Eine Ausstellung in Mainz beleuchtet das Leben am Mittelrhein um das Jahr 1500

"Schrei nach Gerechtigkeit"

Veröffentlicht am 05.09.2015 um 00:01 Uhr – Von Peter de Groot (KNA) – Lesedauer: 
Ausstellung

Mainz ‐ Die Mittelrhein-Region am Vorabend der Reformation - darum geht es ab heute in einer Ausstellung im Mainzer Dommuseum. Die Schau wirft einen Blick auf eine Zeit, die geprägt war von Armut, Krankheit und ständiger Furcht vor Hölle und Fegefeuer.

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Die mit 160 Zentimetern lebensgroße Figur aus Lindenholz im Leuchterkranz wurde im historischen Kreuzgang-Obergeschoss des Mainzer Dommuseums installiert - für die Zeit der Sonderausstellung "Schrei nach Gerechtigkeit", mit der das Museum ab dem heutigen Samstag bis 17. Januar kommenden Jahres aufwartet. Anlässlich des für 2017 anstehenden 500-Jahr-Gedenkens der Reformation will die Schau Einblick geben in das "Leben am Mittelrhein am Vorabend der Reformation".

Die Kiedricher Doppelmadonna steht für die besondere Qualität spätmittelalterlicher Holzschnitzerei am Mittelrhein um 1500. Die laut Dommuseum "schönste Frau des Rheingaus" ist nicht aus zwei an der jeweiligen Rückwand ausgehöhlten Teilen gearbeitet, sondern aus einem Stück.

Ein "Teufel mit Seele" und ein "Brief über die Nöte und Sorgen der Pfarrer"

Die Mainzer Sonderausstellung, zu der es einen 488-seitigen Katalog mit Abbildungen gibt, wartet auf einer Fläche von 2.000 Quadratmetern mit mehr als 200 Exponaten auf. Da ist etwa der Bischofsstab des Wormser Bischofs Johann von Dalberg, da ist ein "Teufel mit Seele" aus Sandstein, da gibt es einen aus der Zeit um 1489 stammenden "Brief über die Nöte und Sorgen der Pfarrer" und die am 25. September 1484 in Rom ausgefertigte Ablassurkunde der Mainzer Sebastiansbruderschaft.

Weitere Informationen

Weitere Informationen zur Ausstellung "Schrei nach Gerechtigkeit. Leben am Mittelrhein am Vorabend der Reformation" finden Sie auf der Internetseite des Mainzer Dommuseums.

In der Ausstellung geht es um die Zeit zwischen der Mainzer Stiftsfehde 1461/62 und dem Übergreifen der süddeutschen Bauernkriege auf das Erzstift Mainz, also auf das weltliche Territorium der Mainzer Erzbischöfe an Rhein, Main und Tauber um 1525/26. Eine Zeit, die geprägt war von Armut, Krankheit und ständiger Furcht vor Hölle und Fegefeuer - und in der die Bevölkerung am Mittelrhein verstärkt Anspruch auf Wohlstand und soziale Gerechtigkeit anmeldete. Wobei: Der "Schrei nach Gerechtigkeit" war keiner nach Umsturz. Vielmehr ging es darum, dass die Herrschenden gerecht herrschen sollten, wie Dommuseums-Direktor Winfried Wilhelmy erläutert.

70.000 Liter Wein im "Großen Fass" von Kloster Eberbach

Die Mainzer Erzbischöfe regierten darauf mit einer Förderung von Bildung - 1477 wurde die Mainzer Universität gegründet - und Wirtschaft. Innovative Produktionsformen hielten Einzug. So entstanden unter Verwendung von Tonmodellen erstmals auf moderne Weise seriell geformte Werke der Kleinkunst. Für die damalige wirtschaftliche Produktivität der Mittelrhein-Region steht in der Ausstellung insbesondere die rekonstruierte Vorderfront des zwischen 1485 und 1500 gebauten "Großen Fasses" von Kloster Eberbach. Es fasste über 70.000 Liter Wein, galt seinerzeit als das größte Weinfass überhaupt.

Ein Beispiel für die aus Bayern importierte Flachschnitzerei ist die "Gerechtigkeitsspirale", eine spiralförmige Inschrift auf einer 1510 in der Kiedricher Valentinus-Kirche aufgestellten Kirchenbank. Da steht: "Die Gerechtigkeit lit in grosser Not/die Wahrheit ist geschlagen dot/der Glauben hat den Strit verlorn/die Falschheit die ist hoch geborn/das dut Got dem Hern Zorn/ O Mensch las ab/das du nit werdes ewiglich verlorn/lobt Gerechtigkeit".

Von Peter de Groot (KNA)