Schützenfest bedeutet nicht nur feiern
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Jetzt ist die Zeit wieder da, in der vor Häusern Fahnen wehen, Männer in Uniform einem Ziel zustreben, Spielmannszüge durch die Straßen ziehen: die Fest-Zeit der Schützenbruderschaften. Sankt Sebastian, Soldat und Märtyrer, Sankt Hubertus, Patron der Jäger, oder andere Heilige sind Namengeber der Bruderschaften mit langer Geschichte. In der Öffentlichkeit sichtbar werden die Schützen, wenn sie bei kirchlichen Veranstaltungen auf- und mitmarschieren – oder eben bei Schützenfesten.
Auch die Lokalredaktionen der Tagespresse haben nun Konjunktur. Grußworte der Kompanien, Einladungen zum und Übersicht über das Festprogramm, Berichte über das Königsschießen und über die Robe der Königin füllen Seiten. Die Traditionen der Bruderschaften sind, zumindest in kleineren Orten oder Stadtteilen, nicht selten mit Familientraditionen verknüpft. Wie schon der Urgroßvater wird heute der Urenkel Mitglied des Vereins.
Haben diese Traditionen heute noch Bedeutung? Jungschützen, nach ihrer Motivation die Uniform anzuziehen befragt, betonen das Gemeinschaftsgefühl, das in der einheitlichen Kleidung und im einheitlichen Marschieren sichtbar und spürbar werde. Diese optische Einheitlichkeit wird bislang noch kaum von Frauen gestört. Schützen sind in der Regel Männer und Frauen sind vor allem für Getränke und das hübsche Aussehen zuständig. Erstaunlicherweise reicht das vielen Frauen – zumindest bei dieser Gelegenheit.
Doch: Die Frage nach Gleichstellung in einer dieser letzten Männerdomänen wird schon lange gestellt. Seit etwa zwei Jahrzehnten werden nach und nach Satzungen verändert und Frauen als Mitglieder aufgenommen, wenn auch nicht immer sofort mit allen Rechten. Diskutiert werden nicht nur Rollenzuschreibungen; auch andere Fragen liegen auf dem Tisch: Kann ein schwules Paar Schützenkönig und -königin sein? Kann ein Mensch mit muslimischem Glauben aufgenommen werden?
Seit seinem Entstehen um 1100 hat das Schützenwesen auf unterschiedlichste gesellschaftspolitische Entwicklungen reagieren müssen. Schützen war jedoch immer seine Aufgabe: Schutz von Haus und Hof, von Gesundheit, Gemeinwesen, Glaube und Religion. Für den Schutz der Bürger*innen ist seit langem der Staat zuständig. Was darüber hinaus zu schützen kann heute die Aufgabe der Schützenbruderschaften sein? Ganz sicher der Schutz der Würde des Menschen als Grundlage von Gemeinschaft bei aller Verschiedenheit. Im gemeinsamen Aufstehen gegen Sexismus, Rassismus, Hass und Hetze. Beim Feiern von Festen und im Alltag.
Die Autorin
Agnes Wuckelt ist emeritierte Professorin für Praktische Theologie und stellvertretende Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd).
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.