Ordensfrau: Mitgliederschwund in Orden nicht nur deutsches Phänomen
Mitgliederschwund bei Ordensgemeinschaften ist aus Sicht der Stellvertretenden Vorsitzenden der Deutschen Ordensobernkonferenz (DOK), Schwester Maria Thoma Dikow, nicht nur ein deutsches Phänomen. "Das ist schon ein sehr umfassendes Problem", sagte die Generaloberin der Heiligenstädter Schulschwestern im Interview mit der "Deutschen Welle" (Mittwoch). Sie habe 2023 an einer Konferenz des Ordensdikasteriums im Vatikan zu diesem Thema teilgenommen. "Da waren Ordensschwestern und -brüder aus vielen Ländern, und letztlich war es in allen Ländern so, ob Frankreich, Niederlande, Spanien, Deutschland, Österreich, ja, auch Polen." Ähnliche Schilderungen seien auch aus Kanada, den USA und Australien gekommen. "Und aktuell erreichen mich Schilderungen, dass Ordensgemeinschaften in Indien, die zum großen Teil ihre Stammsitze im sehr katholisch geprägten indischen Bundesstaat Kerala haben, über einen massiven Rückgang an Ordenseintritten berichten."
Einen Grund für den Mitgliederschwund sieht die Ordensfrau in den begrenzten beruflichen Möglichkeiten für Frauen in früheren Jahrzehnten. "In früheren Zeiten konnten Frauen ja kaum studieren und nicht einfach einen verantwortlichen Beruf in der freien Wirtschaft erreichen", erklärte Schwester Maria Thoma. "Die Chance, zu studieren und verantwortliche Arbeit zu leisten, war aber in den Ordensgemeinschaften gegeben, zum Teil nur in den Ordensgemeinschaften." Ihre Ordensgemeinschaft habe auch Schwestern im afrikanischen Mosambik. Dort träten viele junge Frauen ein. "Und dort ist dieser Schritt nach meinem Eindruck heute eine wirkliche Möglichkeit für junge Frauen, sich zu emanzipieren, einer Ehe zu entgehen, die im Wesentlichen darauf beruht, viele Kinder zu bekommen, stattdessen einen Beruf auszuüben." Das sei vor rund 70 Jahren in Deutschland ähnlich gewesen.
"Wir waren so froh, als wir unsere letzte Immobilie verkauft hatten"
Die Aufgabe von Klöstern könne dabei nicht nur schmerzhaft, sondern manchmal auch befreiend sein. "Ich kenne sehr gelungene Beispiele von Mitschwestern, die sagen: Wir waren so froh, als wir unsere letzte Immobilie verkauft hatten. Wir sind ganz viele Sorgen losgeworden. Wir müssen uns endlich nicht mehr um so viele Dinge kümmern, die eigentlich nicht die unseren sind", berichtete die stellvertretende DOK-Vorsitzende.
Wichtig sei es, dass die Gemeinschaft offen für Veränderungen sei. "Es sind schon Abschiedsprozesse, wenn es so kommen muss. Sie müssen gestaltet werden", sagte Schwester Maria Thoma. "Vielleicht ist es nur ein Fenster der vertrauten Kapelle, das man in ein Altersheim einbaut", nannte sie als Beispiel. "Oder es sind einige wenige Kunstgegenstände aus einer großen Sammlung aus früheren Missionsgebieten, die man behält und im neuen Haus sinnvoll als Identifikationsmöglichkeit platziert."
Aus Sicht der Ordensschwester ist es durchaus ein Verlust für die Gesellschaft, wenn Kirchen unsichtbarer werden, weil etwa Ordensleute seltener öffentlich zu sehen sind. "Nach meiner Überzeugung macht es schon etwas mit unserer Gesellschaft, wenn keine engagierten Christen mehr an bestimmten Positionen sind", sagte Schwester Maria Thoma. Das gelte für Ordensleute wie für engagierte Laien. "Für ein Krankenhaus oder eine Schule können Ordensleute so wichtig sein, weil sie für ein anderes Leben stehen und einstehen und auch Werte vermitteln." (cbr)
