Schwester Marina Dirks ist Dominikanerinnen-Priorin in Regensburg

Fünf Stunden Gebet am Tag – Deshalb bin ich Nonne geworden

Veröffentlicht am 19.05.2025 um 00:01 Uhr – Von Madeleine Spendier – Lesedauer: 

Bonn/Regensburg ‐ Schwester Marina Dirks wusste schon früh, dass sie einmal genau so leben möchte: in Gemeinschaft und mit viel Zeit für Gott und das Gebet. Die Dominikanerin ist Priorin ihres Klosters in Regensburg und sorgt sich gleichzeitig um eine 90-jährige Mitschwester.

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Täglich um fünf Uhr morgens beginnt der Tag von Schwester Marina Dirks. Dann streift sich die 50-Jährige ihren weißen Habit über und geht in das Nachbarzimmer. Dort wohnt ihre 90-jährige Mitschwester Angela Strasser, die seit mehr als 60 Jahre in dem Kloster der Dominikanerinnen in Heilig Kreuz bei Regensburg. Weil die betagte Ordensfrau körperlich gebrechlich ist und sich nicht mehr allein pflegen kann, übernimmt das ihre Mitschwester Marina, die auch Oberin des Konvents ist. Täglich wäscht Schwester Marina ihre ältere Mitschwester, kleidet sie an und bringt ihr das Frühstück aufs Zimmer. Das mache sie einfach gerne, erklärt die Priorin. Schwester Angela sei ihr richtig "ans Herz gewachsen", sagt die Ordensfrau. Ihre ältere Mitschwester in ein Altenheim oder in Pflege zu geben, bringe sie nicht übers Herz. "Sie ist mein betender Rückhalt", so Schwester Marina. "Ich brauche sie". Ihre ältere Schwester strahle eine Gelassenheit und Ruhe aus, die ihr guttue, vor allem bei den vielen Aufgaben, die sie im Kloster als Vorsteherin ausübe, betont die Oberin des Klosters. Es sei zwar manchmal schon eine Herausforderung, wenn sie dienstlich außerhalb des Klosters unterwegs sei und sich nicht um ihre ältere Mitschwester kümmern könne. Dann sei sie froh, wenn andere aus dem Konvent ihren Dienst übernehmen.

Wenn Schwester Angela morgens angezogen und bereit sei, fährt sie Schwester Marina per Rollstuhl in die Klosterkirche. Dort starten die Schwestern um 5 Uhr 40 mit einer stillen Gebetszeit in den Tag. Danach folgt die Laudes. Manchmal bleibt Schwester Angela in dieser Zeit aber auch alleine auf ihrem Zimmer mit dem Rosenkranz in ihren Händen. "Ich denke, sie betet jeden Tag den Rosenkranz für meine Anliegen mit", sagt Schwester Marina.

Eine Gemeinschaft aus zehn Schwestern

Dass sich Ordensleute in Klöstern selbst um ihre älteren Mitschwestern und Mitbrüder kümmern, sei heutzutage üblich, meint Schwester Marina Dirks. In ihrer Gemeinschaft leben zurzeit zehn Schwestern. Viele davon sind über 70 Jahre alt, manche etwas jünger, also um die 50 oder jünger. Eine weitere pflegebedürftige Mitschwester ist in einer Alteneinrichtung außerhalb des Klosters untergebracht. Die Gemeinschaft entscheide je nach Einzelfall, was besser für die zu pflegende Mitschwester sei, erklärt die Ordensfrau. Schwester Marina findet, dass ein gutes Miteinander der Generationen im Kloster wichtig sei. Die Jüngeren würden von den Älteren lernen und umgekehrt. Zurzeit gelinge das Zusammenleben in dem kleinen Frauenkonvent so gut, dass es auch nach außenhin strahle, freut sich die Priorin. Auch wenn die klösterlichen Gemeinschaften deutschlandweit insgesamt kleiner würden, viele Klöster schließen müssten, bringe das eine intensivere Qualität der Spiritualität mit sich, zeigt sich die Ordensfrau überzeugt. Mitzuerleben, wie ihre Mitschwester Angela in Weisheit alt werde, empfinde sie als Geschenk. Außerdem bewundere sie, mit welcher Würde diese ihre körperliche Gebrechlichkeit annehme. Und trotzdem habe sie immer "ein Wort des Dankes für mich", erzählt Schwester Marina.

