Diese Ordensfrau ist die Schwester von Magier Siegfried

"Wir standen uns immer sehr nahe", sagt Schwester Dolore Fischbacher und steigt von ihrem Fahrrad, mit dem sie gerade an der Sankt-Bonifaz-Kirche in München angekommen ist. Ihr Bruder Siegfried, der Magier, der vor vier Jahren gestorben ist, war wie sie "religiös", sagt die Mallersdorfer Franziskanerin. Sie geht in die Kirche und erzählt, dass sie öfters mit Siegfried am Telefon gebetet habe. Vor allem zu der Zeit, als er an Krebs schwer erkrankt war. Damals rief ihr Bruder öfters aus Amerika an, so die Ordensfrau.
Einmal wollte er am Telefon wissen, wie das mit den "Geheimnissen des Rosenkranzes genau gehe", erzählt die Franziskanerin. Damals war er schon sehr schwach und konnte kaum noch sprechen, erinnert sich die Ordensfrau. Deshalb hat sie ihm gesagt, er solle Stoßgebete zum Herrgott schicken und habe für ihn den Rosenkranz gebetet. Und dazu ihr Lieblingsgebet "Mein Herr und mein Gott" von Nikolaus von der Flüe. Ihrem Bruder hat das Gebet so gut gefallen, dass sie es wiederholen musste. Mit den Gebeten wollte sie Siegfried über das Telefon Kraft geben, sagt die Franziskanerin. Einmal habe eine Mitarbeiterin von Siegfried angerufen, weil er nicht mehr sprechen konnte. Dann habe sie ganz langsam das Gebet "Mein Herr und mein Gott" gebetet. Am Ende des Gebets habe er dann "Okay" gesagt, erinnert sich Schwester Dolore. Für sie war das ein Zeichen, dass ihr Bruder alles bei vollem Bewusstsein verstanden hatte. Am nächsten Morgen erfuhr sie, dass Siegfried nach diesem letzten Telefonat gestorben war. Für sie ist es bis heute tröstlich zu wissen, dass sie ihm in seiner Sterbestunde beistehen konnte.
Ihr Bruder Siegfried ist 81 Jahre alt geworden und hatte ein erfülltes Leben, meint die Ordensfrau. Obwohl Ärzte ihm schon als Kind vorausgesagt hatten, dass er die Pubertät nicht überstehen würde. Einmal war er als 12-Jähriger so schwer krank, dass er nachts kaum Luft bekam. Im Krankenhaus hatten Ärzte festgestellt, dass er einen angeborenen Herzklappenfehler hatte. "Unsere Mutter hat damals viel für ihn gebetet", berichtet Schwester Dolore. Damals soll Siegfried nicht der beste Schüler gewesen sein, doch "auf der Bühne konnte er glänzen". Seine Mitschüler begeisterte er mit Zaubertricks und stand bei Theateraufführungen immer vorne mit dabei, weiß die Mallersdorfer Franziskanerin noch. Und Siegfried ministrierte, war gerne Messdiener. In der Kirche schauten ihm viele dabei zu, was er am Altar machte. Er hatte "halt damals schon eine besondere Ausstrahlung", so seine Schwester.
Vor jeder Show hatte Siegfried ein Kreuzzeichen gemacht
Nach der Schule hat ihr Bruder Siegfried dann erst die Ausbildung zum Handweber gemacht, anschließend wurde er Hotelfachmann und später Stewart auf einem Kreuzfahrtschiff. Dort hatte er seinen Lebenspartner Roy Horn kennengelernt. Gemeinsam entwickelten die beiden Zaubershows mit weißen Tigern, die erfolgreich wurden. Vor allem in Amerika hatten die beiden ein großes Publikum und "schonungslos viel gearbeitet", betont die Ordensfrau. Doch ihr Bruder "blieb religiös". Vor jeder Show habe er jedes Mal ein Kreuzzeichen gemacht, weiß sie. In Las Vegas auf ihrem Gelände "Little Bavaria" hatte jeder seine eigene Villa, dazu ein Gemeinschaftshaus mit Kapelle mit einem Zwiebelturm, "die so aussah wie unsere Stadtpfarrkirche in Rosenheim", berichtet Schwester Dolore. Sie hat ihren Bruder Siegfried mehrfach auf der Farm in Amerika besucht und dort die weißen Tiger gestreichelt.
