Cooler Rückzugsort: Kirchen als Oasen bei Hitzestress
Die tagelange Hitzewelle ist vorbei, Deutschland atmet wieder durch. Doch die nächste Hitzewelle kommt bestimmt. Dann sind in den Innenstädten kühle Zufluchtsorte begehrt. Bistümer und Landeskirchen bewerben Kirchen inzwischen bewusst als Hitze-Oasen – gerade jetzt, wo etwa in Rheinland-Pfalz die Sommerferien begonnen haben. An schwülen Sommertagen, die in der Rheinebene nicht selten sind, sei der Speyerer Dom "eine kühle Zufluchtsstätte", betont das Bistum Speyer.
Im Dom könne man "konsumfrei in der Kühle des Kirchenschiffs in einer Bank sitzen als auch auf Erkundungstour durch die fast 1000-jährige Geschichte des Gebäudes gehen". Um die 24 Grad herrschen demnach derzeit im Hauptschiff des Speyerer Doms. In der mittelalterlichen Krypta, der Unterkirche, ist es durchschnittlich 4 Grad kälter. Von dort aus geht es zur Gruft der Kaiser und Könige. Kühl werde es auch, wenn man die rund 300 Stufen zur Aussichtsplattform erklimmt. "In 60 Meter Höhe weht immer ein angenehmes Lüftchen."
Ulmer Münster "nie wärmer als 18 Grad"
Mit der kühlen Monumentalität des Weltkulturerbes Speyerer Dom kann es auch die größte evangelische Pfarrkirche in Deutschland aufnehmen: das Ulmer Münster. "Selbst wenn es draußen 30 Grad hat, wird es im Inneren nie wärmer als 18 Grad", sagte Kerstin Renz, Studienleiterin der Evangelischen Akademie Bad Boll, am Dienstagabend bei der Online-Veranstaltung "Hitzestress – Kirchen als Oasen".
Auch im Inneren beeindruckend – und angenehm kühl: das Ulmer Münster.
Der Deutsche Wetterdienst spricht von einer Hitzewelle, sobald die Temperatur an mindestens drei aufeinanderfolgenden Tagen über 28 Grad Celsius liegt. Nur ein Bruchteil der deutschen Kommunen habe sich mit Hitzeaktionsplänen aber wirklich auf das Problem eingelassen, so Renz. Und dies, obwohl im Sommer des Jahres 2003 Expertenschätzungen zufolge rund 7.000 bis 8.000 Menschen hitzebedingt zu Tode gekommen sind.
Per interaktivem Tool kühle Orte finden
Wo also hingehen, wenn man bei hohen Temperaturen unterwegs ist? Der baden-württembergische Landkreis Esslingen hat in einem landesweiten Pilotprojekt eine digitale "Kühle-Orte-Karte" erstellt. Die interaktive Internetseite zeigt, wo sich Bürger an heißen Tagen abkühlen können. Sie enthält verschiedenfarbige Symbole, die kühle Orte kategorisieren: "Man kann filtern nach Kirchen, Museen, Bibliotheken oder Einkaufszentren, aber auch nach Wasserbrunnen oder Grünanlagen", sagte Carolin Herdtle vom Gesundheitsamt des Landkreises Esslingen.
Um sich weitere Details zu einem Ort anzeigen zu lassen – etwa die Öffnungszeiten des Münsters Sankt Paul in Esslingen -, klickt man auf das gewünschte Symbol. Dadurch öffnet sich ein neues Fenster mit weiteren Informationen zum Ort – etwa, ob er barrierefrei ist. Außerdem hätten Bürger die Möglichkeit, "durch ihr Expertenwissen die Seite zu erweitern" und per Mausklick "einen kühlen Ort hinzuzufügen". Oder den Standort einer öffentlichen Toilette – die auch oft verzweifelt gesucht wird.
Kirchen sichtbarer machen
Die Angaben erscheinen dann aber nicht sofort auf der interaktiven Karte, sondern werden noch in einem amtlichen Zwischenschritt freigeschaltet. Die Expertin aus dem Gesundheitsamt verweist auf den Haftungsausschluss des Landkreises. "Für die Richtigkeit der gemachten Angaben können wir nicht haftbar gemacht werden", so Herdtle. Ziel sei aber, dass die "Kühle-Orte-Karte" stetig wachse. Kirchen seien den Bürgern "besonders wichtig als kühle Rückzugsorte". Mit dem digitalen Angebot wolle man sie sichtbarer machen.
Auf dem Petersplatz kann es heiß werden – vor allem bei Audienzen im Sommer. Bei der Ministrantenwallfahrt packt man gerne den Sprenkler aus für etwas Abkühlung.
Solche digitalen Kühle-Orte-Karten findet man etwa auch in NRW, etwa in Düsseldorf, Duisburg oder Köln. Und die Evangelische Kirche von Westfalen bietet auf einer Website eine Karte mit verlässlich geöffneten Kirchen.
"Ressourcen" für die ganze Bürgerschaft
Doch längst nicht alle evangelischen und katholischen Kirchen sind immer geöffnet. Pfarrer Jochen Maier aus Kirchheim/Teck nahe Stuttgart weiß aus Erfahrung: "Um eine Kirche geöffnet zu halten, braucht man einen Stamm von Ehrenamtlichen, die die Kirche auf- und wieder zuschließen." Die Martinskirche in Kirchheim sei seit zwei Jahrzehnten als eine "geöffnete Kirche" bekannt. Das Kirchengebäude diene Vielen als "Unterbrechungsort" im Alltag.
Angst vor Vandalismus habe er nicht wirklich, sagt der evangelische Pfarrer. "Die Leute haben ein Gespür dafür, dass das kein gewöhnlicher Ort ist." Für eine Videoüberwachung des Innenraums habe man sich dennoch inzwischen entschieden. Maier will aber auch andere Kirchengemeinden zu mehr Offenheit ermuntern: "Wagt das doch einfach!" Eine Kirche sei kein exklusives Gebäude der Pfarrgemeinde, sondern eine "Ressource für die gesamte Bürgerschaft".
