Theologin Könemann hat Amt in einer Studie untersucht

Geistliche Leitung bei der kfd: Ein kirchliches Führungsamt ohne Weihe

Veröffentlicht am 11.09.2025 um 00:01 Uhr – Von Christoph Brüwer – Lesedauer: 

Münster ‐ Seit über 30 Jahren prägen Frauen als Geistliche Leiterinnen die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands. Eine Studie hat das Amt untersucht. Was das Amt ausmacht und wie es sich zur Debatte um die Frauenweihe verhält, erklärt Autorin Judith Könemann im katholisch.de-Interview.

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1994 war Irene Willig die erste theologisch-geistliche Begleiterin im Mainzer Diözesanverband der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) – und sie sollte nicht die letzte bleiben. Inzwischen hat sich das geistliche Leitungsamt etabliert. Im Auftrag der kfd hat das Institut für Religionspädagogik und Pastoraltheologie der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster das Amt in einer Studie untersucht. Im katholisch.de-Interview erklärt Studienautorin Judith Könemann die Hintergründe.

Frage: In den 1990er Jahren wurde damit begonnen, das Amt der Geistlichen Leitung in der kfd zu entwickeln und auszugestalten. Wenn man sich das aus heutiger Perspektive anschaut, klingt das beinahe spät für einen Verband, der sich dezidiert an Frauen richtet. Inwiefern war das Amt zu dieser Zeit dennoch bemerkenswert?

Könemann: Wenn man sich die Geschichte der kfd anschaut, dann waren die Frauen- beziehungsweise Müttervereine, als sie im 19. Jh. gegründet wurden, nicht gerade als emanzipatorisches Projekt angelegt. Mit den Frauenverbänden sollte der Nachwuchs in die Kirche hineinsozialisiert und Rollenmuster eher verfestigt werden. Ich wage die These, dass das auch lange Zeit das Selbstbild der kfd war. Im Zuge der zweiten Frauenbewegung ab den 1960er Jahren gab es auch in den Frauenverbänden emanzipatorische Aufbrüche. Außerdem brachen zunehmend die Priesterzahlen ein, sodass immer weniger Priester für die Rolle des Präses zur Verfügung standen. So kamen also vermutlich mehrere Dinge zusammen, die dafür gesorgt haben, dass der Diözesanverband Mainz in den 1990er Jahren als erster dieses Amt eingeführt hat.

Frage: Universalkirchlich gesehen sind geistliche Leitungsämter für Frauen eher die Ausnahme als die Regel. Gab es auch Konflikte mit der Amtskirche vor der Einführung einer Geistlichen Leitung in der kfd?

Könemann: Mir ist kein grundsätzlicher Konflikt mit der Amtskirche bekannt. Allerdings gibt es das Amt der Geistlichen Leitung oder Begleitung auf vier Ebenen: der Bundesebene, der Diözesanebene, der Regionalebene oder Dekanatsebene und schließlich der Pfarreiebene. Daher ist das Bild relativ heterogen und es gibt große Unterschiede, inwieweit dieses Amt jeweils gefördert oder wann es zugelassen wurde.

Eine Wortgottesdienstleiterin liest aus einem Evangeliar
Bild: ©KNA/Harald Oppitz (Symbolbild)

Von Geistlichen Leiterinnen angebotene Wortgottesfeiern oder Andachten haben eine hohe Beliebtheit, sagt Professorin Judith Könemann.

Frage: In einigen kfd-Verbänden gibt es Geistliche Leitungen, die neben einem Priester als Präses agieren. Inwiefern ist das Amt der Geistlichen Leitung darauf ausgelegt, den Präses zu ersetzen?

Könemann: Die Grundidee ist schon, dass es das Amt des Präses ersetzen kann – bis auf die sakramentalen Handlungen, die einem Priester vorbehalten sind. Das ist in einigen Verbänden auch der Fall, wo es faktisch keine Präsides mehr gibt.

Frage: Sie sprechen sakramentale Handlungen an, die für Frauen nicht möglich sind: Zu den Aufgaben der Geistlichen Leitung gehören explizit auch liturgische Angebote. Hat das dazu geführt, dass Frauen neuere oder "experimentellere" Gottesdienstformen ausprobiert haben?

Könemann: Sogenannte kfd-Gottesdienste gab und gibt es in vielen Gemeinden. Darüber hinaus gibt es weitere liturgische Angebote, die Frauen selbst vorbereiten und durchführen. Nach Analyse der Interviews, die wir geführt haben, sind diese Angebote sehr beliebt, weil es gerade Frauen sind, die dieser Wortgottesfeier oder Andacht vorstehen, und weil diese liturgischen Formen auch Raum für andere, experimentellere Formen bieten. Inwieweit diese Möglichkeiten dann genutzt werden, hängt von der jeweiligen Geistlichen Leitung und ihren Vorlieben, aber auch von der Gruppe, die daran teilnimmt, ab.

