Standpunkt

Die Kölner Wagenburgmentalität erstickt den Geist

Veröffentlicht am 24.06.2024 um 00:01 Uhr – Von Andreas Püttmann – Lesedauer: 

Bonn ‐ Rücktritte beim KSI, Protest im Pastoralrat: Die Zustände im Erzbistum Köln seien alarmierend, schreibt Andreas Püttmann. Dabei seien Vertrauen und Exzellenz vonnöten, um als Kirche Strahlkraft in die Gesellschaft zu entfalten.

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Katholische Apologeten waren stolz, als 2005 ein Vertreter wissenschaftlicher Exzellenz die Cathedra Petri erstieg: Glaube und Vernunft, endlich versöhnt durch einen im Diskurs mit Habermas satisfaktionsfähigen Professorenpapst! In Paris dozierte Benedikt XVI., dass "gerade durch die Gottsuche die profanen Wissenschaften wichtig" würden. In Regensburg hielt er wieder Vorlesung. Universität schützt Theologie vor Selbstreferenzialität.

Vernunft und Gelehrsamkeit fallen nicht vom Himmel. Sie müssen mühevoll erarbeitet, in beständiger Skepsis gesucht, in "trial and error" erprobt werden. Dafür braucht es Räume der Freiheit, Ergebnisoffenheit und Demut, Disput und Auslese nach strengen akademischen Regeln. Nur Objektivität sichert Qualität. Auch katholische Bildungseinrichtungen brauchen deshalb bei aller Verbundenheit mit der Kirche ein hohes Maß an Unabhängigkeit, Selbstverwaltung, Rückkoppelung mit der Wissenschaft in Kuratorien, Vorständen, Kollegien.

Es muss alarmieren, wenn nun im Katholisch-Sozialen Institut des Erzbistums Köln fünf Kuratoriumsmitglieder (drei auch im Vorstand) – Professoren aus Theologie, Philosophie und Politikwissenschaft, eine frühere Hauptabteilungsleiterin Schule/Hochschule des Erzbistums und ein Beamter im Bundesbildungsministerium – ihre Ämter aus Protest niederlegen. Sie beklagen "eigentümliche Intransparenz" bei der Nachbesetzung der Direktorenstelle, Beratungsresistenz, "wenig respektvollen" Umgang, zerstörtes Vertrauen. Ein Verdacht geht um: Die Bistumsleitung wolle ohne Ausschreibung ihren Wunschkandidaten installieren, der bereits Prorektor der umstrittenen neuen "Kölner Hochschule für Theologie" ist. Weil er für konservative Linientreue stehe und KSI-Ressourcen für die KHKT nutzbar machen könne. Stechen die Kriterien "richtiges Lager" und Finanzierungsdruck bewährte Verfahrensregeln aus?

Eingriffe in die Leitungsstruktur des Domradios und in die Berufungsregeln des Pastoralrats verstärken den Eindruck, dass Macht, Durchgriff und Gleichschritt erzielt werden sollen, wo von Zukunfts- und Qualitätssicherung die Rede ist. "Uneigentliches Reden" beschädigt aber die Kirche. Ehrlichkeit, Transparenz, "Checks and balances", Vertrauen und Exzellenz sind vonnöten, um Strahlkraft in die Gesellschaft zu entfalten. Wo Wissenschaftler Kirchengremien fliehen, wird man "Fides et Ratio" nicht vermuten. Wagenburgmentalität und Machtmechanik ersticken den Geist. Sie verweltlichen die Kirche. Das muss gerade Konservative befremden, die Benedikts XVI. "Entweltlichungs"-Postulat ernst nehmen.

Von Andreas Püttmann

Der Autor

Andreas Püttmann ist Politikwissenschaftler und freier Publizist in Bonn.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.