"Es gibt nicht nur eine legitime Weise, wie man katholisch sein kann"
Am 1. Oktober übernimmt Diakon Christoph Tekaath die Leitung der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz (afj) in Düsseldorf. Tekaath stammt aus dem nordrhein-westfälischen Bocholt, lebt und arbeitet aber bereits seit gut 20 Jahren im Bistum Magdeburg. Dort war er nach einem Studium der Religionspädagogik zunächst als Religionslehrer und Schulsozialarbeiter am Magdeburger Domgymnasium, bevor er 2012 die Leitung der Jugendpastoral im Bistum Magdeburg übernahm. 2013 wurde er von Bischof Gerhard Feige zum Diakon geweiht. Im Interview mit katholisch.de spricht Tekaath über seine neue Aufgabe und seine Ziele bei der afj, die Herausforderungen im Umgang mit Jugendlichen in der Kirche und den bevorstehenden Weltjugendtag in Lissabon.
Frage: Herr Tekaath, zum 1. Oktober übernehmen Sie die Leitung der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz in Düsseldorf. Was reizt Sie an dieser Aufgabe?
Tekaath: Mich reizt vor allem die Herausforderung, die Erfahrungen, die ich in den vergangenen Jahren auf Bistumsebene in der Jugendpastoral machen konnte, künftig bundesweit einzubringen. Durch meine jahrelange Tätigkeit in der ostdeutschen Diaspora kann ich, so hoffe ich jedenfalls, neue Perspektiven und Impulse für die überdiözesane Jugendpastoral liefern.
Frage: Wer eine neue Aufgabe übernimmt, setzt sich meist konkrete Ziel, die er oder sie gerne erreichen möchte. Welche Ziele setzen Sie sich mit Blick auf Ihre künftige Aufgabe bei der afj? Was möchten Sie erreichen?
Tekaath: Mir geht es vor allem darum, deutlicher aufzuzeigen, wie vielfältig das Leben und Wirken junger Menschen im Raum der katholischen Kirche ist und welchen Beitrag die Jugendpastoral dazu leisten kann. Die Jugendpastoral richtet sich ausdrücklich und ohne Ausnahme an alle jungen Menschen nicht nur in der Kirche – das steht nicht nur in den neuen Leitlinien der Jugendpastoral, sondern dafür möchte ich mich auch ganz persönlich stark machen. Vielfalt ist eine Chance, gerade auch vor dem Hintergrund der vielen Polarisierungen, die wir auch in unserer Kirche erleben müssen. Deutlich zu machen, dass es nicht nur eine legitime Weise gibt, wie man heute als junger Mensch katholisch sein kann – das ist eines meiner Ziele.
Frage: In der Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz, mit der Ihr Wechsel an die afj-Spitze bekannt gegeben wurde, klingt das ganz ähnlich. Dort steht, dass Sie Anwalt für vielfältige Formen der Jugendpastoral sein wollen, denn – so werden Sie zitiert – "es gibt einen Reichtum an Ausdrucksformen und Handlungsfeldern, in denen junge Menschen sich in und mit Kirche für diese Welt engagieren". Können Sie das noch konkreter benennen? Was für einen Reichtum an Ausdrucksformen meinen Sie?
Tekaath: Da kann ich ganz aktuell auf den Weltjugendtag verweisen, denn die Motive der jungen Menschen, die Anfang August aus dem Bistum Magdeburg nach Lissabon fahren, stehen exemplarisch für diese Vielfalt. Manche Jugendlichen wollen das katholische Leben in Portugal kennenlernen, für andere wiederum stehen die Begegnungen mit dem Papst und Katholiken aus der ganzen Welt im Vordergrund. Für wieder andere ist die Fahrt nach Lissabon eher eine Chance, Stadt und Land wie bei einer Urlaubsreise kennenzulernen. Dass sie alle sich trotz ihrer unterschiedlichen Interessen und Motive gemeinsam auf den Weg zum Weltjugendtag machen, ist eine große Chance – für die Jugendlichen selbst, aber auch für die Kirche. Aus Sicht der Jugendpastoral finde ich das total spannend.
„Katholische Kirche muss sich verändern und ich bin fest davon überzeugt, dass sie sich auch ändern wird.“
Frage: Bisher sind Sie als Jugendseelsorger im Bistum Magdeburg und damit in der ostdeutschen Diaspora tätig. Welche besonderen Erfahrungen haben sie als Jugendseelsorger in diesem speziellen Umfeld gemacht? Wie schauen die jungen Menschen in der Diaspora auf die Kirche?
Tekaath: Natürlich spielen die Themen, die in unserer Kirche diskutiert werden – etwa die sogenannte Frauenfrage oder der Umgang mit Homosexualität – auch für die Jugendlichen im Bistum Magdeburg eine Rolle. Im Vordergrund stehen in der Jugendpastoral aber immer der Spaß und die gemeinsame Aktivität, das Zusammensein in Gemeinschaft. Ich denke, dass sich Jugendliche bei uns da nicht so sehr von Jugendlichen in noch stärker volkskirchlich geprägten Regionen unterscheiden.
Frage: Was sich aber unterscheidet, ist die Situation der Kirche in Ost und West – einmal eben aufgrund der extremen Diaspora, wie sie in weiten Teilen Ostdeutschlands vorherrscht, aber auch aufgrund deutlich geringerer Finanzmittel, weshalb die Kirche im Osten vielleicht gerade im Bereich der Seelsorge mitunter kreativer und flexibler sein muss. Wie sehr können Ihnen ihre diesbezüglichen Erfahrungen aus Magdeburg für Ihre neue Aufgabe hilfreich sein?
