Robert Mehlhart wird Präsident des päpstlichen Kirchenmusik-Instituts

Kirchenmusiker: Musik verbalisiert Glauben an Gott

Veröffentlicht am 04.08.2023 um 00:01 Uhr – Von Christoph Paul Hartmann – Lesedauer: 

München ‐ Von München nach Rom: Der deutsche Dominikaner Robert Mehlhart wird Präsident des päpstlichen Kirchenmusik-Instituts. Im katholisch.de-Interview spricht er darüber, worauf er sich bei seinem neuen Job freut, wie weltweite Kirchenmusik klingt – und welche Rolle jahrhundertealte Gesänge dabei spielen.

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Bislang arbeitet Robert Mehlhart noch als Chorleiter an der Münchner Theatinerkirche – doch bald wirkt er zusätzlich noch in Rom. Der 41-jährige Dominikaner ist zum Präsidenten des Päpstlichen Instituts für Kirchenmusik (Pontificio Istituto di Musica Sacra) ernannt worden und leitet damit bald die Musikuniversität des Vatikan. Im Interview spricht er über Vorfreude und den besonderen Wert und Auftrag der Kirchenmusik.

Frage: Herr Mehlhart, Sie bekommen einen in dieser Form in der katholischen Welt einzigartigen Job. Waren Sie über die Ernennung überrascht?

Mehlhart: Das war eine große Überraschung! Auf so eine Stelle bewirbt man sich nicht, das ist eine echte Berufung. Im Vorfeld gibt es ganz viele interne Gremien, die sich beraten und mitentscheiden. Ich habe mir das Institut schließlich angeschaut und mit ein paar Kollegen gesprochen, die dort unterrichten. Ich habe mich dann bereit erklärt – war dann aber schon überrascht, dass sie mich auch genommen haben.

Frage: Was reizt Sie an der Aufgabe?

Mehlhart: Mich reizt, dass es so international ist: Die Studierenden kommen aus 42 Nationen. Das ist einfach unglaublich, ein musikalischer Melting Pot. Alle sind auf der Suche, wie sie als Musiker zur Kirche beitragen können, wenn sie an ihren verschiedenen Orten sind, mit ihrem Charismen. Das finde ich ganz spannend. Dazu kommt: Viele Länder sind nicht so privilegiert wie wir in Deutschland, wo es viele unglaublich tolle Konservatorien gibt, wo man nach einer Aufnahmeprüfung quasi gratis eine Topausbildung bekommt. In anderen Teilen der Welt läuft das ganz anders. Dort können Menschen in den Diözesen oder Gemeinschaften sagen: Wir haben hier ein Talent, das wir ausbilden möchten – und die kommen dann nach Rom. Denn da haben viele Orden ein Generalat, wo junge Menschen wohnen können. Dadurch entstehen dann auch Multiplikatoren. Ein Absolvent hat zum Beispiel in Indonesien ein eigenes Konservatorium gegründet. Das stärkt dann wieder die Gemeinschaften vor Ort.

Frage: Haben Sie sich schon überlegt, welche musikalischen Schwerpunkte Sie dort setzen wollen?

Mehlhart: Das kann ich noch nicht absehen. Ich werde mir erstmal in Ruhe anschauen, was die Kolleginnen und Kollegen schon gemacht haben. Welche Erwartungen man an mich hat, was sich das Dikasterium vorstellt. Danach ist erst die Zeit, sich über eigene Projekte Gedanken zu machen.

Sechs Mönche stehen im Halbrund in einer Kirche und singen.
Bild: ©KNA

Der gregorianische Choral ist allen Menschen heutzutage gleich fremdn, sagt Robert Mehlhart.

Frage: Sie haben schon gesagt, die Voraussetzungen für Kirchenmusik weltweit sind sehr verschieden. Wie sieht das denn stilistisch aus?