Schwester Dolore Fischbacher besuchte ihren Bruder Siegfried und seinen Partner Roy mehrfach in Las Vegas. Hier waren sie zusammen in der Hauskapelle der "Little Bavaria-Farm".
Auch mit Siegfrieds Partner Roy hat sie sich stets gut verstanden, sagt Schwester Dolore. Die drei waren mehrmals gemeinsam auf Reisen. Einmal haben sie Papst Johannes Paul II. in Rom getroffen und einmal waren sie zusammen am Jordan in Israel. Eine Begebenheit dort am Ufer ist der 83-jährigen Ordensfrau noch gut in Erinnerung. Sie waren auf einer Anhöhe und schauten zum Jordanfluss hinunter und bemerkten, wie Leute mit weißen Kleidern im Wasser untertauchten und sich taufen ließen. "Als Roy das sah, sagte er gleich zu mir, dass er auch getauft werden möchte", berichtet Schwester Dolore. Dann habe sie ihm erklärt, dass er doch evangelisch ist und bestimmt schon getauft sei. Doch er habe behauptet, dass er zwar evangelisch sei, aber "bestimmt nicht getauft", so die Franziskanerin. Weil er aufgrund der Folgen eines Unfalls bei einer Show mit einem Tiger im Rollstuhl saß und schwer krank war, konnte er selbst nicht zum Jordan hinab. Sein Pfleger füllte eine Flasche mit Jordanwasser und brachte es Roy. "Roy wollte unbedingt, dass ich ihn damit taufe", erinnert sich die Ordensfrau.
Schwester Dolore hat Roy mit Jordanwasser getauft
Erst unschlüssig, dachte Schwester Dolore "Oh Gott, oh Gott". Sie erinnerte sich, dass sie in der Schule gelernt hatte, dass es eine Not- und ein Begierdetaufe gebe und jeder taufen könne. "Na gut, wenn es dem Roy guttut, dann mache ich es im Namen Gottes!" So gab sie nach und taufte Roy mit Jordanwasser. "Ich habe zu ihm gesagt: Roy für den Fall, dass du noch nicht getauft bist, taufe ich dich jetzt, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen." Daraufhin hat sich Roy sehr erleichtert bedankt, weiß die Franziskanerin noch. Und dann haben sie zusammen ein "Vater unser" gebetet. Sie wisse nicht genau, ob es richtig war, was sie getan hat. Aber das sei schließlich "die Freiheit der Kinder Gottes", lacht die Mallersdorfer Schwester. Roy sei vor allem nach seinem Unfall mit dem Tiger sehr gläubig geworden und hatte ein Nahtoderlebnis, bei dem er "viele Lichter, Engel, seine Mutter und seine verstorbene, weiße Tigerin Sitara sah", weiß die Ordensfrau. Dass nach dem Tod der beiden Künstler deren Grundstück samt Kapelle abgerissen wurde, macht sie heute noch traurig. Die beiden hätten das alles mit viel Liebe aufgebaut.
Die heute 83-Jährige wusste schon früh, dass sie einmal Ordensfrau werden wolle. Als Kind hatte sie einen Traum der ihr die Sicherheit zu dieser Entscheidung gab, betont sie. Schwester Dolore berichtet, dass ihre Eltern sehr religiös waren. "Meine Mutter war aber nicht glücklich darüber, dass ich ins Kloster will", weiß sie noch. Daher erlernte Margot Fischbacher, wie sie mit Taufnamen heißt, nach der Schule erst den Beruf der Einzelhandelskontoristin. Doch ihre Sehnsucht nach einem geistlichen Leben im Kloster blieb. "Viele waren dagegen, dass ich Ordensschwester werde, nur Siegfried hat mir gesagt, wenn du das machen möchtest, dann mach es", erinnert sie sich. Als sie in die franziskanische Ordensgemeinschaft in Mallersdorf eintrat, war sie Kontoristin und erst 18 Jahre alt. "Ich war mir sicher, dass das der Wille Gottes ist", so Schwester Dolore.
