Anzeige gemäß Kirchenrecht bei Erzbischof Heße

Versäumnisse bei Missbrauch: Betroffenenbeirat zeigt Bischof Bode an

Veröffentlicht am 12.12.2022 um 10:26 Uhr – Lesedauer: 

Osnabrück ‐ Obwohl ihm eine Studie der Uni Osnabrück Versäumnisse im Umgang mit Missbrauch attestierte, will Bischof Bode nicht zurücktreten. Sein Betroffenenbeirat hat jetzt Anzeige gemäß Kirchenrecht erstattet – nun sind Erzbischof Heße und der Vatikan am Zug.

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Der Betroffenenbeirat der Bistümer Hamburg, Hildesheim und Osnabrück hat gegen den Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode kirchenrechtlich Anzeige wegen seines Umgangs mit sexuellem Missbrauch gestellt. Am Montag teilte der Betroffenenbeirat mit, dass er bereits am Donnerstag Anzeige beim zuständigen Erzbischof von Hamburg, Stefan Heße, erstattet hat. "Bischof Bode hat entgegen klaren päpstlichen Vorgaben gehandelt und bspw. sexualisierte Gewalt gegen Minderjährige noch in diesem Jahr als 'Beziehung' deklariert", heißt es in der Pressemitteilung des Beirats zur Begründung. In der Gesamtschau zeige sich ein klares kirchenrechtliches Fehlverhalten Bodes, "der zum einen die Schilderungen der Betroffenen zum Sachverhalt gänzlich falsch eingeschätzt hat, und zum anderen die Anzeige nach Rom verzögerte, begleitet von der unterlassenen kanonischen Voruntersuchung nach c. 1717, die sofort hätte eingeleitet werden müssen, als sich die junge Frau erstmalig gemeldet hat".

Dem Betroffenenbeirat falle es schwer, Bode als Gegenüber zu sehen, "das sich für ehrliche und konsequente Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch durch Angehörige der katholischen Kirche einsetzt". Trotz der Fortschritte im Bistum nehmen die Betroffenenvertreter im Handeln des Bischofs "immer noch eine mehr täter- als opferorientierte Haltung" wahr. Daher habe der Beirat Bode aufgefordert, Konsequenzen zu ziehen.

Auf Anfrage von katholisch.de teilte ein Sprecher des Bistums Osnabrück mit, dass sich Bischof Bode im Laufe des Montags dazu äußern werde. Laut einem Sprecher des Erzbistums Hamburg ist die Anzeige am späten Donnerstagabend bei Erzbischof Heße eingegangen. Am Freitagvormittag habe er sie über die Apostolische Nuntiatur an die Glaubenskongregation und die Bischofskongregation im Vatikan weitergeleitet sowie dem Betroffenenbeirat den Eingang bestätigt, hieß es auf Anfrage von katholisch.de.

Erzbischof Heße und Vatikan müssen handeln

Bode war durch den Ende September vorgestellten Zwischenbericht zu Missbrauch im Bistum Osnabrück seit 1945 belastet worden. Zugleich attestierten die Gutachter der Universität Osnabrück ihm aber, dass er in den vergangenen zehn Jahren einen deutlichen Lernprozess gezeigt hätte. Einen Rücktritt lehnte Bode nach Vorstellung des Berichts ab und bekräftigte diese Entscheidung Anfang Dezember noch einmal. Ihm persönlich seien zwar moralische, aber keine juristischen Verfehlungen vorzuwerfen, sagte er bei einer Gemeindeversammlung in Ostercappeln bei Osnabrück. Nach Ansicht der Betroffenenvertreter müsse der Bischof moralische Verantwortung für das auch durch ihn verursachte Leid übernehmen, auch fernab strafrechtlicher Maßstäbe.

Die durch einen Rücktritt entstehende Vakanz würde nach Ansicht Bodes den Aufarbeitungsprozess unterbrechen und verzögern. Diese Position teilt der Betroffenenbeirat nicht: Das diözesane Schutzkonzept sei auf dem Weg, wichtige Weichen bereits gestellt. "Wenn ein so wichtiges Konzept durch eine Vakanzzeit in Gefahr geraten kann, da alles an der Person eines Bischofs hängt, trägt es nicht und bedarf einer dringenden Überarbeitung!", so der Beirat.

Bild: ©KNA/Torben Weiß (Archivbild)

Stefan Heße, Erzbischof von Hamburg.

Die kirchenrechtliche Anzeige des Betroffenenbeirats beruft sich auf die Regeln des Motu Proprios "Vos estis lux mundi", mit dem Papst Franziskus 2019 den Umgang mit Meldungen von sexualisierter Gewalt, die durch Kleriker oder Ordensleute begangen wurde, geregelt hat. Dabei hat der Metropolit, also der Leiter einer Kirchenprovinz, eine zentrale Stellung. Osnabrück gehört zur Kirchenprovinz Hamburg, der Erzbischof Heße vorsteht und bei dem die Anzeige eingereicht wurde. Gemäß den Regeln des Motu Proprios ist Heße verpflichtet, die Meldung an den Heiligen Stuhl weiterzuleiten und darum zu bitten, eine Untersuchung einzuleiten. Davon kann der Erzbischof nur absehen, wenn die Meldung "offenkundig haltlos" ist. Das zuständige Dikasterium ist verpflichtet, innerhalb von dreißig Tagen zu reagieren.

Universität attestiert Bistum schwerwiegende Pflichtverletzungen

Laut der Studie der Universität Osnabrück wurde im Bistum über das Jahr 2000 hinaus "teils schwerwiegend gegen die Pflichten" zur Verhinderung weiterer Straftaten in Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch verstoßen. Insbesondere die Bischöfe treffe "bei Entscheidungen über den weiteren Einsatz Beschuldigter eine individuelle Verantwortung", hieß es. Vor allem unter den früheren Bischöfen Helmut Hermann Wittler (1957–1987) und Ludwig Averkamp (1987–1994) habe es etliche Pflichtverletzungen gegeben. Dies gelte aber auch für Bode in seinen ersten Amtsjahren.

In einer ersten Reaktion hatte sich Bode nachdenklich gezeigt. "Jetzt beschäftigt es mich sehr, wie blind wir eigentlich gewesen sind und wie blind ich gewesen bin für das Leiden und die Perspektiven der Betroffenen", sagte der Bischof. "Ich trage die Verantwortung dafür, auch für das System im Bistum." Bereits 2018 hatte Bode Versäumnisse beim Umgang mit Missbrauch eingeräumt. Damals habe er jedoch nicht über einen Rücktritt nachgedacht, wie er in einem katholisch.de-Interview aus Anlass seines 70. Geburtstags im vergangenen Jahr sagte: "Ich meinte, dass es doch wichtig wäre, die Zukunft und den weiteren Weg so mitzugestalten, dass es dann auch richtig und besser gemacht werden kann. Insofern habe ich nicht ernsthaft an einen Rücktritt gedacht."

Bode ist seit 1995 Bischof des Bistums Osnabrück und damit Deutschlands dienstältester Diözesanbischof; zum Zeitpunkt seiner Amtseinführung war er zudem mit 44 Jahren der jüngste deutsche Oberhirte. Seit 2017 ist Bode stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Zudem ist er einer der beiden Vizepräsidenten des Synodalen Wegs. (fxn)

12. Dezember 2022, 11 Uhr: Bistum kündigt Reaktion noch am Montag an. 11.30 Uhr: Informationen des Erzbistums Hamburg ergänzt.