Die hormonell wirksame "Pille danach" zur Schwangerschaftsverhütung nach Geschlechtsverkehr ist bislang verschreibungspflichtig. Nach Angaben des Deutschen Pharmazeutinnen Verbands wird das Präparat in 28 Ländern ohne ärztliche Konsultation abgegeben und man habe damit keine negativen Erfahrungen gemacht.
Gegner einer Freigabe sind vor allem Frauenärzte: Es sei ein großes Manko, wenn die ärztliche Beratung wegfalle, sagte der Heidelberger Gynäkologe Thomas Rabe. Er verwies zudem auf die Risiken der LNG-Pille: Die hormonelle Belastung sei um das 50-fache höher als bei der verhütenden "Minipille" und es gebe bei der Einnahme ein erhöhtes Thrombose-Risiko. Außerdem bestehe die Möglichkeit der Wirkungslosigkeit, wenn die Frau mehr als 70 Kilogramm wiege, so der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin. Generell sei die hormonelle Methode unsicher, anders als eine Kupferspirale, die man noch fünf Tage nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr einsetzen könne.
Der Präsident des Berufsverbands der Frauenärzte, Christian Albring, wies darauf hin, dass eine Verschreibung der "Pille danach" oft gar nicht nötig sei. Jeder Arzt - auch Nicht-Gynäkologen in der Notfallaufnahme - könne nach einer Beratung sagen, ob sich eine Frau in einer fruchtbaren Phase befinde oder nicht. Die Frauenärzte sagten bei der Anhörung, dass mit dem neueren Präparat Ulipristal ein besseres Mittel zur Verfügung stehe, weil es bis zu dem Moment, in dem der Eisprung durch ein Hormon ausgelöst werde, eingenommen werden könne. Diese seit 2010 in Deutschland erhältliche "Pille danach" könnten die Patientinnen jedoch nicht wählen, weil sie nicht freigegeben sei.
"Pro Familia" sieht "Versorgungslücken"
Für eine Freigabe der LNG-Pille plädierte der Verband "Pro Familia". Die Vorsitzende Daphne Hahn schilderte "Versorgungslücken": Im Krankenhausalltag sei häufig zu wenig Zeit für Beratung, oft komme es zu teuren Zusatzuntersuchungen, konfessionelle Häuser verschrieben das Präparat ohnehin nicht. Zudem hätten Frauen davon berichtet, bei ihrem Anliegen, die "Pille danach" zu bekommen, entwürdigend behandelt worden zu sein.
Der Bundesverband Frauenberatungsstellen sprach sich dafür aus, alle Hürden, die Frauen nach einer Vergewaltigung hätten, abzubauen.
Der Gynäkologe Christian Albring bezeichnete es als "nicht vereinbar mit der ärztlichen Ethik und Moral", wenn Ärzte sich aus religiösen oder anderen Gründen weigerten, die "Pille danach" zu verschreiben. Er freue sich, dass inzwischen auch die katholische Kirche die wissenschaftlichen Argumente angenommen habe.
Die Debatte über die "Pille danach" war Anfang des Jahres nach der Abweisung einer mutmaßlich vergewaltigten Frau an zwei katholischen Kliniken in Köln entflammt. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner entschuldigte sich später für den Vorfall und legte eine modifizierte kirchliche Position zu dem Präparat vor, der sich die deutschen Bischöfe auf ihrer Frühjahrsvollversammlung in Trier weitgehend anschlossen.
Pharmazeuten sehen keine Gründe für Rezeptpflicht
Die von der SPD benannte Sachverständige Gudrun Ahlers vom Verband Deutscher Pharmazeutinnen sagte, es gebe weder medizinische noch pharmazeutische und ethische Gründe für die Rezeptpflicht der LNG-Pille. Pharmazeuten seien auch durchaus in der Lage, zu beraten. Der Wunsch nach einer Freigabe komme "von der Basis und aus den Beratungsstellen", argumentierte Ulrich Hagemann vom Verein Demokratische Pharmazeutinnen und Pharmazeuten. Als einer der wenigen Mediziner plädierte Horst Lübbert für eine rezeptfreie Abgabe: Junge Frauen, aber auch junge Männer sollten stets eine "Pille danach" in ihrer Tasche haben, so Lübbert.
Einig waren sich die meisten Experten darin, dass das Präparat nicht als "Allheilmittel" in der Werbung angepriesen werden sollte. Ein Problem sahen sie auch darin, dass ein rezeptfrei erhältliches Mittel nicht von den Krankenkassen erstattet werde. "Pro Familia" trat bei der Anhörung für einen Zugang für alle ein. Die Beratungsstelle bat aber den Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu prüfen, ob junge Frauen die "Pille danach" kostenfrei bekommen könnten. Annette Nahnhauer von den GKV verwies jedoch darauf, dass eine Kostenübernahme für rezeptfreie Medikamente nur bei "schwerwiegenden Erkrankungen" möglich sei.
Von Agathe Lukassek