Bild: ©Kloster Heilig Kreuz Regensburg

Die Dominikanerin Angela Strasser ist über 90 Jahre alt und sitzt im Rollstuhl. Ihre Mitschwester Marina Dirks, die Oberin der Gemeinschaft in Regensburg, pflegt sie.

Die 50-Jährige ist im Alter von Mitte 20 in das Kloster der Dominikanerinnen in Regensburg eingetreten. Aufgewachsen ist sie mit drei Schwestern in Borken in Westfalen. Ihre Mutter war viel in der Kirche engagiert, die Familie ging regelmäßig sonntags in die Kirche, berichtet die Ordensfrau. Schon als Jugendliche verspürte sie eine innere Sehnsucht, ihr Leben "ganz Gott zu schenken". 

Wenn sie als manchmal mit Freundinnen in der Eisdiele saß, habe sie öfters daran gedacht, stattdessen lieber in einem Gottesdienst zu sein, gibt die 50-jährige Ordensfrau zu. Für solche Gedanken habe sie sich damals geschämt. Doch ihre Liebe zum Gebet wurde immer stärker, wie sie sagt. Nach dem Abitur riet ihr daher ein Priester, sich einmal das Kloster der Dominikanerinnen in der bayerischen Donaustadt anzuschauen. Als sie den Konvent kennen lernte, war sie davon sehr angetan, weiß die 50-Jährige noch. Das Leben der Schwester dort in Klausur mit viel Zeit für Gebet und Stille zog sie förmlich an. Auch das gesungene Chorgebet gefiel ihr und die Prozession der Nonnen am Abend bei der Komplet. "So wollte ich leben", blickt die Ordensfrau zurück. Schon beim ersten Gespräch mit der Oberin habe sie gespürt: "Das ist es". Doch dann zögerte sie. Erst nach ihrem Theologie- und Pädagogikstudium in Münster beschloss sie, ins Kloster Heilig Kreuz einzutreten. Diese Entscheidung erlebte sie weder als Bruch noch als besondere Bekehrung, sondern als "ein Hineinwachsen in meine Berufung", wie Schwester Marina es beschreibt. "Als hätte mich Gott an seine Hand genommen".

Ein Leben in Buße und strenger Klausur 

Schwester Marina war froh, endlich Nonne sein zu können. Bei ihrem Eintritt in die Frauengemeinschaft konnte sie sogar ihren Taufnamen, den sie sehr mochte, behalten. "Ich wurde Schwester Marina", lacht die Nonne. Weil es eine Heilige ihres Ordens mit diesem Vornamen gab, war dies möglich. Die selige Marina de Omura, eine japanische Laiendominikanerin, wurde der Ordensfrau daher zur Namenspatronin. Im Kloster machte Schwester Marina später eine Ausbildung zur Religionslehrerin und arbeitete einige Jahre im Schuldienst. 

Die Dominikanerin hat sich bewusst für ein kontemplatives Leben in strenger Klausur entschieden. So lebt die Gemeinschaft in Regensburg eher zurückgezogen. Laut der Ordensregel des heiligen Augustinus gehören dazu Buße und Verzicht, wie das Einhalten von Fastenregeln unter der Woche und ein eher bescheidener Lebensstil mit wenig eigenem Besitz sowie strengen Ausgangsregeln. "Telefon und Internet haben wir aber schon", erklärt Schwester Marina. "Wir geben Gottes Wort viel Raum in unserem Leben", ergänzt die 50-jährige Ordensfrau. Täglich feiern die Schwestern in der Klosterkirche einen Gottesdienst mit einem Priester, der der Hausgeistliche der Gemeinschaft ist und in der Nähe des Klosters wohnt. Das mehrmalige gemeinsame Chorgebet, das die Schwestern - auf Latein oder Deutsch singen, ist "unser Schatz", so die Ordensfrau.

