Kreuze für die Ukraine und Heizöl für die Oma: "80-Euro-Waldi" hilft

Walter Lehnertz beherrscht das Eigen-Marketing - das zugleich darin besteht, sich über sich selbst lustig zu machen. "Ich mach gern Blödsinn", sagt "Waldi" und steckt sich erst mal eine Zigarette an. Das Ziel sei doch am Ende, dass sich die Leute wohler fühlen.
"Waldi" Lehnertz ist Kult. Mit seinem Spruch "Ich fang mal mit 80 Euro an!" wurde der 58-jährige Eifeler in der TV-Trödelshow "Bares für Rares" aus dem Pulheimer Walzwerk bundesweit bekannt. Und in seinem weitläufigen Ladenlokal "Eifel-Antik", einem alten Bauernhof in Kall-Krekel, kann man begutachten, was Waldi für die Nachwelt für erhaltenswert hält. Kein Zentimeter von den rund 750 Quadratmetern wird da verschenkt: überall Kristallgläser, Windlichter, alte Spielautomaten, Emaille-Schilder, eine Zapfsäule. Im Obergeschoss gibt es sogar spezielle Themenräume.
Nicht zu vergessen: Waldi-Accessoires. Waldi-Pulli, Waldi-Halstuch, -Schirm, -Sonnenschutz, -Uhr; und natürlich: Waldi-Wein, als Mitbringsel von den Bustouren, die (für 80 Euro) in den 230-Einwohner-Ort organisiert werden. Das Set mit einer Flasche Rotwein und einem Weißwein aus der Pfalz, natürlich mit seinem Konterfei, gibt Waldi fast zum Selbstkostenpreis ab. "Die alten Damen, die hier kommen, vielen von denen tun die Knochen weh nach ihrem langen Arbeitsleben. Und trotzdem machen die sich auf den Weg hierher. Denen möchte ich doch was Schönes mitgeben, 'ne kleine Freude machen."
80-Euro-Schein mit Waldi-Foto
Besonders Fahrt nimmt Waldi bei seinem wohl persönlichsten Präsent auf. Den grünen 80-Euro-Schein mit Waldi-Foto bekommen "nur die Damen"; mit einer persönlichen Widmung. Einer verheirateten Besucherin erklärt er, wie diese "Advo-Card aus der Eifel" funktioniert: Auf dem Schein mit Original-EZB-Optik steht auch Waldis Handy-Nummer. "Und wenn dir dein Mann auf die Nerven geht, dann rufst du mich an - und ich ruf dann den an! Danach läuft das wieder …" Das wirke besser als jede Eheberatung, scherzt Waldi. Auf diese Weise habe er die Scheidungsrate bei seiner Kundschaft halbiert. Der Kundin gefällt's; sie strahlt.
Von der Marienstatue über Engel zu Kreuzen – an religiösen Gegenständen herrscht kein Mangel.
"Weißte", sagt Waldi, "wenn sich die Leute mit einfachen Mitteln hier wohlfühlen: Das ist mir viel wichtiger als jeder Verkauf. Ist doch überall Mord und Totschlag auf der Welt." Das heißt zwar nicht, dass so ein großer Laden immer nur Spaß macht. Wohnungen entrümpeln, Anhänger entladen; da tut abends schon der Rücken weh. Es wird aber auch Umsatz gemacht - und es fällt genügend ab, um auch in der Nachbarschaft Gutes zu tun.
"Bei den Flutopfern, da war ich allerdings stolz", berichtet Waldi. 75.000 Euro an Spenden und über 300 Tonnen an Hilfsgütern habe er zusammengekriegt, nachdem vor fast vier Jahren die Ahr, die Erft und weitere Flüsschen für Verwüstung gesorgt hatten: Klamotten, Baumaterial, Öfen … Zum Beispiel habe ihn ein lokaler Radiosender angerufen: "Waldi, in Heinsberg ist ein ganzer Hof abgesoffen mit der Hälfte der Viecher." Die Bäuerin habe alle Tiere eingesammelt, die noch draußen herumliefen - aber kein Futter mehr gehabt.
Sieben Sprinter Pferdefutter
Waldi startete einen Aufruf über Facebook und Instagram. "Da kamen die aus Hessen mit sieben Sprintern voller Futter und Rundballen Heu. In der Eifel haben wir Pferdefutter, Katzenfutter, Karnickelsfutter eingesammelt." Ein Bauunternehmer stellte einen Container zum Einschließen zur Verfügung. "Den haben wir komplett vollgemacht, sodass die Frau erst mal ein Jahr Ruhe hatte, um sich wieder aufzubauen."
Die Marke Waldi wirkt. Ein Freund gründete die Stiftung "Zesame stonn" ("Zusammenstehen") gegen Altersarmut. "Für jeden is Geld da, aber nicht für unsere Alten", sagt Waldi. Also macht die Stiftung, was Waldi "Öl-Aktionen" nennt: "Wir kriegen von den Öl-Fritzen mit, wenn da so ne Oma 500 Liter Öl bestellt fürs ganze Jahr; und die sitzt dann in einem Räumchen, und der Rest der Bude ist eiskalt." Das stockt die Stiftung dann auf 1.500 Liter auf - "damit die Leutchen wenigstens ein bisschen das Haus wärmen können und es nicht schimmelt."
In der Corona-Zeit fuhr Waldi jeden Dienstag und Donnerstag bestellte Einkäufe für Senioren aus - Tüten gegen Geld, mit Sicherheitsabstand. "Da hab ich Riesenspaß dran", sagt er. "Manchmal hat sowas Kleines viel mehr Wirkung als Großes." Sein schönstes Erlebnis: Während der Flut bekam er ein altes Moped vermittelt. "Das hab ich in Kalterherberg ins Altenheim zum Siggi gegeben. Damit sind die Alten dann alle zum Spar-Laden einkaufen gefahren. Da geht mir doch das Herz auf!"
Kreuze für die Ukraine
Im traditionellen Milieu der Eifel fallen natürlich auch religiöse Alltagsgegenstände an. Und so sammelt Waldi auch Kreuze für eine Ukrainerin, die ihn danach fragte; ungefähr 50 Stück bislang. "Die verkauf ich ja nicht - die sind da drüben in der Ukraine besser aufgehoben", sagt er. "Wenn du nix mehr hast und da in der Bude hockst, dann hast du wenigstens etwas, woran du dich festhalten kannst."
Die Statue des heiligen Antonius ist der ganze Stolz von Waldi – und eines der ganz wenigen unverkäuflichen Stücke bei ihm.
Waldi selbst ist kein Sammler: "Hier wird alles wieder verkauft." Alles - außer seinem Antonius. Die Heiligenfigur von 1720, handgeschnitzt und lebensgroß. "An so 'ne Figur kommst du ein Mal im Leben. Da war ich damals stolz wie Bolle. Den hätt ich schon zehnmal verkaufen können - aber meine Holde rückt den nicht raus."
Dann präsentiert er noch ein paar Schätze aus seiner gut ausgestatteten Religionsecke. Eine kunstvolle Kerze von 1780 - ein "Riesenprügel", so nennt er das. Einen kompletten Mini-Altar, zwischen 1780 und 1850 in einer Flasche montiert - "für Hightech-Sammler". Aber, für Waldi ganz wichtig: "Auch die Oma mit der kleinen Rente kann sich hier was mitholen."