Die Aussagen des Papstes zu queeren Beziehungen wirken wenig synodal
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Nach einer Wohlfühlphase des Lächelns und pontifikaler Unverbindlichkeiten lässt Papst Leo XIV. in seinem Interview mit der US-Journalistin Elise Ann Allen erstmals erkennen, wie er als Nachlassverwalter seines Vorgängers Franziskus vorzugehen gedenkt, nämlich regredierend und beschwichtigend.
Was das für das Leitprinzip einer "synodalen Kirche" bedeutet, ist vorerst offen. Dieser Containerbegriff zeichnete sich schon unter seinem Erfinder, Papst Franziskus, vor allem dadurch aus, dass er sich fast nach Belieben füllen ließ. Jedenfalls lässt es aufhorchen, wenn Leo XIV. sagt, er wolle Themen wie die Rolle der Frauen in der Kirche oder den Umgang mit queeren Menschen "auf synodale Weise" angehen.
Als kleinster gemeinsamer Nenner dessen, was eine synodale Kirche ausmacht, dürfte das Hören aufeinander, der Austausch in geschwisterlichem Geist gelten – säkular formuliert: Partizipation, Kommunikation auf Augenhöhe. Und: der Blick auf das, was "vor Ort" nottut.
Daran gemessen, wirken die Aussagen des Papstes zu queeren Beziehungen wenig synodal. Gut, ein Interview ist keine amtliche Deklaration. Aber wenn Leo sagt, er halte baldige Änderungen der kirchlichen Lehre zur Sexualität für "höchst unwahrscheinlich", dann hat das fast schon eine solche Qualität: Roma locuta, causa finita.
Mit dieser Art Moratorium will Leo nach eigenen Worten "die Polarisierung in der Kirche nicht weiter vorantreiben". Damit erklärt er die Frage für obsolet, ob Reformen nicht um der Wahrheit und der Gerechtigkeit willen erforderlich sind. Beidem genügt die kirchliche Lehre zur Homosexualität schon lange nicht mehr.
Von einem (!) Kardinal aus dem "östlichen Teil der Welt" habe er sich sagen lassen, die "westliche Welt sei fixiert, besessen von Sexualität". Gilt das nicht vielmehr in umgekehrter Richtung? Wenn Menschen angeblich ungeachtet ihrer geschlechtlichen Identität "akzeptiert und aufgenommen", dann aber ihre Beziehungen für irregulär, sündhaft und nicht segenswürdig erklärt werden, liegt darin eine Fixierung auf die Sexualität.
In der alten Kirche galt der Grundsatz, die Gewohnheit müsse "der Wahrheit weichen". Der Papst folgt stattdessen der Opportunität: Weitere Spannungen in der Kirche sollen vermieden werden. Damit aber bestimmen die Unbeweglichen, die Verweigerer das Maß und die Geschwindigkeit für Veränderungen. Differenzierte Lösungen für die kirchliche Praxis, die etwa den Erfordernissen und Bedürfnissen eines bestimmten Kulturraums entsprechen, werden damit noch schwieriger. Statt synodaler wird die Kirche uniformer.
Der Autor
Joachim Frank ist "DuMont"-Chefkorrespondent und Mitglied der Chefredaktion des "Kölner Stadt-Anzeiger". Außerdem ist er Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizistinnen und Publizisten Deutschlands (GKP).
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.
