Konflikt in Erzdiözese Hamburg um Bischof-Theissing-Haus in Mecklenburg

Jugendverband kritisiert Aus für Bildungshaus – Erzbistum widerspricht

Veröffentlicht am 12.07.2023 um 13:29 Uhr – Von Steffen Zimmermann – Lesedauer: 

Hamburg/Teterow ‐ Im Zuge einer Immobilienreform will das Erzbistum Hamburg zum Jahresende zwei seiner Jugendhäuser schließen. Im Fall des Bischof-Theissing-Hauses in Mecklenburg gibt es nun jedoch eine Kontroverse. Die Katholische Jugend in der Region und das Erzbistum machen sich gegenseitig Vorwürfe.

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Im Erzbistum Hamburg gibt es eine Kontroverse um die angekündigte Schließung der Jugendbildungsstätte Bischof-Theissing-Haus (BTH) im mecklenburgischen Teterow. Die Katholische Jugend Mecklenburg (KJM) kritisierte am Mittwoch gegenüber katholisch.de mit scharfen Worten das geplante Aus für das Bildungshaus und erhob in diesem Zusammenhang Vorwürfe gegen das Erzbistum. Das widersprach auf Anfrage von katholisch.de und warf dem Jugendverband mangelnde Gesprächs- und Kompromissbereitschaft vor.

"Wir haben kein Verständnis dafür, wie man in diesen Zeiten kirchliche Orte für Jugendliche in ländlichen Regionen schließen kann. Gerade hier in Mecklenburg braucht es einen zentralen Ort, an dem sich junge Menschen begegnen können", erklärte der KJM-Vorsitzende Torben Knaak. Dass das Erzbistum die Schließung des BTH angekündigt habe, ohne vorher ein "zukunftsfähiges Konzept" erstellt zu haben, wie es mit der Jugendarbeit in Mecklenburg in Zukunft weitergehen solle, sei zutiefst bedrückend. Ohne einen zentralen Ort für Jugendpastoral in Mecklenburg "wird es die KJM in spätestens zehn Jahren nicht mehr geben", prophezeite Knaak.

Vertretung der jungen Katholiken in Mecklenburg

Die KJM ist die vom Erzbistum anerkannte Vertretung der jungen Katholiken in Mecklenburg, sie hat ihren Sitz im Bischof-Theissing-Haus und dort in der Vergangenheit regelmäßig Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche durchgeführt. Dem Verband gehören alle katholisch getauften Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in dem Bistumsteil im Alter von 7 bis 27 Jahren an. Derzeit hat die KJM nach eigenen Angaben zwischen Schwerin, Rostock und Neubrandenburg rund 7.000 Mitglieder.

„Wir haben kein Verständnis dafür, wie man in diesen Zeiten kirchliche Orte für Jugendliche in ländlichen Regionen schließen kann.“

—  Zitat: Torben Knaak

Das Erzbistum hatte am Dienstag angekündigt, das Bischof-Theissing-Haus und die Jugendbildungsstätte Kührener Brücke im schleswig-holsteinischen Kühren zum Jahresende zu schließen. Zur Begründung führte die Erzdiözese den jährlichen Finanzbedarf der beiden Häuser von zusammen rund 400.000 Euro sowie deren geringe Auslastung an. Die Schließung der Häuser sei Teil einer Immobilienreform, bei der alle rund 800 Immobilien des Erzbistums und der Pfarreien auf dem Prüfstand stünden. Als Jugendhäuser erhalten bleiben den Angaben zufolge das Andreas-Haus in Büsum, das Jugendhaus St. Benedikt im Kloster Nütschau, das Schullandheim Dreilützow und das Niels-Stensen-Haus in Wentorf.