Schwester Dolore Fischbacher hilft in Sankt Bonifaz in München in der Obdachlosenhilfe mit.
Ihren Ordensnamen hat sich die 83-jährige Ordensfrau damals bei ihrem Eintritt ins Kloster selbst ausgesucht. Der Name Dolore bedeutet "die Schmerzvolle" und erinnert sie an ihre Mutter. Diese ist Mit Anfang 50 an einem Gehirnschlag verstorben. Weil der Sterbetag ihrer Mutter zugleich der Gedenktag der Heiligen Dolores war, habe sie sich diesen Namen als Ordensschwester ausgesucht, erklärt die Fanziskanerin. Im Kloster Mallersdorf erlernte sie den Beruf zur Kindergärtnerin und Heim- und Heilpädagogin. "Armen, verlassenen Kindern beizustehen und den Willen Gottes zu erfüllen", habe sie dazu motiviert. Rund fünfzig Jahre lang war die Ordensfrau in der Gruppenarbeit in Kinderheimen im Einsatz. Zuletzt leitete sie ein Heim für vernachlässigte Kinder und Jugendliche in Rumänien. "Das war schon eine Herausforderung für mich, noch einmal komplett neu anzufangen und eine Fremdsprache zu lernen", berichtet die Franziskanerin. Damals half ihr der Gedanke: "Wenn Gott das so möchte, dann hilft er mir auch". Ihr Bruder Siegfried und sein Partner Roy hätten sie bei ihren Aufgaben finanziell unterstützt, erinnert sich die Ordensfrau. Mit den Spendengeldern konnte sie den Bau eines neuen Kinderheimes ermöglichen, dazu zwei Jugendhäuser und einen Dorfkindergarten. "Unser Kinderheim wurde eine Alternativeinrichtung im Rahmen der staatlichen Kinderheime in Rumänien", freut sich die Ordensfrau. Bis heute steht sie in Kontakt mit ehemaligen Heimkindern. Mit Anfang 70 hat sie ihre Aufgabe dann dort in Rumänien beendet und ist nach München zurückgekehrt.
Schwester Dolore kümmert sich jeden Tag um Obdachlose
In München ist die Ordensfrau seitdem in der Obdachlosenhilfe tätig, die die Benediktiner der Gemeinschaft Sankt Bonifaz in München eingerichtet haben. Mit 83 Jahren steht Schwester Dolore also fast jeden Tag in der Kleiderkammer der sozialen Einrichtung und verteilt dort frische Wäsche an bedürftige Menschen, Hosen, Jacken und Unterwäsche. Am liebsten würden die Männer weiße Sportschuhe nehmen, "nur haben wir zu wenige davon", erwähnt die Ordensfrau. In Sankt Bonifaz können sich wohnungslose Menschen duschen, sich die Füße pflegen lassen und medizinische Hilfe in Anspruch nehmen. Außerdem bekommen sie dort täglich, außer samstags, ein warmes Essen. "Bis zu 400 Personen kommen am Tag zu uns," erzählt Schwester Dolore. Für sie ist es erfüllend, hier mithelfen zu können.
Die Entscheidung damals, ins Kloster zu gehen, war richtig, freut sich die Ordensfrau im Rückblick. In München lebt sie jetzt mit drei anderen Schwestern in einem kleinen Konvent. Sie ist dankbar, in dieser Gemeinschaft gut aufgehoben und umsorgt zu sein. Nun schwingt sich wieder auf ihr Fahrrad und während sie in den Rückspiegel schaut, sagt sie lächelnd: "Wenn ich einmal beim Herrgott in der Ewigkeit bin, dann freue ich mich schon auf Siegfried und Roy".