Judith Koenemann im Portrait
Bild: ©privat

"Das Ziel der Studie war es, die Debatte um Ämter für Frauen in der Kirche um ein geistliches Leitungsamt zu bereichern, das bereits möglich ist und ausgefüllt wird und zu schauen, wie dieses Amt weiterentwickelt werden kann und vielleicht auch sollte", sagt Judith Könemann. Sie ist Professorin für Religionspädagogik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster und hat die Studie durchgeführt. Die Debatte um die Zulassung von Frauen zum Priesteramt hält sie aber weiterhin für notwendig.

Frage: In Ihrer Studie schreiben Sie, dass nahezu alle befragten Frauen eine positive Entwicklung und ein zunehmendes Selbstvertrauen in ihrer Rolle wahrnehmen. Sie trauen sich also mehr zu. Äußert sich das auch im liturgischen Bereich?

Könemann: Das ist individuell sehr unterschiedlich und die Wege, die die Frauen da gegangen sind oder gehen, sind es ebenso. Wir sprachen vorhin über Konflikte. Der Bereich der Liturgie ist in diesem Zusammenhang der am meisten umkämpfte Raum. Und sie ist auch ein wichtiger Raum für das Empowerment für Frauen, sich hier zu erproben und sich den Raum in den gegebenen Möglichkeiten anzueignen.

Frage: Sehen sich die Frauen, die als Geistliche Leitung fungieren, als eine Art Priesterin?

Könemann: Nein, so habe ich sie nicht verstanden. Das Ziel der Studie war es, die Debatte um Ämter für Frauen in der Kirche um ein geistliches Leitungsamt zu bereichern, das bereits möglich ist und ausgefüllt wird und zu schauen, wie dieses Amt weiterentwickelt werden kann und vielleicht auch sollte. Das soll die Debatte und die Frage nach der Zulassung von Frauen zum Priesteramt aber in keiner Weise abschwächen. Diese ist bleibend notwendig.

„Der Bereich der Liturgie ist in diesem Zusammenhang der am meisten umkämpfte Raum.“

—  Zitat: Judith Könemann

Frage: Wie wird das Amt der Geistlichen Leitung denn innerhalb der kfd heute angenommen?

Könemann: Die Frauen, die wir interviewt haben, haben sich als hochgradig akzeptiert erlebt. Das liegt an den liturgisch-spirituellen Angeboten, die die Frauen machen und auch daran, dass es für viele kfd-Mitglieder einen Unterschied macht, dass diese Angebote von jemandem aus ihren eigenen Reihen geleitet werden und nicht von einem Priester, der von außen dazukommt.

Frage: Sehen Sie noch Potenzial, dass sich das Amt der Geistlichen Leitung weiterentwickeln wird?

Könemann: Dass wir diese Studie gemacht haben, war ja seitens der kfd mit dem Anliegen verbunden, dieses Amt weiterzuentwickeln. Wie genau das aussehen wird, ist Aufgabe der kfd.

Frage: Was würden Sie sich wünschen?

Könemann: Ich würde mir wünschen, dass man die Anregungen aus der Studie kreativ aufgreift. Zum Beispiel: Sich im eigenen Selbstverständnis noch stärker als Leitung zu verstehen, denn es ist eine Leitungsaufgabe, die die Frauen ausüben. Ferner, es gibt noch immer keinen einheitlichen Begriff für dieses Amt. Neben Geistlicher Leitung wird es häufig als "Geistliche Begleitung" bezeichnet – das ist jedoch ein Begriff, der innerhalb der katholischen Kirche immer mehr zu einem Fachbegriff für die Begleitung im geistlichen Leben geworden ist. Als Mitautorin der Studie würde ich daher sagen: Traut euch, dieses Amt als Leitungsamt zu begreifen, auch im eigenen Selbstverständnis. Und ich sehe noch einiges an Potenzial, dieses Amt in seiner Eigenständigkeit neben dem Priesteramt zu profilieren.

Buch-Tipp

Linda Böhle, Judith Könemann (Hrsg.): Frauen als Geistliche Leitung. Empirische Befunde und theologische Perspektiven für ein Amt in der Kirche. Matthias Grünewald Verlag, 2025, ISBN: 978-3-7867-3387-4

Von Christoph Brüwer