Zerstörte Vielfalt

Veröffentlicht am 29.01.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Ausstellung

Berlin ‐ Auf dem Berliner "Kudamm" herrscht Anfang 1933 reges Treiben. Wer auf der Amüsiermeile der pulsierenden Reichshauptstadt zwischen den Autos durchkommen will, muss sich beeilen. Mit der Video-Installation einer typischen Straßenszene führt die Ausstellung "Zerstörte Vielfalt. 1933 - 1938" im Berliner Deutschen Historischen Museum (DHM) in die Jahre ein, in denen die Nazis das Berlin der "Goldenen Zwanziger" in ihrem Sinne umformten.

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Ab Donnerstag können sich Besucher bis 10. November ein Bild davon machen. Anlass für die Ausstellung und zahlreiche weitere Veranstaltungen eines Themenjahres mit dem gleichen Titel sind der 80. Jahrestag der Machtübernahme Hitlers am 30. Januar 1933 und der 75. Jahrestag der November-Pogrome von 1938.

In der Form eines zeitlichen Stadtrundgangs schafft die zentrale Schau einen Überblick über das gesamte Berliner Themenjahr. Einzelne Exponate verweisen auf weitere Ausstellungen, etwa im U-Bahnhof Alexanderplatz über die "Gleichschaltung" der Mitarbeiter des Berliner Nahverkehrs. So galten die Berliner Verkehrsbetriebe als Vorzeigeprojekt sozialdemokratischer Kommunalpolitik - nach ihrer Machtübernahme tauschten die Nationalsozialisten im großen Stil deren Beamte aus. Auf diese Weise soll die Schau im DHM zur "inhaltlichen Klammer" des ganzen Themenjahres werden, erklärt DHM-Stiftungspräsident Alexander Koch.

Stadt der Gegensätze

Die Ausstellung dokumentiert den gesellschaftlichen Wandel auch unter vielen anderen Aspekten. "Berlin war eine Stadt der Gegensätze: Freizügiger Luxus traf auf große soziale Not", erklärt Kuratorin Simone Erpel. Dies nutzten die Nazis für ihre Propagandaaktionen und Terrormaßnahmen. Sie reichten von Störungen bei Literaturlesungen bis zur Verfolgung von Juden und Regimegegnern, die diese zur Flucht ins Ausland zwangen, wie Zeitungsberichte und persönliche Erinnerungen belegen. Fotos des berüchtigten Fackelzuges vom 30. Januar 1933 durch das Brandenburger Tor und antijüdische Razzien im sogenannten Scheunenviertel sind auf großen Plakaten zu sehen. Die Macht der Bilder und Symbole zeigt, wie das bunte Berlin braun wird.

Anders verhalten, als die Masse

Historiker Michael Wildt von der Humboldt-Universität sieht in der Schau wegen der Zusammenarbeit mit anderen Projekten "eine Form der öffentlichen Wissenschaft". Durch die Präsenz des Themas an zahlreichen Orten habe sich ein vielfältiger Austausch entwickelt.

Das Themenjahr zeige auch die Möglichkeiten der Menschen auf, sich anders zu verhalten als die große Masse. Viele Studierende interessierten sich vor allem dafür, warum die deutsche Gesellschaft damals "umkippen" konnte, erklärt Wildt.

Ein Kompliment an die Demokratie

Insgesamt sind in dem Themenjahr rund 500 Veranstaltungen von 120 Projektpartnern geplant. Die Berliner Kulturstaatssekretär Andre Schmitz (SPD) würdigt es als "das größte Erinnerungsprojekt an diese dunkle Zeit". Wegen des Engagements vieler ehrenamtlicher Mitarbeiter sei es auch ein Kompliment an die Demokratie. "Wir haben wieder eine große lebendige Stadt", betont Schmitz. "Aber keine Generation ist davor gefeit, dass dies noch einmal kippt".

Der Rundgang durch die DHM-Ausstellung endet erneut mit einer Video-Installation: Bomben fallen auf Berlin, Flüchtlingsströme ziehen durch die Stadt, und gefangene Soldaten werden in Lager abtransportiert. Ein weiteres großes Bild zeigt eine Ruine mit einem Plakat der Alliierten: "Goebels hat Euch versprochen: Ihr werdet Berlin nicht wiedererkennen", heißt es darauf.

Von Benedikt Angermeier (KNA)