Tekaath: Es ist sicher so, dass wir im Bistum Magdeburg aufgrund unserer Minderheitensituation viel stärker als andere Bistümer gezwungen sind, uns aus unserer Kirchenblase herauszuwagen und Kontakt zur säkularen Gesellschaft jenseits der Kirchenmauern aufzunehmen. Wenn wir in der Jugendpastoral größere Aktivitäten planen, sind wir fast immer auf externe Helfer angewiesen, die in der Regel nichts mit Kirche zu tun haben. Der Umgang, die Zusammenarbeit mit diesen Menschen ist eine gute Schule, wenn es darum geht, den eigenen Glauben verständlich zu machen und ins Wort zu bringen. Das ist sicher eine Eigenschaft, die mir auch bei meiner neuen Aufgabe bei der afj und mit Blick auf die auch im Westen fortschreitenden Säkularisierung dienlich sein kann.
Frage: Das Bistum Magdeburg hat Ihnen auf seiner Internetseite zu Ihrer neuen Aufgabe gratuliert. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass man Sie dort nur ungern ziehen lässt. Schließlich ist das Reservoir an geweihtem Personal in der Diözese ja nicht gerade üppig ...
Tekaath: Das ist richtig. Allerdings bleibe ich dem Bistum Magdeburg auch künftig als Diakon erhalten. Ich werde mit meiner Familie in Magdeburg wohnen bleiben und unter der Woche in Düsseldorf arbeiten und hoffentlich mehr von der Vielfalt der Jugendpastoral auf Dienstreisen erleben. Insofern werde ich künftig zwischen Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen und damit auch ein Stück weit zwischen den unterschiedlichen kirchlichen Welten in Ost und West pendeln.
Anfang August findet der Weltjugendtag in Lissabon statt.
Frage: Der katholischen Kirche rennen die Mitglieder seit Jahren in Scharen davon; am Mittwoch wurden die Austrittszahlen für 2022 veröffentlicht, die den Negativrekord von 2021 noch einmal deutlich übertroffen haben. Kann man junge Menschen vor diesem Hintergrund überhaupt noch für Kirche und kirchliche Angebote begeistern?
Tekaath: Ich denke schon, jedenfalls habe ich das in den vergangenen Jahren immer wieder erlebt. Die Jugendpastoral ist eine große Chance – für die Kirche genauso wie für die Jugendlichen. Mit unseren Angeboten in der Jugendarbeit, die sich – nochmal – an alle jungen Menschen richten, müssen wir uns gegenüber anderen, nichtkirchlichen Einrichtungen nicht verstecken. Und wenn wir den Jugendlichen dann noch aus unserer christlichen Perspektive heraus ein Stück Orientierung für ihr Leben mitgeben können, dann hat sich die Arbeit schon gelohnt.
Frage: Trotzdem: Die katholische Kirche steckt seit Jahren in einer nicht enden wollenden Dauerkrise, die vor allem durch den Missbrauchsskandal und ausbleibende Reformen verursacht wurde. Wie gucken Jugendliche Ihrer Erfahrung nach auf den aktuellen Zustand der Kirche?
Tekaath: Wie ich schon gesagt habe: Natürlich werden die Reformthemen unter den Jugendlichen durchaus auch thematisiert – sie stehen aber nicht so im Mittelpunkt. Klar ist aber auch: Katholische Kirche muss sich verändern und ich bin fest davon überzeugt, dass sie sich auch ändern wird. Viele junge Menschen fangen damit bereits an – in den Jugendverbänden des BDKJ ebenso wie in vielen Gemeindegruppen und Initiativen. Vielfalt zuzulassen wird aber auch hier die Herausforderung der Zukunft – katholisch sollte keine enge Weise fürs Kirche sein bedeuten, sondern eine Weite. Dies erwarten sicherlich junge Menschen von offiziellen Stellen der Kirche.
Frage: Sie haben es vorhin schon angesprochen: Anfang August findet der Weltjugendtag in Lissabon statt. Welche Bedeutung hat solch ein Großereignis für die teilnehmenden Jugendlichen?
Tekaath: Der Weltjugendtag kann auf ganz unterschiedliche Weise seine Wirkung entfalten. Zum einen natürlich durch die Begegnungen und Veranstaltungen vor Ort: Für die teilnehmenden Jugendlichen ist das jedes Mal eine tolle Chance, Weltkirche mit dem Papst und Tausenden anderen Jugendlichen aus aller Welt wirklich hautnah zu erleben. Welches Event kann diese Form von globaler Gemeinschaft sonst bieten? Darüber hinaus wirkt der Weltjugendtag aber auch über das eigentliche Treffen hinaus. Wir haben im Bistum Magdeburg zum Beispiel zur Vorbereitung auf Lissabon mehrere Online-Veranstaltungen durchgeführt, bei denen die teilnehmenden Jugendlichen sich etwa mit eigenen Referaten zur Geschichte Portugals oder zur Marienfrömmigkeit eingebracht haben. Das war hochinteressant zu erleben, wie die Jugendlichen sich mit diesen Themen auseinandergesetzt haben und dabei mit Themen und Fragen konfrontiert wurden, die sie sich vorher vermutlich noch nie gestellt hatten. Insofern bin ich mir auch sehr sicher, dass der Weltjugendtag bei den Jugendlichen immer auch eine Wirkung entfaltet, die über die eigentlichen Treffen hinausgeht.
