Vor 70 Jahren wurde Dietrich Bonhoeffer hingerichtet

Von guten Mächten

Veröffentlicht am 09.04.2015 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Bild: © KNA
NS-Zeit

Bonn ‐ Er zählt "zu den großen Gestalten der Kirchengeschichte", auch wenn er sich selber nicht als "Säulenheiligen" sehen wollte. Auch der katholische Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller hat keine Probleme damit, den evangelischen Theologen und NS-Gegner Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) als christlichen Märtyrer zu würdigen. Vor 70 Jahren, am 9. April 1945, wurde Bonhoeffer im KZ Flossenbürg ermordet.

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Bonhoeffer sah es als Pflicht der Kirche an, "den Staat immer wieder danach zu fragen, ob sein Handeln verantwortet werden könne". Am Karsamstag 1933 verfasste er seinen Aufsatz "Die Kirche vor der Judenfrage": Darin machte er die Verteidigung der Menschenrechte zur gesamtkirchlichen Pflicht und trat für das Judentum ein. Die Kirche sei "den Opfern jeder Gesellschaftsordnung in unbedingter Weise verpflichtet".

Der Theologe wurde am 4. Februar 1906 in Breslau in eine politisch liberale, großbürgerliche Familie hineingeboren. Er wuchs zusammen mit sieben Geschwistern in Berlin auf, wo sein Vater Karl Professor für Neurologie und Psychiatrie war und seine Mutter Paula die Kinder unterrichtete. Karl Bonhoeffer war nicht besonders religiös. Die Mutter, eine Pfarrerstochter, vermittelte Dietrich zwar eine christliche Erziehung, aber ohne große kirchliche Bindung. Bonhoeffers Wunsch, Theologie zu studieren, löste in der Familie Kopfschütteln aus.

Geprägt durch Auslandsaufenthalte

1928 legte Bonhoeffer sein Erstes Theologisches Examen ab und reichte seine Doktorarbeit "Sanctorum Communio. Eine dogmatische Untersuchung zur Soziologie der Kirche" ein. Anschließend ging er für ein Jahr als Vikar in die deutsche Gemeinde nach Barcelona. Ein weiterer Auslandsaufenthalt in New York sollte ihn langfristig prägen: In den Kirchengemeinden Harlems lernte er praktische Pastoralarbeit kennen und befasste sich mit Fragen des Friedens und des Rassismus.

Bild: ©dpa/picture alliance/akg-images / Alfred Hennig

Fackelzug durchs Brandenburger Tor 1933 Berufung Hitlers zum Reichskanzler, 30. Januar 1933.

Nach Deutschland zurückgekehrt, hielt er an der Berliner Universität zu Beginn der 30er Jahre Vorlesungen über die Geschichte der Theologie. Mit der Machtergreifung Hitlers 1933 stand Bonhoeffer sofort in der kirchlichen Opposition. In einem Radiobeitrag forderte er eine Begrenzung der Macht Hitlers und der Regierung durch rechtsstaatliche Ordnung und Volkswohl - das Mikrofon wurde ihm abgedreht.

Nach der Einführung des Arierparagraphen in der evangelischen Kirche am 6. September 1933 schlug Bonhoeffer den oppositionellen Pfarrern den Austritt aus der zum Staatsanhängsel gewordenen Deutschen Evangelischen Kirche vor - ohne großen Erfolg. Daraufhin gründete er mit Martin Niemöller und anderen den Pfarrernotbund zum Schutz der bedrohten Amtsbrüder jüdischer Herkunft.

Zunächst Lehr- , dann auch Redeverbot

Weil Bonhoeffer in der "häretischen Reichskirche" nicht Pfarrer sein wollte, ging er als Auslandspfarrer nach London. 1935 kehrte er trotz drohender Gefahren zurück, um das Predigerseminar der Bekennenden Kirche in Finkenwalde zu leiten. Dieses wurde zwei Jahre später geschlossen. Bonhoeffer bekam Lehr-, 1940 sogar Redeverbot. In diesem Jahr schloss er sich der Widerstandsgruppe um seinem Schwager Hans von Dohnanyi und Generalmajor Hans Oster an. Offiziell reiste Bonhoeffer im Auftrag der Militärischen Abwehr in die Schweiz, nach Norwegen, Schweden und Italien, um sich über die Pläne der Engländer und Amerikaner zu informieren. Tatsächlich aber weihte er Kirchenmänner im Ausland in Putschpläne gegen Hitler ein.

Verwicklung in Umsturzpläne

In seiner Ethik legte er 1940 dar, dass seine Kirche versagt hatte: "Sie war stumm, wo sie hätte schreien müssen, weil das Blut der Unschuldigen zum Himmel schrie." Am 5. April 1943 wurde Bonhoeffer wegen seiner Kontakte zu NS-Gegnern des Hoch- und Landesverrats beschuldigt und zunächst in Tegel, dann im berüchtigten Gestapo-Gefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße inhaftiert.

Wenige Monate nach dem Stauffenberg-Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 fand die Gestapo Beweise für Bonhoeffers Verwicklung in die Umsturzpläne. Angesichts der herannahenden Roten Armee wurde er zunächst ins KZ Buchenwald bei Weimar, dann über Regensburg und Schönberg im Bayerischen Wald nach Flossenbürg gebracht, wo er am 9. April 1945 erhängt wurde. Der letzte von ihm überlieferte Satz lautet: "Dies ist das Ende, für mich der Beginn des Lebens."

Von Samuel Dekempe und Christoph Arens (KNA)

Kirchenvertreter würdigen Bonhoeffer

Vertreter der beiden großen Kirchen in Deutschland haben am Mittwoch den vor 70 Jahren ermordeten evangelischen Theologen und NS-Gegner Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) gewürdigt. Der gebürtige Breslauer war am 9. April 1945, vor genau 70 Jahren, im KZ Flossenbürg ermordet worden. Der deutsche Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller bezeichnete Bonhoeffer als christlichen Märtyrer und standhaften Glaubenszeugen. Er zähle zu den ganz großen Gestalten der Kirchen- und Theologiegeschichte, schreibt der Präfekt der Vatikanischen Glaubenskongregation in der in Bonn erscheinenden "Zeit"-Beilage "Christ & Welt". Mutig und hellsichtig habe der evangelische Pfarrer von Anfang an die Vergötzung von Blut und Rasse abgelehnt und die Diskriminierung und Verfolgung jüdischer Menschen verurteilt. Er habe die Kirche aufgefordert, sich einzumischen. Nur wer für die Juden schreie, der könne auch gregorianisch singen, zitierte der Kardinal den Theologen. "Bonhoeffer wollte die kirchliche Theologie nicht vor den Karren einer nationalistischen Politik oder nationalistischer Ressentiments spannen lassen." Er habe sehr früh den totalitären Charakter des NS-Regimes erkannt, fügte Müller hinzu. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, erklärte in Hannover: "Bonhoeffer bleibt eine Inspiration für die, die sich in Situationen von Unterdrückung und Gewalt für die Menschenwürde einsetzen." Der Theologe habe betont, die Kirche sei "nur Kirche, wenn sie für andere da ist". Sie dürfe sich nicht bequem einrichten, sondern müsse auch die kritische Kraft des Evangeliums in der Gesellschaft zur Sprache bringen. (KNA)