Bedrohung der Basisgemeinden

Veröffentlicht am 06.01.2015 um 23:57 Uhr – Lesedauer: 
Dossier: Katholische Kirche in Brasilien

Am 13. Juni 2014 ist in Brasilien Anpfiff für die Fußball-Weltmeisterschaft. Einer der 12 Austragungsorte ist die Hafenstadt Recife im Nordosten des Landes. In der dortigen Diözese Olinda und Recife ist seit 2009 Dom Fernando Saburido Erzbischof. Im Interview spricht er über die Situation der katholischen Kirche in Brasilien, die Herausforderung durch evangelikale Sekten und die Erwartungen an die Fußball-Weltmeisterschaft.

  • Teilen:

Frage: Herr Erzbischof, nach dem Tod Dom Helder Camara vor zwölf Jahren sind Sie sein zweiter Nachfolger. Was ist heute vom Erbe Dom Helders geblieben, welche Rolle spielt ganz besonders die sogenannte "Option für die Armen"?

Saburido: Die Projekte von Dom Helder sind immer noch sehr lebendig hier in unserer Erzdiözese. Sein Wirken und seine Ideen haben immer noch einen großen Einfluss. Dom Helder hat sich ganz besonders den Armen, gerade auch in den Peripherien, gewidmet. Genau dort arbeiten wir weiter, halten seine Botschaft aufrecht und führen sie fort, ganz speziell auch für die Ärmsten der Armen.

Frage: In den vergangenen Jahren haben in Brasilien die evangelikalen Sekten immer mehr zugenommen. Wie stellen Sie sich ganz konkret dieser Herausforderung?

Saburido: Das ist für uns eine sehr große Herausforderung. Die Evangelikalen wachsen hier in Recife besonders in den Randgebieten unserer Stadt. In jedem Viertel, in fast jeder Straße haben wir einen Tempel dieser "Gruppen". Sie gewinnen immer mehr an Einfluss. Dabei predigen sie eine Theologie, die unserer entgegensteht. Es wird vor allen Dingen ein wirtschaftliches Vorankommen des Einzelnen in den Vordergrund gestellt. Das heißt, wenn du etwas gibst, dann bekommst du auch etwas, dann kannst du dir auch etwas nehmen. Aus unserer Sicht hat das Volk Gottes eine andere Aufgabe: Nächstenliebe und teilen, das sind unsere zentralen Punkte.

Ein brasilianischer Junge aus dem Armenviertel wird von einem Mädchen zur Schule begleitet.
Bild: ©Stefan Klinkhammer

Damit auch die Kinder aus den Favelas – den Armenvierteln – regelmäßig die Schule besuchen können, werden sie von einem kirchlichen "Begleitservice" geleitet.

Frage: Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang die katholischen communidades des base, sind sie das passende Gegenmodell zu den Sekten?

Saburido: Diese kleinen Basisgemeinden sind immer noch sehr präsent in unserer Erzdiözese. Wenn auch anders als in der Zeit von Dom Helder Camara. Sie sind heute mehr ein brüderliches Treffen und weniger ein gesellschaftlicher Aufbruch. Dabei kommen die Gläubigen zusammen, treffen sich in kleinen Gemeinschafte zum Gebet oder zum Austausch. Dabei wird großen Wert auf das gemeinsame Gebet gelegt. Aber es geht auch darum sich weiterzuentwickeln. Sie sind sicherlich eine gute Antwort gegenüber den Sekten. Viele Laien in den Basisgemeinden gehen in die Familien, sind dort präsent und diskutieren mit den Menschen über religiöse aber auch soziale und gesellschaftliche Probleme. Sie kommen aus der Kirche und wirken in die Gesellschaft, auch nach außen.

Frage: Wie sehen Sie die aktuelle Diskussion in Deutschland über den Priestermangel?

Saburido: Hier in Brasilien sind wir gesegnet mit jungen Männern, die sich zum Priesteramt berufen fühlen. Dass es in Europa nur noch wenige Berufungen gibt, beobachten wir mit Sorge. Besonders auch vor dem Hintergrund, dass Europa am Aufbau der Kirche in Lateinamerika und besonders hier in Brasilien so viel beigetragen hat. Für die Zukunft würden wir uns freuen, wenn wir bald in der Situation wären, Missionare und Priester nach Europa zu senden, um dort zu helfen. Also sozusagen auch etwas von dem zurückgeben, was wir in früheren Jahren erhalten haben.

Frage: Wie wichtig ist die anstehende Fußball-Weltmeisterschaft 2014 für das Land, für die Menschen und für die Kirche?

Saburido: Da gibt es ein geteiltes Echo. Natürlich ist die Fußball-WM willkommen in Brasilien. Dabei sehen wir besonders die Chance, dass Brasilien dann anders wahrgenommen wird als bis jetzt. Also nicht nur als ein Land, in dem Armut regiert, in dem es Gewalt und Verbrechen gibt – sondern ein Land, in dem wir viel Kultur haben und eine schöne Tradition. Das ist eine große Chance. Andererseits wird viel Geld für eine Infrastruktur ausgegeben, die nur für kurze Zeit gebraucht wird. Viele sind deshalb auch der Meinung, das Geld wäre besser in soziale Projekte oder Bildung investiert. Aber insgesamt freuen wir Brasilianer uns auf die WM und die zwei Jahre später stattfindenden Olympischen Spiele.

Das Interview führte Stefan Klinkhammer