Mehr als ein Stück Stoff

Für gläubige Christen steht fest: Das Abbild auf dem Turiner Grabtuch zeigt niemand anders als Jesus Christus, der nach seinem Tod am Kreuz in das Leinen gewickelt wurde, bevor er von den Toten auferstand. Ein Umstand, der nicht nur Theologen fesselt. Chemiker, Biologen, Forensiker oder Materialexperten: Eine Unzahl von Forschern ging und geht noch immer dem Geheimnis des Tuches auf den Grund.
Zu einer Spurensuche auf den Wegen von Wissenschaft und Glaube laden die Malteser während des Eucharistischen Kongresses und danach ein. Erstmalig beleuchtet eine Ausstellung unter dem Motto "Wer ist der Mann auf dem Tuch?" in Deutschland das wohl am häufigsten untersuchte Objekt der Welt.
Das Unfassbare berührbar machen
Kernstücke der Schau im Erzbischöflichen Priesterseminar sind originalgetreue Nachbildungen des 4,4 mal 1,1 Meter großen Tuchs und des darauf abgebildeten Körpers. Ergänzt werden sie durch Informationstafeln und Vitrinen mit weiteren Exponaten wie der Rekonstruktion einer Dornenkrone beziehungsweise -haube, wie sie auch Jesus am Kreuz getragen haben wird
Bei der Eröffnung: Kardinal Meisner segnet die Nachbildung des in das Grabtuch gewickelten Körpers und die ganze Ausstellung.
"Das Wissen um die zentrale Gestalt des christlichen Glaubens ist heute nicht mehr sehr ausgeprägt", sagte der Kölner Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner, bei der Ausstellungseröffnung am Dienstag. "Deshalb ist eine Ausstellung wie diese sicher ein guter erster Zugang für heutige Menschen. Denn sie holt Jesus gleichsam aus dem Ungefähren heraus und macht erfahrbar, dass er eine reale Gestalt unserer Geschichte ist."
Zugleich hob Meisner auch die Bedeutung des Tuchs für die Kirche hervor. "Jenseits aller wissenschaftlichen Beweisbarkeit glauben wir nicht an ein Stück Stoff, sondern daran, wofür es steht", so der Kardinal. In Stoffen wie dem Grabtuch oder dem Heiligen Rock aus Trier werde das "Unsagbare stofflich, das Unfassbare berührbar".
Wo die Wahrheit liegt
Für den Grabtuch-Experten Giulio Fanti von der Universität Padua steht zu 95 Prozent fest, dass das Tuch aus der Zeit um 33 vor Christus stammt - wobei eine Abweichung von bis zu 250 Jahren möglich sei, wie er bei der Ausstellungseröffnung sagte. Untersuchungen aus dem Jahr 1988, die das Leinen auf die Zeit zwischen 1260 und 1390 datiert hätten, seien falsch. Das hätten seine jüngsten Forschungsergebnisse gezeigt.
Trotz über 100 Arbeiten von Forschern zum Abbild auf dem Tuch gäbe es noch keine Erklärung, wie es entstanden ist, sagte Fanti weiter. Aufgrund seiner Beschaffenheit sei es bis heute unmöglich, das Abbild wissenschaftlich zu reproduzieren. Somit sei auch eine Fälschung nahezu ausgeschlossen, so Fanti: "Vielleicht liegt die Wahrheit ja außerhalb der Wissenschaft." (meu)