Nach Missbrauchsvorwürfen: Abt von Kloster Saint-Maurice tritt zurück

Papst Leo XIV. hat den Rücktritt des Abtes der Schweizer Abtei Saint-Maurice, Jean César Scarcella (73), angenommen. Das teilte der Vatikan am Samstag ohne nähere Angaben mit. Die Abtei erklärte ebenfalls am Samstag, dass Prior Simone Previte den Konstitutionen der Abtei gemäß die Funktion des Kapitelsvikars übernehme. Seine Aufgabe sei unter anderem die Vorbereitung der Wahl eines neuen Abtes, die bis Ende September stattfinden müsse.
Dem Rücktritt Scarcellas waren jahrelange massive Vorwürfe im Umgang mit sexuellem Missbrauch durch das älteste Kloster der Schweiz vorausgegangen. Scarcella selbst, 95. Abt von Saint-Maurice, hatte nach Belästigungsvorwürfen gegen ihn sein Amt seit September 2023 ruhen lassen. Allerdings hatte der Vatikan keine Verfehlungen festgestellt, so dass er im März die Leitung wieder übernommen hatte.
Nun stellte eine vom Orden der Augustiner-Chorherren beauftragte unabhängige Untersuchungskommission in ihrem am 20. Juni veröffentlichten Bericht fest, dass es zwischen 1960 und 2024 mindestens 67 Fälle sexualisierter Gewalt zumeist an Minderjährigen gegeben habe, verübt von mindestens 30 Ordensmännern. Die Abtei bat darauf "bedingungslos um Vergebung" und kündigte einen Aktionsplan an. Unter anderem soll eine unabhängige Ansprechperson für Betroffene benannt werden.
In der Pressemitteilung der Abtei betonte Scarcella: "Im März dieses Jahres wollte ich mein Amt erneut übernehmen, um die Ergebnisse des Berichts entgegenzunehmen." Er ziehe sich nun zurück, weil er "nach Gebet und konstruktivem Dialog" zur Überzeugung gelangt sei, "dass andere Kräfte die anstehenden Maßnahmen umsetzen sollen". Er bitte die Betroffenen und Gläubigen erneut um Vergebung. "Ich hoffe, dass die Entscheidungen dazu beitragen werden, alle Formen des Missbrauchs zu beseitigen."
Kloster untersteht unmittelbar dem Papst
Die Abtei Saint-Maurice gilt als ältestes Kloster des Abendlandes, das ohne Unterbrechung besteht. Sie untersteht unmittelbar dem Papst. Der Ruf der im 6. Jahrhundert gegründeten Abtei wurde zuletzt durch Vorwürfe sexueller Verfehlungen schwer erschüttert. Das Kloster reagierte darauf erst auf Druck der Öffentlichkeit.
Für den Untersuchungsbericht befragt wurden 57 Zeugen sowie 24 Geistliche. Dokumentiert wurden "Gesten oder Äußerungen mit sexuellen Anspielungen in einem Machtverhältnis, wiederholte sexuelle Berührungen, zweideutige Fotosessions, Verführungsversuche in einem Machtverhältnis, Exhibitionismus oder der Konsum von Kinderpornografie". Zudem gab es laut Bericht Fälle von sexuellen Übergriffen, Vergewaltigung sowie erzwungene Abtreibungen. Die Kommission wirft sowohl den Äbten als auch den örtlichen Behörden Versagen vor.
Im Umgang mit Missbrauchsvorwürfen stellt der Bericht dem Kloster ein schlechtes Zeugnis aus. So bescheinigt sie ihm eine "defensive Haltung", die zuallererst darauf abgezielt habe, den Ruf der Abtei zu schützen. Verdächtigte oder denunzierte Chorherren seien versetzt worden; "die Verantwortlichen der Abtei bemühen sich, die Handlungen der beschuldigten Kollegen zu vertuschen, sie zu verharmlosen, indem sie ein verschwommenes oder euphemistisches Vokabular benutzen", so die Autoren des Berichts. (cbr/KNA)