Bild: ©Kloster Heilig Kreuz Regensburg

Die Nonnen beim täglichen Stundengebet. Im Kloster Heilig Kreuz in Regensburg leben aktuell zehn Dominikanerinnen.

Insgesamt verbringen die Dominikanerin jeden Tag bis zu fünf Stunden im Gebet in der Klosterkirche. "Wenn diese Liebe zum Gebet und zum Gottesdienst bei uns fehlen würde, dann hätte so ein Leben im Kloster keinen Bestand", meint Schwester Marina. Sie genieße es jeden Tag, bewusst in der Gegenwart Gottes zu leben, sagt sie. 

Die Schwestern tragen täglich ihren weißen Habit "aus Überzeugung", erklärt Schwester Marina. Es gebe keine Schwester, die das nicht möchte, ergänzt die 50-Jährige. Das Ordenskleid gehöre "zu unserem Leben dazu". Schwester Maria freut sich darüber, dass es immer wieder junge Frauen gebe, die Interesse an einem Leben in einer klösterlichen Gemeinschaft zeigen. Zurzeit hat die Gemeinschaft eine Postulantin, eine junge Frau, die überlegt, Nonne zu werden. Als Oberin sorge sie sich darum, dass jede Schwester in ihrer "kostbaren Berufung" gefördert werde, führt Schwester Marina aus. Bei den Jüngeren komme hinzu, dass sie eine passende Aus- und Weiterbildung, auch manchmal außerhalb des Klosters, machen. 

Noch keinen Tag bereut, im Kloster zu sein

Auch wenn dann letztlich keine der Schwestern außerhalb des Klosters arbeite, gebe es viele Aufgaben innerhalb der Gemeinschaft, die erfüllt werden müssen, erklärt Schwester Marina. Eine Mitschwester ist in der Verwaltung tätig, eine andere hilft bei der wissenschaftlichen Übersetzung der deutschen Thomas-von-Aquin-Ausgabe mit, wieder eine andere Schwester bietet Kirchenführungen im Kloster an und Schwester Marina selbst steht als systemische Organisationsberaterin allen Interessierten, auch außerhalb des Klosters, für Coaching- und Beratungsgespräche zur Verfügung. Außerdem ist die Dominikanerin seit kurzem die Präsidentin einer Assoziation von dreizehn Dominikanerinnenklöstern in acht verschiedenen Ländern. Da sei schon viel zu tun, sagt die Ordensfrau. Außerdem betreiben die Ordensfrauen in Regensburg einen eigenen Gemüsegarten im Kloster und nähen ihre Habite selbst. "Wir können gut von unseren Einkünften leben", erklärt die Nonne. Zu Spendengeldern kommen noch die Erträge aus den Renten der älteren Mitschwestern hinzu. "Wenn es einmal eine finanzielle Not bei uns geben würde, dann könnte ich wieder unterrichten gehen", überlegt Schwester Marina. Doch geplant habe sie es vorläufig nicht.

Die Dominikanerinnen von Heilig Kreuz verlassen ihr Kloster nur in dringenden Fällen, also zum Beispiel wegen eines Arzttermines oder wenn sie einen Kurs oder Vortrag besuchen. Manche Schwestern seien daher schon wochen- oder monatelang nicht außerhalb der Klostermausern gewesen, berichtet Schwester Marina. Das Sitzen in einer Eisdiele vermisse sie nicht und sie habe es außerdem noch keinen Tag bereut, im Kloster zu sein. "Bis jetzt war es mir nicht langweilig", scherzt die 50-Jährige. Auch wenn sie durchaus "Durststrecken" erlebt habe, habe sie bis heute nicht das Gefühl, außerhalb des Klosters "irgendetwas Wesentliches zu verpassen". Dass sie früher gerne einmal Kinder oder eine eigene Familie gehabt hätte, gibt sie dann doch zu. Doch das sei ein Wunsch gewesen, den sie lernte, loszulassen. Dass sie im Kloster gemeinsam mit ihren Mitschwestern, jeden Tag für andere Menschen bete, auch für den Papst, sieht sie als Luxus und als Geschenk für sich und für "hoffentlich viele andere" an. 

Von Madeleine Spendier