Jeder Sonntag eine Feier

"Jetzt ist wieder der Alltag da, jetzt muss sich bewähren, was man an Ostern und Pfingsten gefeiert hat," sagt Pfarrer Markus Ziegler aus Freudenstadt im Schwarzwald. Aber auch diese Zeit strahlt für ihn einen gewissen eigenen Reiz aus. Denn der Sonntag ist ein Urfeiertag der Kirche und der Kern des ganzen liturgischen Jahres, heißt es in der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965). Eigentlich feiern Christen mit dem wöchentlichen Gedenktag der Erlösung durch Tod und Auferstehung Jesu jeden Sonntag Ostern.
Als der Tag nach dem Sabbat ist er auch der erste Tag der Woche – und nimmt Bezug auf den ersten Schöpfungstag, an dem Gott das Licht schuf. Seit Anbeginn des Christentums versammeln sich Gläubige am Sonntag, um die neue Schöpfung, die mit der Auferstehung begann, zu feiern. Die Christen hören im Gottesdienst Gottes Wort, danken ihm und empfangen in der Eucharistie auch den heilenden, stärkenden und versöhnenden Geist.
Anpassung von Uhrzeiten geplant
Doch zu welcher Uhrzeit versammeln sich die Gläubigen am besten dazu – wenn sie es überhaupt tun? Allwöchentlich besuchen nur 11 Prozent der katholischen und 4 Prozent der protestantischen Kirchenmitglieder einen Gottesdienst. "Wir müssen über den Sonntagmorgen neu nachdenken", sagte die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, vor wenigen Wochen und entfachte damit eine Diskussion über Gottesdienstzeiten. Sie schlug den Sonntagabend vor. Die Abkehr vom Sonntagmorgen würde ihr aber nicht leichtfallen. Wichtig sei ein regelmäßiges und zuverlässiges Angebot am Tag des Herrn, um weiter präsent zu sein.
Die Zeitspanne für katholische Sonntagsgottesdienste ist größer als bei den evangelischen Christen.
Hintergrund sind Ergebnisse der Studie "Religion in der Moderne". Einer deren Autoren, der Religionssoziologe Detlef Pollack, sagt, Glaube und Spiritualität "hängen auch von sozialen Bedingungen ab". Vielen Menschen sei heute die Zeit mit der Familie oder auch der Besuch im Fußballstation wichtiger als der Gottesdienstbesuch. Ähnliches stellt auch der katholische Priester Markus Ziegler fest: Für die Woche über ausgelastete Menschen sei der Sonntagmorgen etwas Besonderes, ein Tag, an dem man immer öfter auf das Mittagessen verzichtet und stattdessen ausgedehnt "bruncht".
Während für die evangelische Kirche der Sonntagsgottesdienst oft die einzige liturgische Versammlung und vielerorts der Vormittag vorgeschrieben ist, ist die katholische Kirche in ihrer Zeitspanne freier: Sonntagsgottesdienste starten schon am Samstagabend mit der sogenannten Vorabendmesse und finden bis in den Sonntagabend hin statt. Eigentlich gilt auch hier das frühkirchliche Gebot, dass sich die gesamte Ortsgemeinde zur Eucharistie versammeln und damit die Gesamtkirche darstellen soll.
Individuelle Pflichterfüllung oder gemeinsame Feier?
"Aber die Kirche hat sich immer an den Lebensgewohnheiten der Menschen orientiert und wann die Messe stattfindet ist keine dogmatische Glaubensfrage," sagt Ziegler. 1517 wurde den Gläubigen erlaubt, auch in den Gotteshäusern der Bettelorden zu feiern und das Gebot zur Verehrung Gottes individuell zu erfüllen. Vom frühen Morgen an, über den Nachmittag bis in den Abend konnten Katholiken bis vor wenigen Jahrzehnten die für sie angenehmste Zeit für den Sonntagsgottesdienst wählen.
Unser Gottesdienst
Obgleich immer weniger Menschen einen Gottesdienst besuchen, ist er das zentrale Element des Glaubens. Katholisch.de erläutert die Hintergründe der Messfeier.Manche Theologen können gar einer Reduktion der Messen aufgrund von Priestermangel etwas abgewinnen. Michael Kunzler plädierte in "Liturgie der Kirche" für eine von "der Stundenliturgie des Sonntags 'umrahmte' Pfarrmesse". Die Liturgiekonstitution des Konzils hatte empfohlen, darauf hinzuarbeiten, "dass der Sinn für die Pfarrgemeinschaft vor allem in der gemeinsamen Feier der Sonntagsmesse wachse".
In Freudenstadt gibt es bislang zwei Möglichkeiten: Am Samstagabend und am Sonntag um 11 Uhr. Pfarrer Ziegler sagt, dass der Vormittagstermin noch der Gewohnheit der meisten Gottesdienstteilnehmer entspricht, zeigt sich aber offen für andere Termine. Nach der Renovierung und Wiedereröffnung der Pfarrkirche könnte er sich vorstellen, auf die Vorabendmesse zu verzichten und stattdessen für die brunchenden Menschen einen Gottesdienst anzubieten, der den Sonntag am frühen Abend abschließt. (mit Material von dpa und KNA)