So hat Karlsruhe den Freiraum der Kirchen im Arbeitsrecht gestärkt
Ein Pfarrer muss Kirchenmitglied sein. Das ist auch für Außenstehende einleuchtend, denn er verkündigt die Botschaft der Kirche. Doch in welchen Fällen dürfen kirchliche Arbeitgeber Stellenbesetzungen auf anderer Ebene an eine Kirchenmitgliedschaft knüpfen, ohne konfessionslose Bewerber zu diskriminieren? Seit Donnerstag ist dies verfassungsrechtlich geklärt. Allerdings nicht haargenau, sondern in recht weiten juristischen Formulierungen.
"Je größer die Bedeutung der betroffenen Position für die religiöse Identität der Religionsgemeinschaft nach innen oder außen", desto mehr Gewicht besitze das "Erfordernis der Kirchenmitgliedschaft", erklärten die Richter. Sie stärkten damit das im Grundgesetz verankerte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen.
Die katholische Bischofskonferenz reagierte umgehend: "Für die katholische Kirche ergibt sich aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kein Handlungsbedarf." Die Entscheidung bestätige die vorhandenen Regelwerke. Tatsächlich war bereits im November 2022 die "Grundordnung des kirchlichen Dienstes", die den Umgang mit der Konfession der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelt, reformiert worden.
Nur bei bestimmten Positionen erforderlich
Die Religionszugehörigkeit ist demnach nur dann ein Kriterium bei der Einstellung, wenn sie für die jeweilige Position erforderlich ist. Das gilt für die Arbeit in Seelsorge und Glaubensvermittlung und zum anderen für Tätigkeiten, die das katholische Profil der Einrichtung inhaltlich prägen, mitverantworten und nach außen repräsentieren.
Die höchstrichterliche Entscheidung erstritten hat aber nicht die katholische Kirche, sondern die evangelische, genauer: die Diakonie. Ihre Verfassungsbeschwerde lag seit 2019 in Karlsruhe. Der Zweite Senat gab jetzt in seinem Grundsatzbeschluss der Verfassungsbeschwerde des Wohlfahrtsverbands im Rechtsstreit mit der konfessionslosen Sozialpädagogin Vera Egenberger statt. Zuvor hatte das Bundesarbeitsgericht die Diakonie zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt, weil sie Egenberger für eine ausgeschriebene Stelle nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen hatte. Die konfessionslose Bewerberin sah darin eine Diskriminierung aus religiösen Gründen. Das Verfassungsgericht entschied nun, das Urteil des Bundesarbeitsgerichts verletze die Diakonie in ihrem religiösen Selbstbestimmungsrecht.
Die aus der Kirche ausgetretene Egenberger hatte sich 2012 vergeblich um eine Referentenstelle beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung beworben. Bei dem befristeten Job ging es um die Mitarbeit an einem Bericht von Nichtregierungsorganisationen zur deutschen Umsetzung der UN-Antirassismus-Konvention. Die Diakonie hatte in der Stellenausschreibung die "Zugehörigkeit zu einer evangelischen oder einer der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen angehörenden Kirche" gefordert.
"Das höchste deutsche Gericht hat für Klarheit gesorgt. Kirche und Diakonie dürfen in ihrer Einstellungspraxis in begründeten Fällen eine Kirchenmitgliedschaft ihrer Mitarbeitenden voraussetzen. Dies steht nicht im Widerspruch zum europäischen Antidiskriminierungsrecht", sagte Diakonie-Vorstand Jörg Kruttschnitt.
Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Diakonie begrüßten die Karlsruher Entscheidung umgehend: "Das höchste deutsche Gericht hat für Klarheit gesorgt. Kirche und Diakonie dürfen in ihrer Einstellungspraxis in begründeten Fällen eine Kirchenmitgliedschaft ihrer Mitarbeitenden voraussetzen. Dies steht nicht im Widerspruch zum europäischen Antidiskriminierungsrecht", sagte Diakonie-Vorstand Jörg Kruttschnitt.
Die Entscheidung hat auch eine europäische Komponente. Denn der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte 2018 entschieden, dass sich Kirchen bei Stellenbesetzungen nicht pauschal auf ihr Selbstbestimmungsrecht berufen können – und Bezug auf die Antidiskriminierungsrichtlinie der EU genommen.
Karlsruhe verweist auf "christliches Profil"
Aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts dürfen staatliche Gerichte jedoch "eine theologische Bewertung des religiösen Ethos" nicht abgeben. Im konkreten Fall habe die Diakonie "plausibel" dargelegt, warum sie für die ausgeschriebene Stelle ein christliches Profil fordere.
Das religiöse Selbstbestimmungsrecht der Kirchen umfasse alle Maßnahmen, die der Sicherstellung der religiösen Dimension ihres Wirkens dienten, heißt es in einem Leitsatz des Karlsruher Beschlusses. Darunter falle auch die Auswahl der Arbeitnehmer und der Abschluss entsprechender Arbeitsverträge.
Der Arbeitsrechtler Ernesto Klengel sieht den Karlsruher Beschluss kritisch: Das Verfassungsgericht habe den Rahmen, den der EuGH 2018 für das kirchliche Selbstbestimmungsrecht gesetzt hat, "weit interpretiert". Es sei abzuwarten, "ob der EuGH demnächst reagieren wird, da bei ihm weitere Fälle zum deutschen Sonderweg des kirchlichen Arbeitsrechts zur Entscheidung vorliegen".
