Verantwortungsträger seien überfordert

Zollner kritisiert Missbrauchs-Aufarbeitung der Kirche in Deutschland

Veröffentlicht am 07.03.2023 um 09:24 Uhr – Lesedauer: 

Augsburg ‐ Mangelndes Tempo, fehlende einheitliche Standards, überforderte Kirchenleitung: Der Jesuit Hans Zollner kritisiert die Missbrauchs-Aufarbeitung in Deutschland. Es zementiere sich der Eindruck, "dass die Kirche nichts dazu lernt".

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Der Kinderschutzexperte und Jesuit Hans Zollner hat die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche in Deutschland kritisiert. In einem Interview mit der "Augsburger Allgemeinen" (Dienstag) monierte der Psychologe und Theologe vor allem das Tempo und fehlende einheitliche Standards. In Österreich seien bereits 2010, in Frankreich 2018 von den dortigen Bischofskonferenzen unabhängige Kommissionen für den gesamten Aufarbeitungsprozess eingesetzt worden. "Es gab damit von Beginn an gemeinsame Standards und gemeinsame Meldewege – in Deutschland hatte man dazu leider nicht die notwendige Entschiedenheit", so der Pater.

Zollner sagte, er habe den Eindruck, die Kirche und ihre Verantwortungsträger seien überfordert. "Die Kirchenleitung jedenfalls hätte viel früher auf Transparenz und Rechenschaftspflicht und die persönliche Befähigung Wert legen müssen. Doch so etwas ist in der Kultur der Kirche bis heute nicht verankert", rügte der Jesuit. So zementiere sich der Eindruck von einem Gutachten zur nächsten Studie, "dass die Kirche nichts dazu lernt". Zuletzt war am Freitag die Missbrauchsstudie für das Bistum Mainz erschienen, die für die Amtszeit des verstorbenen Kardinals Karl Lehmann und seiner Vorgänger deutliches Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauch nennt.

Verschiedene Wünsche von Betroffenen

Bis heute würden Kirchenleute etwa nicht verstehen, dass Betroffene unterschiedliche Arten von Aufarbeitung verlangten, sagte Zollner weiter. "Einige wollen Geld, andere nicht. Einige wollen an die Öffentlichkeit, andere nicht. Einige wollen mit einem Bischof reden, andere nicht." Angesichts dessen wäre ein deutliches Signal der Kirche hilfreich, dass sie auf diese verschiedenen Wünsche eingehe. Das passiere aber nicht flächendeckend. Der Experte äußerte zugleich Zweifel am Willen der Regierung von Bund und Ländern, sich dem Problem zu stellen und eine eigene Aufarbeitung auf den Weg zu bringen. "So etwas würde viel Geld kosten."

Zollner (56) leitet das Institut zum Schutz vor Missbrauch der Päpstlichen Universität Gregoriana. Am Freitag wurde bekannt, dass er zukünftig auch die diözesane Fachstelle für Kinderschutz im Bistum Rom beraten wird. Der deutsche Theologe und approbierte Psychotherapeut gilt international als Fachmann für die Prävention von sexuellem Missbrauch von Minderjährigen in der katholischen Kirche. (tmg/KNA)