Die Nazis interessierten sich besonders für die Bauernmagd aus Konnnersreuth

Die "Resl": Ein Kapitel Mystik und Politik aus der Oberpfalz

Veröffentlicht am 09.04.2023 um 12:04 Uhr – Von Christoph Renzikowski (KNA) – Lesedauer: 

München ‐ Die "Resl aus Konnersreuth" brachte es in den 1920er Jahren zur Weltberühmtheit: durch Visionen vom Leiden Christi und ein angeblich nahrungsloses Leben. Das machte Hollywood neugierig – und die Nazis. Eine Spurensuche zum 125. Geburtstag.

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Ihre Geburt fällt auf den 8. oder 9. April 1898. Vor oder nach Mitternacht, da sind sich das amtliche Geburtsregister und ihre Mutter nicht ganz einig. Auch über weitere Lebensumstände der ältesten Tochter eines oberpfälzischen Schneiders gehen die Meinungen auseinander. Die Rede ist von der "Resl von Konnersreuth".

Lange konzentrierte sich die öffentliche Aufmerksamkeit auf rätselhafte Phänomene wie das plötzliche Auftreten von Wunden an ihrem Körper. In Ekstase durchlebte sie dann das Leiden Christi. In Visionen soll sie seine Sprache gesprochen haben, Aramäisch. Jahrzehntelang, so heißt es, habe sie nichts anderes zu sich genommen als täglich eine konsekrierte Hostie.

"Miracle girl"

Als die wundersamen Vorkommnisse ab 1926 regelmäßig auftraten, setzte eine internationale Wallfahrtsbewegung nach Konnersreuth ein. Starregisseur Max Reinhardt plante einen Hollywood-Film über das "Miracle girl" mit US-Schauspielerin Lillian Gish, einem der größten Leinwandstars der Stummfilmära. Ärzte, Theologen und Journalisten nahmen sich der Prüfung der Echtheit an, führten Beweise und Gegenbeweise an. Die Kontroverse füllt ein Bücherregal.

Und dann gibt es da noch einen ganz besonderen Aspekt im Leben der "Resl", die Verbindung von Mystik und Politik. Obwohl sie nur über eine einfache Volksschulbildung verfügte, versammelte die Bauernmagd Ende der 1920er Jahre einen Intellektuellenzirkel um sich und inspirierte ihn zum Widerstand gegen die Nationalsozialisten. "Helfen wird's ja nichts, aber ihr müsst es tun", gab sie ihren Freunden mit auf den Weg.

Johann Härtl
Bild: ©KNA/Beate Laurenti

Johann Härtl hat ein Buch mit dem Titel "Resl von Konnersreuth – Leben und Wirken meiner Großtante Theres Neumann" verfasst.

Einer von ihnen, der Münchner Publizist Fritz Gerlich, war 1927 nach Konnersreuth gefahren, um den Schwindel dort aufzudecken. Unter dem Eindruck der Begegnung mit Therese Neumann verwandelte er sich zu einem ihrer glühendsten Verteidiger. Der Calvinist konvertierte zum katholischen Glauben. Mehr noch: Wichtige Lebensentscheidungen traf er seither nicht mehr, ohne die "Resl" zu befragen. Wobei er in ihren "in erhabenem Ruhezustand" gegebenen Antworten die Stimme Gottes zu vernehmen glaubte.

Auf ihr Geheiß hin ritt Gerlich mit seiner Wochenzeitung "Der gerade Weg" bald scharfe verbale Attacken gegen die Faschisten. Die Nazis verhafteten ihn noch am Tag ihrer Machtübernahme in Bayern und ermordeten ihn im Sommer 1934. Der "Resl" passierte nichts. Warum nicht?

Warum passierte der "Resl" nichts?

Ihr Großneffe Johann Härtl hat über seine bekannte Verwandte vergangenes Jahr ein Buch geschrieben. Er ist, wie viele in der Familie, überzeugt: Seine Großtante stand gleichsam unter einem doppelten Schutzschirm. Ihre internationale Bekanntheit habe sie unantastbar gemacht – und der Aberglaube Adolf Hitlers.

Dass die Neumanns erklärte Nazigegner waren, ist historisch belegt. Es gab Hausdurchsuchungen, Berichte der örtlichen Gendarmerie an die politische Polizei, bis hinauf ins Reichspropagandaministerium nach Berlin.

1935 und 1939 finden zwei Falschmeldungen internationale Beachtung. In der ersten heißt es, Therese Neumann sei verhaftet und für fünf Tage im KZ festgehalten worden. Sie habe in einer Vision vorausgesagt, "daß das jetzige Regime in Deutschland acht Jahre währen werde". Vier Jahre später wird kolportiert, die "Resl" sei von den Nazis ermordet worden.

Gedenkkapelle in Konnersreuth
Bild: ©KNA/Beate Laurenti

Auf dem Friedhof in Konnersreuth gibt es eine Kapelle mit Votivtafeln zum Gedenken an Therese Neumann. Auf einer Tafel steht "Resl hat geholfen".

Bei beiden Meldungen ist der Urheber unbekannt, aber sie machen die Runde. Die von "Resls" angeblichem Tod kursierte mindestens neun Monate lang um den Globus. Härtl hat vom 22. Juli 1939 bis 29. April 1940 insgesamt 28 Artikel dieses Inhalts in Zeitungen ausfindig gemacht: Blätter aus Polen und Holland sind darunter, aber auch aus Brasilien, Algerien, Indonesien und Neuseeland.

Der pensionierte Regensburger Ingenieur vermutet, dass die Nazis diese "Fake News" selbst in die Welt gesetzt haben, zu Testzwecken: "Um festzustellen, welches Aufsehen eventuelle Maßnahmen gegen die Resl erregen würden". Zugleich habe Adolf Hitler persönlich die Hand über sie gehalten – aus Angst vor ihren geheimnisvollen Kräften. In der Familie und ihrem Freundeskreis wurde diese Überzeugung weitergetragen. Hochrangige NS-Beamte aus Ostbayern hätten auf dem Weg nach Berlin regelmäßig in Konnersreuth Halt gemacht, um sich nach dem Wohlbefinden der "Resl" zu erkundigen, wird erzählt. Das klingt nach einer kühnen These.

Gestapo forderte Bericht an

Aber Härtl präsentiert in seinem Buch noch weitere Indizien. Im Staatsarchiv in Amberg entdeckte er ein Schreiben der Gestapo vom 8. Juni 1942 aus Regensburg. Darin heißt es: In der Stadt laufe ein Gerücht um, wonach der Krieg sechs Wochen nach dem Tod der Therese Neumann zu Ende gehe. Das habe sie selbst so prophezeit. Die Geheime Staatspolizei fordert einen Bericht aus Konnersreuth an: Stimmt das mit dieser Weissagung? Und man bittet hinsichtlich der "Resl" um "Angabe, ob sie bereits verstorben ist, wenn nicht, ob sie Andeutungen über einen nahen Tod gemacht hat".

Therese Neumann starb am 18. September 1962 in ihrem Geburtsort. Ihr Grab ist stets mit Blumen geschmückt. Eine Votivkapelle kündet von unzähligen Gebetserhörungen. Seit 2005 läuft ein Seligsprechungsverfahren.

Von Christoph Renzikowski (KNA)