Für immer und ewig – Wie gut funktioniert kirchliche Ehevorbereitung?

Es kommt nicht alle Tage vor, dass drei Bischöfe Geld in die Hand nehmen, um von der Wissenschaft Aufschluss zur Qualität kirchlicher Angebote zu erhalten. Im aktuellen Fall stand auch noch Kardinal Walter Kasper mit der steilen These Pate, Deutschland sei in Sachen Ehevorbereitung Entwicklungsland. Die nun als 250 Seiten starkes Buch vorliegende Studie des Regensburger Moraltheologen Rupert M. Scheule und des Zentralinstituts für Ehe und Familie in der Gesellschaft (ZFG) der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt verneint Kaspers Behauptung, lädt aber zu weiterem, wechselseitigen Lernen ein.
Es fängt bei der Methode an, die zunächst einen beträchtlichen Aufwand empirischer Sozialforschung mit sich brachte: In den drei beteiligten Bistümern Regensburg, Eichstätt und Passau wurden gut 1.500 heiratswillige Paare vor, direkt nach und zwei Monate nach einem entsprechenden Kurs befragt.
Gesamtnote 2,1
Erkenntnis Nummer Eins: Als Gesamtnote gaben die Befragten der Ehevorbereitung die Note 2,1 – und das, obwohl die Motivation zur Teilnahme eher gering war. Viele sagten aus, sie wären nicht aus freien Stücken gekommen, sondern seien dazu mehr oder minder explizit aufgefordert worden. Außerdem hätten sie in Bezug auf den Ertrag mehr befürchtet als erhofft. Im Rückblick kehrte sich dieses Verhältnis dann um. Daraus schließen die Forscher, dass Kirche zumindest auf diesem Gebiet doch eine ganze Menge richtig macht, wenn ihr Angebot trotz Vorbehalten im Anschluss so positiv bewertet wird.
Mitautor Rupert Scheule ist Professor für Moraltheologie an der Universität Regensburg.
Nach diesem Befund wollten es die Studienleiter genauer wissen. Was treibt katholische Brautleute um, warum wollen sie ihren Bund überhaupt vor dem Altar besiegeln? Dazu führten sie 13 eingehendere qualitative Interviews.
Erkenntnis Nummer Zwei: Die Unauflöslichkeit der Ehe wird nicht nur aktiv bejaht, sie wird als Alleinstellungsmerkmal einer kirchlichen Trauung wahr- und ernstgenommen. Verbunden mit der Chance, sich noch einmal deutlicher als auf dem Standesamt und in aller Öffentlichkeit zum Partner zu bekennen. Trotzdem zeigten sich auch Heiratswillige, die sich als religiös oder kirchlich stark gebunden bezeichneten, nur wenig interessiert an genuin theologischen Inhalten in den Kursen. Gott wird von ihnen zwar als Treuehelfer in Anspruch genommen. Dass sie umgekehrt auch eine Mission zu erfüllen hätten, diese Seite des Sakraments blieb völlig unterbelichtet.
Weniger zeitintensive, kürzere Formate werden bevorzugt
Diese Befunde aus Deutschland sollten nach dem Willen der Auftraggeber der Studie in einen internationalen Kontext gestellt werden. Mangels Kapazitäten für vergleichbare Datenerhebungen behalf man sich, indem Verantwortliche für katholische Ehevorbereitung auf allen Kontinenten interviewt wurden, genauer: in den USA, Chile, Sierra Leone, Australien, Südkorea, Polen und Italien. Erkenntnis Nummer Drei: Nicht nur in Deutschland werden weniger zeitintensive, kürzere Formate bevorzugt.
Die von manchen Bischöfen erwogenen, ausführlichen Ehekatechesen über mehrere Monate hinweg müssten zumindest aufseiten der Zielgruppe mit beträchtlichen Akzeptanzproblemen rechnen. 2024 entfielen in Regensburg alle Wochenend-Angebote mangels Nachfrage, da half auch das erlebnispädagogische Aufpeppen mit Paarübungen im Hochseilgarten nichts.