Mehlhart: Es gilt erst einmal festzustellen, was für einen diversen und großen Schatz an Kirchenmusik es gibt. Letzten Sommer durfte ich einen Monat in Mexiko leben. Da werden die Gottesdienste stilistisch ganz anderes und mit ganz anderen Instrumenten gestaltet als beispielsweise in Frankreich oder Deutschland. Das liegt schon an den unterschiedlichen Sprachen. Diese Vielfalt muss man anerkennen. Wenn man etwas Verbindendes sucht, stößt man vielleicht auf die gregorianischen Gesänge der mittelalterlichen Mönche. Allein schon, weil sie heutzutage allen Menschen gleich fremd sind. Da ist es wie mit der Sonne: Sie ist von allen Menschen gleich weit entfernt. Die kann niemand für sich allein beanspruchen. So ist es mit der Gregorianik auch. Niemand weiß, wer diese Gesänge komponiert hat, sie wurden lange Zeit mündlich weitergegeben und erst spät aufgeschrieben. Auch die Sprache ist uns fremd – dabei sind die Texte so nah an der Heiligen Schrift. Diese Musik hat die Kirche immer wieder geprägt und Musik inspiriert. Wie eine Art Grundrauschen. Sie ist so etwas wie ein katholisches Erkennungszeichen. Davon ganz abgesehen ist Musik immer dann universal, wenn Menschen zusammen singen und dadurch Verbindung und Gemeinschaft entsteht – da ist dann auch Christus gegenwärtig. Der Komponist Joseph Haydn hat über die Musik einmal gesagt: "Meine Sprache versteht die ganze Welt." Das fasst es schön zusammen.

Frage: In der Kirchenmusik gibt es unterschiedliche Bewegungen: Popularmusik, klassische Orchesterwerke und einiges dazwischen. Ist das ein Zeichen einer lebendigen Kirchenmusik oder eher einer Aufspaltung?

Mehlhart: Gute Musik überlebt immer. Aber neben einem Werk für die Ewigkeit stehen Tausende, die einfach verpuffen. So ist es nunmal. Aber jedes dieser Werke hat seine Berechtigung. Ich habe da keine Sorge. Die Menschen sind kreativ, waren es schon immer und werden es weiter sein – für jeden Anlass und jede Gemeinschaft neu. Erst im Nachhinein macht man dann manchmal einen Stil fest. Aber in der Zeit selbst sieht man das anders. Mozart, Haydn und Beethoven sehen wir heute als klassische Musik, aber zwischen diesen Werken liegen stilistisch gesehen Welten. Ich bin kein Freund davon, in Stilen zu denken. Ich will auf die Menschen schauen, was sie brauchen und mögen. Was mich als Chorleiter natürlich bewegt, ist die Sprache in der Musik. Denn die ist deutlich konkreter als reine Instrumentalmusik. Sie verbalisiert auch unseren Glauben an Gott. Und singen geht immer – auch ohne Instrumente oder Strom. Das macht den Gesang so lebendig.

Bild: ©Fotoluminate LLC/Fotolia.com

Die Orgel spielt in der Kirchenmusik eine herausragende Rolle - zumindest im Westen.

Frage: Welche Voraussetzungen, welche äußeren Bedingungen braucht gute Kirchenmusik, damit sie wirken und wachsen kann?

Mehlhart: Dazu braucht man Verantwortliche, also zum Beispiel bei der Leitung eines Chores, die wissen, was sie tun und die auch musikalische Vorbilder sind. Sie müssen ihr Wissen an die anderen weitergeben, sie melodisch und harmonisch stützen. Dazu gehört aber auch eine theologische Ebene. Ein Chor sollte wissen, was er singt und warum ein Kyrie anders klingt als ein Gloria. Kirchenmusik ist auch ein Teil der Verkündigung.

Frage: Sie werden nicht nur in Rom arbeiten, sondern mit München Kontakt halten. Wieso?

Mehlhart: Ein Koch sollte immer wissen, wie sein eigenes Essen schmeckt. Ich will nicht nur lehren, sondern auch selbst aktiv Musik machen – sonst geht die Verbindung zur Praxis verloren. Beide Pole, Rom und München, können sich gegenseitig befruchten. Ich möchte durch die Praxis die Lehre und durch die Lehre meine eigene Praxis auch immer wieder hinterfragen. Warum tue ich die Dinge, wie ich sie tue? Was bewährt sich am Dirigierpult, was nicht? Für mich waren immer die Professorinnen und Professoren am wertvollsten, die auch selbst noch Musik gemacht haben. So möchte ich auch sein. Die Kirchenmusik in Deutschland ist sehr gut aufgestellt. Wir haben gute Ausbildungsstätten, wir haben viele aktive und gut ausgestattete Gemeinden. Oft ist die Kirche der Raum, der sich für Kultur und damit auch für die Musik öffnet. Das wertzuschätzen und mit dieser Erfahrung in die internationale Zusammenarbeit zu gehen, ist ein großer Schatz.

Von Christoph Paul Hartmann