Deutschlandweit einmalig in katholischer Kirche

Schlichtungsrat soll im Bistum Münster kirchliche Macht kontrollieren

Veröffentlicht am 07.02.2025 um 17:30 Uhr – Lesedauer: 

Münster ‐ Macht braucht Kontrolle – auch in der Kirche: Zu diesem Schluss sind viele Missbrauchsstudien gekommen, auch in Münster. Bischof Felix Genn macht nun in den letzten Monaten seiner Amtszeit zwei Versprechen wahr, die Macht begrenzen sollen.

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Verwaltungsentscheidungen und Streitigkeiten im Bistum Münster sollen künftig von einem Schlichtungsrat überprüft werden können. Bischof Felix Genn kündigte am Freitag an, eine Ordnung für das neue Gremium zu erlassen, die am 1. März in Kraft tritt. Zum selben Zeitpunkt soll eine Disziplinarordnung für Kleriker wirksam werden. Beide Regelungen sind deutschlandweit einmalig in der katholischen Kirche. Der Text der Ordnungen wurde noch nicht veröffentlicht. Katholisch.de liegt eine Entwurfsfassung vor.

Der Schlichtungsrat kann künftig grundsätzlich gegen alle kirchlichen Verwaltungsentscheidungen im Bistum Münster angerufen werden. Beispiele dafür sind Ernennungen, Versetzungen oder Amtsenthebungen, die Errichtung, Veränderung, Auflösung oder Aufhebung kirchlicher Rechtsträger wie etwa Pfarreien oder auch Erlasse zu kirchlichen Immobilien. Der Schlichtungsrat ist außerdem zuständig für Streitigkeiten zwischen und innerhalb kirchlicher Gremien. Er wird gebildet von sieben Personen mit der Befähigung zum kirchlichen oder staatlichen Richteramt, von denen drei durch den Bischof und je zwei weitere durch den Priester- und den Diözesanrat des Bistums Münster ernannt werden.

Die Schlichtungs- und die Disziplinarordnung

Beide Ordnungen werden mit Wirkung vom 1. März 2025 von Bischof Felix Genn in Kraft gesetzt.

In der Präambel der Schlichtungsordnung erklärt sich der Bischof bereit, "alle Streitigkeiten, die sich in der Diözese ergeben, gemäß den Regeln und Verfahren dieser Ordnung einem Schlichtungsverfahren zu unterwerfen". Die Ausübung von Autorität und Vollmacht in der Kirche dürfe nicht willkürlich sein. Der Schlichtungsrat sei ein "Mittel gegen die Willkür und den Missbrauch von Macht".

Genn hatte bereits 2019 seine Bereitschaft erklärt, Macht abzugeben und sich gegebenenfalls einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit unterzuordnen. Nach der Veröffentlichung der Münsteraner Missbrauchsstudie kündigte der Bischof 2022 an, dass er eine diözesane Verwaltungsgerichtsbarkeit einrichten werde. Die jetzt verabschiedete Schlichtungsordnung errichtet keine verbindliche Verwaltungsgerichtsbarkeit, sondern ist für alle Beteiligten freiwillig: Beide Seiten eines Konfliktes können frei entscheiden, ob sie in ein Schlichtungsverfahren eintreten, am Ende des Verfahrens ist es ihnen freigestellt, den Schlichtungsspruch zu akzeptieren.

Umfassende Zuständigkeit für Streitigkeiten – mit Ausnahmen

Ausgeschlossen von dem Verfahren sind Akte der bischöflichen Gesetzgebung, kirchengerichtliche Entscheidungen, lehramtliche Akte sowie Angelegenheiten, für die bereits andere kirchliche Konfliktlösungsmechanismen bestehen. Dazu gehören Streitigkeiten aus dem kirchlichen Arbeitsrecht, Datenschutzfragen, Kirchensteuerangelegenheiten sowie Entscheidungen zu kirchlichen Lehrerlaubnissen ("Missio canonica") und Unbedenklichkeitserklärungen in der Hochschullehre ("nihil obstat"). Ausgeschlossen sind außerdem Angelegenheiten, die anderen Schlichtungs- und Entscheidungsverfahren oder staatlichen Gerichten zugewiesen sind.