Die Erzdiözese kündigte zugleich an, zur Abfederung des Mehraufwands bei weiteren Wegen oder höheren Unterbringungskosten für Jugendveranstaltungen den Jugendfonds des Erzbistums aufzustocken. Zudem werde die Pastorale Dienststelle gemeinsam mit den betroffenen Verbänden und Gruppen Unterstützungsmöglichkeiten erarbeiten.

KJM wirft Erzbistum "undurchsichtigen und intransparenten Prozess" vor

Knaak kritisierte im Gespräch mit katholisch.de, dass ausgerechnet die beiden ländlich gelegenen Jugendhäuser des Erzbistums aufgegeben würden, während zentraler gelegene Häuser erhalten blieben. Insbesondere Mecklenburg verliere mit dem nach Heinrich Theissing (1917-1988), dem früheren Apostolischen Administrator von Schwerin, benannten Haus einen wichtigen Ort des katholischen Lebens und werde dadurch kirchlich "weitgehend abgehängt". Zwar habe man seit längerer Zeit gewusst, dass die Zukunft des Hauses unsicher sei, "von der Pressemitteilung des Erzbistums wurden wir dann aber doch völlig überrascht", sagte der KJM-Vorsitzende.

Bild: ©privat

Der KJM-Vorsitzende Torben Knaak äußert scharfe Kritik an der Schließung des Bischof-Theissing-Hauses und der Vorgehensweise des Erzbistums Hamburg.

Nach seinen Worten ging der Entscheidung zur Schließung des Hauses ein "undurchsichtiger und intransparenter Prozess" voraus, bei dem die Jugendlichen aus Mecklenburg nicht richtig gehört worden seien. Mehrfach habe die KJM erfolglos versucht, Kontakt mit der Bistumsleitung in Hamburg aufzunehmen. Ein schließlich im Dezember vergangenen Jahres zustande gekommenes Videogespräch mit Generalvikar Sascha-Philipp Geißler sei nach einer Stunde ohne greifbares Ergebnis zu Ende gegangen. Den Jugendlichen wurde laut Knaak in dem Gespräch lediglich indirekt empfohlen, sich nach einer anderen Unterkunft umzuschauen, weil das Erzbistum nicht alle Immobilien behalten könne.

Bischof-Theissing-Haus wird nicht als Jugendhaus wiedereröffnet

Anlass für das Gespräch mit dem Generalvikar war die Unterbringung von ukrainischen Flüchtlingen im Bischof-Theissing-Haus. Das Erzbistum hatte dem Landkreis Rostock das Haus im Juni 2022 überlassen, um dort bis zum Jahresende 60 Menschen zu beherbergen. Zugleich wurde dem Landkreis die Möglichkeit eingeräumt, den Mietvertrag danach um drei Monat zu verlängern. Laut Knaak wurde der Vertrag seither mehrfach verlängert, die KJM habe das Haus deshalb nicht mehr nutzen können und dort geplante Veranstaltungen verlegen müssen. Am Dienstag erklärte das Erzbistum nun, dass das Haus auch nach dem Auszug der Flüchtlinge nicht mehr als Jugendhaus wiedereröffnet werde. Die künftige Nutzung des Gebäudes und des Grundstücks ist noch offen. Zu dem Haus gehört ein etwa zwei Hektar großes Gelände mit Spiel- und Sportanlagen, Zeltplatz, Grillhalle und überdachter Open-Air-Bühne.

Das Erzbistum wies die Kritik des KJM-Vorsitzenden auf Anfrage von katholisch.de nahezu vollständig zurück. "Gerade wegen der großen Fläche braucht es nicht zwingend einen zentralen Ort, weil die Hauptzielgruppe Kinder und Jugendliche diese weiten Wege allein gar nicht zurücklegen kann", sagte der Geschäftsführer der Pastoralen Dienststelle im Erzbistum Hamburg, Karl Theißen, mit Blick auf den Vorwurf, mit dem BTH werde der zentrale Ort des katholischen Lebens in Mecklenburg geschlossen. Das Erzbistum habe immer wieder angeregt, die Aktivitäten zu dezentralisieren. "Aber die KJM war zu diesem Thema überhaupt nicht bereit, ins Gespräch zu kommen, sondern wiederholte stets: 'Wir brauchen ein eigenes Jugendhaus'", so Theißen. Diese Position habe sie auch im Videogespräch mit dem Generalvikar "immer und immer wieder wiederholt".

