Der Weckruf
"Man muss sich schon fragen, warum so viele Menschen die sogenannten rechtspopulistischen Parteien gewählt haben", analysiert er im Gespräch mit katholisch.de. und liefert den Lösungsansatz gleich mit: "Europa krankt daran, dass die Probleme, die es zweifellos gibt, nicht ehrlich genug thematisiert werden. Für die etablierten politischen Eliten könnte diese Wahl ein Weckruf sein, zum Beispiel endlich die mit dem Thema Zuwanderung verbundenen Fragen auf eine besser geregelte Basis zu stellen".
NPD und Tierschutzpartei
Auch das Gesicht der Gruppe deutscher Parlamentarier, die künftig im EU-Parlament sitzen, hat sich deutlich verändert. Die eurokritische " Alternative für Deutschland " (AfD) trat erstmals an und holte sieben Prozent der Stimmen. Und durch den Wegfall der Drei-Prozent-Hürde sind auch sehr kleine Parteien wie die Nationaldemokratische Partei Deutschlands ( NPD ) und die Tierschutzpartei mit einem Sitz im Parlament vertreten.
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl hatte am Montag kritisiert, die etablierten Parteien hätten sich vor der Wahl nicht ausreichend kritisch mit den Rechtspopulisten auseinandergesetzt und es versäumt, das beschränkte und gefährliche Weltbild hinter den Parolen der Rechtspopulisten zu enttarnen. Der frühere EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering (CDU) hatte das Ergebnis im Deutschlandradio Kultur als "besorgniserregend" und als "große Herausforderung" für Europas Einigungspolitik bezeichnet.
Sorgen und Chancen
Für Politikwissenschaftler Schubert birgt es trotz aller Sorge aber auch eine Chance: "Die zentrale Frage ist nun, ob das Erstarken der Protestparteien wirklich zu Verwerfungen im Europäischen Integrationsprozess führen muss. Ich glaube das nicht unbedingt", erklärt er: "Stattdessen könnte es auch dazu führen, dass die etablierten Parteien sich engagierter und zielführender mit den anstehenden Problemen auseinandersetzen".
Gefragt nach den Herausforderungen der kommenden Legislaturperiode, muss Schubert nicht lange überlegen: "Es geht vor allem darum, die großen Themen abzuarbeiten, die noch aus der vergangenen Legislaturperiode übrig sind", erklärt er und zählt auf: "Da sind beispielsweise die sozialen und politischen Verwerfungen aufgrund der Euro-Krise, die Jugendarbeitslosigkeit , die in einigen Ländern über 50 Prozent liegt und auch die arbeitsmarktpolitischen Probleme, die sich aus der Freizügigkeit ergeben".
Das Kreuz im öffentlichen Raum
Auch christliche Themen könnten in der kommenden Legislaturperiode eine Rolle spielen, prognostiziert er – so etwa im Zusammenhang mit der Frage nach dem Kreuz als Symbol im öffentlichen Raum: "Das Recht der Religionen, ihre Zeichen im öffentlichen Raum zu zeigen – und auf der anderen Seite die relativistische Position, die dieses Recht infrage stellen oder gar verbieten will, werden sicher auch in Zukunft diskutiert werden". Auch die Frage, mit welchen Werten die Europäische Union verbunden sei und welche Rolle christliche Werte in diesem Zusammenhang spielten, werde Gegenstand der politischen Diskussion bleiben, meint der Politikwissenschaftler. (gho/KNA)