Keine wirksame Begrenzung kirchlicher Macht

Kirchenrechtler kritisiert Münsteraner Schlichtungsrat: "Scheinbehelf"

Veröffentlicht am 26.05.2025 um 15:27 Uhr – Lesedauer: 

Freiburg ‐ In Münster können Katholiken Konflikte einem Schlichtungsrat vorlegen. Ein Fortschritt für die kirchliche Rechtskultur oder bloße Augenwischerei? Für den Freiburger Kirchenrechtler Georg Bier geht die unverbindliche Schlichtung am Ziel vorbei.

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Der Kirchenrechtler Georg Bier sieht den Schlichtungsrat im Bistum Münster skeptisch. Die im März in Kraft gesetzte Ordnung hinterlasse einen ambivalenten Eindruck, schreibt der emeritierte Freiburger Professor in einem Beitrag für die Zeitschrift "Herder-Korrespondenz" (Juni-Ausgabe). Das in der Ordnung festgelegte Verfahren suggeriere zwar Verbindlichkeit und habe das Ziel, einem Verwaltungsgerichtsverfahren so ähnlich wie möglich zu sein, sei aber tatsächlich keins und könne auch nicht die Verbindlichkeit eines Gerichtsverfahrens beanspruchen. "Wer den Gläubigen die bittere Wahrheit ersparen will, dass ein Rechtsschutz, der diesen Namen verdient, ohne die im amtlichen Kirchenverständnis per definitionem ausgeschlossene Gewaltenteilung nicht möglich ist, kann sich nur auf solche Scheinbehelfe beschränken", so Bier.

Im Interview mit katholisch.de hatten die beiden Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller und Thomas Neumann, die Bischof Felix Genn bei der Ausarbeitung der Ordnung beraten hatten, als Ziel das Einhegen klerikaler Macht benannt. Bier hält dieses Ziel für nicht realistisch: "In einer hierarchisch strukturierten Kirche, die keine Gewaltenteilung kennt und in der die Letztentscheidung weiterhin Klerikern, namentlich Bischöfen vorbehalten bleibt, ist das schon grundsätzlich keine aussichtsreiche Zielsetzung." Erst recht sei nicht zu erkennen, wie durch ein Schlichtungsverfahren, "das nur mit Zustimmung beider Parteien überhaupt durchgeführt werden kann und dessen Ergebnis nur bei beiderseitiger Akzeptanz verbindlich wird, kirchliche Gewalt begrenzt werden könnte", so Bier weiter.

Neuer Bischof kann Ordnung einfach aufheben

Solange es keine echten Rechtsbehelfe in der Diözese gebe, dürfte sich nach Ansicht des Kirchenrechtlers die Bereitschaft in Grenzen halten, Bischöfe für die Annahme eines Schlichtungsergebnisses und die Korrektur einer Entscheidung zu gewinnen. "Sollte dies im Bistum Münster anders aussehen, liegt es an einer entsprechenden Haltung der Beteiligten, nicht an Schlichtungsregeln." Ohnehin sei der künftige Münsteraner Bischof nicht an die kurz vor der Emeritierung Genns in Kraft gesetzte Regelung gebunden: "Er kann die Ordnung sofort wieder außer Kraft setzen, falls er dies für geboten hält", betont Bier.

Der Münsteraner Bischof Felix Genn hatte bereits 2019 seine Bereitschaft erklärt, Macht abzugeben und sich gegebenenfalls einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit unterzuordnen. Nach der Veröffentlichung der Münsteraner Missbrauchsstudie kündigte der Bischof 2022 an, dass er eine diözesane Verwaltungsgerichtsbarkeit einrichten werde. Die jetzt verabschiedete Schlichtungsordnung errichtet keine verbindliche Verwaltungsgerichtsbarkeit, sondern ist für alle Beteiligten freiwillig: Beide Seiten eines Konfliktes können frei entscheiden, ob sie in ein Schlichtungsverfahren eintreten, am Ende des Verfahrens ist es ihnen freigestellt, den Schlichtungsspruch zu akzeptieren. Mitte März hat sich der Schlichtungsrat erstmals konstituiert und Thomas Neumann zu seinem Präsidenten gewählt. Neumann ist eines von zwei durch den Diözesanrat der Katholiken benannten Mitgliedern des Gremiums. (fxn)