„Ich persönlich habe häufig mit dem Vorstand der KJM zu der Bedeutung des Bischof-Theissing-Hauses für die Arbeit der KJM, aber ganz konkret auch über das sehr realistische Szenario einer Schließung gesprochen.“

—  Zitat: Karl Theißen

Den Vorwurf, bislang kein Konzept für die Zukunft der Jugendarbeit in der Region vorgelegt zu haben, wies Theißen mit dem Hinweis zurück, dass die KJM stets Wert auf ihre Eigenständigkeit und Selbstorganisation gelegt habe. "Dass jetzt vom Erzbistum ein zukunftsfähiges Konzept für die KJM verlangt wird, passt hierzu nicht vollumfänglich", so der Geschäftsführer. Der Verband habe immer den Alleinvertretungsanspruch für die Region Mecklenburg beansprucht, deshalb sei es nie gelungen, dezentrale Strukturen wie etwa beim Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) aufzubauen. Zwar sei keineswegs gesichert, "dass eine Dezentralität die Qualität und Quantität der Jugendarbeit verbessert hätte", aber in einer derart großen Fläche wäre ein Dachverband mit lokalen Ortsgruppen vermutlich näher an den jungen Menschen gewesen. Der BDKJ mit seinen verschiedenen Mitgliedsverbänden umfasst im Erzbistum aus historischen Gründen nur die Bistumsteile Hamburg und Schleswig-Holstein, Kooperationen mit dem BDKJ hat die KJM laut Theißen "stets abgelehnt".

Theißen verwies zudem darauf, dass es in Mecklenburg mit der Bildungs- und Begegnungsstätte Dreilützow und der Kinder- und Jugendbegegnungsstätte Neu-Sammit sehr wohl weitere Häuser für die Zielgruppe Kinder und Jugendliche gebe. Und weiter: "Daneben gibt es noch zahlreiche weitere Häuser in kirchlicher, freier oder staatlicher Trägerschaft."

"Über realistisches Szenario einer Schließung wurde konkret gesprochen"

Verwundert zeigte sich der Geschäftsführer zudem über die Kritik Knaaks, dass die KJM von der Pressemitteilung zur Schließung des Bischof-Theissing-Hauses überrascht worden sei: "Das Erzbistum hatte den Anspruch, am Montag dieser Woche zuerst die betroffenen Mitarbeitenden in den beiden Häusern persönlich zu informieren. Erst am Anschluss daran wurde die Öffentlichkeit informiert." Vorangegangen sei ein langer Prozess, in dem auch unabhängige Fachleute nach Alternativen zu einer Schließung zu Rate gezogen und viele Bistumsgremien gehört worden seien. "Ich persönlich habe häufig mit dem Vorstand der KJM zu der Bedeutung des Bischof-Theissing-Hauses für die Arbeit der KJM, aber ganz konkret auch über das sehr realistische Szenario einer Schließung gesprochen", betonte Theißen. Einzig der konkrete Tag der Veröffentlichung der Pressemitteilung sei der KJM nicht bekannt gewesen.

An den Schließungsplänen für das BTH dürfte die Kontroverse nichts mehr ändern; die von der Schließung betroffenen Mitarbeitenden wurden über das Aus für das Haus bereits informiert. Inwieweit die aktuelle Auseinandersetzung langfristig negative Auswirkungen auf das Miteinander der Bistumszentrale in Hamburg und dem Bistumsteil Mecklenburg haben wird, bleibt abzuwarten.

Von Steffen Zimmermann