Mit dem Schlichtungsrat setzt Genn eine Möglichkeit des Universalkirchenrechts um. Grundsätzlich ist die Bischofskonferenz dafür zuständig, Rahmenbestimmungen für diözesane Schlichtungsgremien zu schaffen. Die Deutsche Bischofskonferenz hat allerdings keine derartige Rahmenbestimmung erlassen, so dass jeder Diözesanbischof eigenständig Schlichtungsverfahren in seinem Diözesanrecht vorsehen kann.

Klare Regeln für Pflichtverletzungen von Geistlichen

Ebenfalls eine Konsequenz aus der Missbrauchsaufarbeitung und -prävention ist der Erlass einer Disziplinarordnung für Kleriker. Sie diene dazu, "das Wohl der Gemeinschaft der Gläubigen vor einem unangemessen oder missbräuchlich ausgeübten Dienst oder Amt eines Klerikers zu schützen", heißt es in der Präambel. Die Ordnung definiert klerikale Amtspflichtverletzungen näher. Dazu gehören unter anderem Tatbestände sexualisierter Gewalt und geistlichen Missbrauchs, aber auch vermögensrechtliche Delikte und kirchenfeindliche Betätigungen.

Ein Rosenkranz liegt auf dem Buch Codex Iuris Canonici (CIC), dem Gesetzbuch des katholischen Kirchenrechts.
Bild: ©KNA (Symbolbild)

Schlichtungsverfahren sind bereits im Codex Iuris Canonici (CIC), dem Gesetzbuch des katholischen Kirchenrechts, vorgesehen – umgesetzt wurde diese Bestimmung in Deutschland bisher nicht.

Für Verletzungen von Amtspflichten sind Sanktionen unterschiedlicher Schwere von einer Ermahnung über Geldbußen bis hin zu Suspendierungen, Amtsenthebungen und Versetzungen in den vorzeitigen Ruhestand vorgesehen. Zuständig für Disziplinarverfahren ist eine Disziplinarkommission unter Vorsitz des Generalvikars. Das interne Verfahren ist dabei dem Disziplinarverfahren staatlicher Behörden nachgebildet, in dem ebenfalls die Behörde zunächst selbst zuständig ist und kein unabhängiges Gremium. Gegen Entscheidungen der Disziplinarkommission stehen der kirchliche Rechtsweg oder eine Schlichtung durch den Schlichtungsrat offen. Ausschlussfristen regeln, wann Amtspflichtverletzungen verjährt sind und wie lange festgestellte Amtspflichtverletzungen noch disziplinarisch verwendet werden dürfen.

Beide Ordnungen sollen innerhalb von drei Jahren evaluiert werden. Über die Ergebnisse der Überprüfung werden neben den Münsteraner Gremien auch die Deutsche Bischofskonferenz und die Apostolische Signatur, das oberste Kirchengericht, informiert. Während es vor allem in US-amerikanischen Diözesen teils seit Jahren bereits Schlichtungsgremien gibt, ist das Bistum Münster weltweit die erste Diözese mit einer Disziplinarordnung für Kleriker. Seit Jahren gibt es auf Ebene der DBK ähnliche Pläne, die im Rahmen des Synodalen Wegs bekräftigt wurden. Vorgesehen sind eine Disziplinarordnung für Kleriker sowie die Einrichtung einer Straf- und Verwaltungsgerichtsbarkeit. Ursprünglich war geplant, die neuen Gerichte 2021 einzurichten.Unter Leitung des mittlerweile emeritierten Bamberger Erzbischofs Ludwig Schick hatte die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) 2019 in einer Arbeitsgruppe entsprechende Ordnungen ausgearbeitet. Der Prozess ist allerdings ins Stocken geraten. (fxn)