Was treibt katholische Brautleute um, warum wollen sie ihren Bund überhaupt vor dem Altar besiegeln? Dazu führten die Studienautoren 13 eingehendere qualitative Interviews.
Erkenntnis Nummer Vier bietet dagegen eine Entwicklungschance für Kurse in Deutschland: Während die Teilnehmenden an der quantitativen Befragung eher kein Interesse am Gespräch über Sexualität und Familienplanung zeigten – ein Viertel hat bereits Kinder –, war der Befund im internationalen Vergleich differenzierter.
Die Einbringung von Themen wie Natürliche Empfängnisverhütung und die von Papst Johannes Paul II. (1978-2005) entwickelte Theologie des Leibes habe bei den einen Gleichgültigkeit oder harsche Zurückweisung provoziert, bei anderen dagegen eine gewisse Neugierde geweckt. Positiv sei auch die Anregung aufgenommen worden, sich als Paar öfters über Sex auszutauschen – außerhalb der Kurse.
Kirchliche Hochzeitsplanung "all inclusive"?
Eine Erkenntnis Nummer Fünf ergibt sich aus dem Vergleich mit den in Deutschland immer beliebter werdenden freien Trauungen: Deren Attraktivität speist sich nicht nur aus der Aussicht auf ein sehr persönlich gestaltetes Ritual ohne jede Vorgaben, sondern auch aus einem Netzwerk verschiedenster Dienstleister. Könnte es auch eine kirchliche Hochzeitsplanung "all inclusive" geben?
Mitautor Rupert M. Scheule regt in diesem Zusammenhang an, das bei den Paaren international verbreitete Bedürfnis nach einer großen Feier nicht länger kirchlich kleinzureden (Papst Franziskus warb für ein "schlichtes, einfaches Fest"), sondern im Zweifelsfall für weniger Begüterte die Pfarrheime zu öffnen. Im Pressegespräch zur Vorstellung der Studie räumte der Regensburger Moraltheologe ein, er habe seine Position an dieser Stelle revidiert. Als eine erste Konsequenz aus dieser Erkenntnis skizziert er in dem vorliegenden Band "eine kleine Theologie des Hochzeitsfestes".
Buchtipp
Rupert M. Scheule, Klaus Stüwe (Hg.): Kirchlich heiraten. Was Paare erwarten und wie Kirche begleiten kann. Verlag Herder, Freiburg 2025, 240 Seiten, 45 Euro. ISBN 978-3-451-02468-9.
Einzelne Befunde und Bewertungen in der Untersuchung lassen aber auch weiterfragen, zum Beispiel: Wie ist zu verstehen, dass Paare mit kirchlichem Hintergrund auf religiöse Inhalte so schwer ansprechbar sind und sich für diese Form der Ehevorbereitung auch nicht sonderlich viel Zeit nehmen wollen, während Kunden freier Ritendesigner stunden- bis tagelang über einem möglichst individuellen Trauversprechen brüten? Und sich diese Dienstleistung auch noch bis zu 2.200 Euro kosten lassen? Aber womöglich ist das ja gar kein Widerspruch.
Letztlich geht es um ein Minderheitenprogramm
Die Autoren der Studie votieren jedenfalls dafür, angesichts von immer noch gut 22.000 katholischen Eheschließungen im Jahr die damit verbundene pastorale Kontaktchance zu einer sonst kaum mehr erreichten Zielgruppe zu nutzen. Scheules Brixener Kollege Martin M. Lintner spricht sich dafür aus, kirchlicherseits auch eine Trauungsnachbereitung zu etablieren. Die Eichstätter Pastoraltheologin Katharina Karl verweist darauf, dass es außerhalb der Kirche so gut wie keine Angebote gebe, sich als Paar zum Thema zu machen, Therapiesitzungen einmal ausgenommen.
Bei bundesweit knapp 349.000 standesamtlichen Trauungen (beide Zahlen von 2024) zeigt sich aber auch: Letztlich geht es um ein Minderheitenprogramm.