Altes Verfahren zu träge

Kardinal Fernández nennt Gründe für neue Wunderprüfungs-Regeln

Veröffentlicht am 13.11.2025 um 12:13 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Über Jahrzehnte äußerte sich der Vatikan nicht einmal zu einer Handvoll angeblicher Wunder und Erscheinungen. Deshalb brauchte es neue Regeln für die Bewertung möglicher übernatürlicher Phänomene, wie der Glaubenspräfekt nun erläuterte.

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Früher wurden mögliche übernatürliche Erscheinungen viel zu langsam geprüft – so erklärt der Präfekt des Glaubensdikasteriums, Kardinal Víctor Manuel Fernández, den Grund für die seit 2024 geltenden neuen Regeln für die Wunderprüfung. In einem Vortrag bei einer Konferenz des Heiligsprechungsdikasteriums am Dienstag, den die Glaubensbehörde jetzt veröffentlicht hat, betonte der Präfekt, dass vor den neuen Normen in den vergangenen Jahren nur drei oder vier Fälle möglicher Wunder geklärt worden seien. Im selben Zeitraum habe es etwa 3.500 Selig- und Heiligsprechungen gegeben, in deren Rahmen in der Regel ein Wunder zu prüfen war. "Dieses statistische Missverhältnis verdeutlicht, wie schwierig es ist, zu einer solchen Erklärung zu gelangen", so Fernández.

Das geringe Tempo habe daran gelegen, dass mit der Erklärung eines übernatürlichen Ursprungs eines Phänomens damit zusammenhängende Botschaften einen enorm hohen Stellenwert erhalten würden: "Wenn die Worte eines Gründers mitunter als 'göttlich' wahrgenommen werden, wird dies noch problematischer, wenn diese Worte offiziell als übernatürlichen Ursprungs erklärt werden." Die Bestätigung eines übernatürlichen Ursprungs eines Phänomens sei daher gemäß den neuen Normen nur noch der absolute Ausnahmefall und werde nur auf Verlangen des Papstes vorgenommen.

Erklärungen über Wunder nicht unfehlbar

Ein weiterer Grund für die neuen Regeln sei, dass eine explizite Bestätigung als übernatürlich zu einer gewissen "Versiegelung" des Phänomens führe, so dass neuere Erkenntnisse und Entwicklungen bei der Interpretation es schwer hätten, berücksichtigt zu werden. Die Bewertung eines übernatürlichen Phänomens sei in der Regel nicht abschließend, weil die Entscheidung darüber nicht in den Bereich des unfehlbaren Lehramts fällt. "Selbst in von der Kirche anerkannten Fällen handelt es sich stets um Privatoffenbarungen, sodass es den Gläubigen freisteht, zu glauben oder nicht zu glauben, da die Erklärung des Übernatürlichen die Gläubigen nicht bindet und daher nicht für das Heil unerlässlich ist", betonte Fernández.

Im Ergebnis zeigte sich der Präfekt zufrieden mit den ersten Erfahrungen mit den neuen Regeln. Sie hätten es ermöglicht, mehrere Fälle zu erledigen, die teilweise schon seit Jahrzehnten geprüft wurden. "Gleichzeitig haben sie kritische Punkte aufgezeigt und wirksame Kriterien für künftiges pastorales Handeln im Umgang mit diesen konkreten Phänomenen geschaffen." Nach Angaben von Fernández seien neben 18 Fällen, deren Ergebnis vom Dikasterium seitdem veröffentlicht wurden, noch weitere, vertrauliche Fälle bearbeitet worden. Details dazu nannte der Präfekt nicht.

Jesus will kein Riesenkreuz

Das reformierte Verfahren zur Prüfung möglicher übernatürlicher Ereignisse hat nicht mehr das Ziel, die Übernatürlichkeit eines Ereignisses definitiv festzustellen. Stattdessen ordnet es die geprüften Ereignisse in verschiedene Kategorien ein, die von einem "Nihil obstat", bei dem der pastorale Wert eines Ereignisses gewürdigt wird, bis zu einem "Prohibetur et obstruatur" reichen, bei dem die kritischen Aspekte überwiegen und an der Verehrung des Phänomens nicht festgehalten werden darf. Außerdem besteht weiterhin die Möglichkeit, definitiv festzustellen, dass ein Phänomen sicher keinen übernatürlichen Ursprung hat.

Die erste Entscheidung nach den neuen Normen wurde Ende Juni 2024 veröffentlicht. Dabei wurde eine angebliche Marienerscheinungen in der Gemeinde Trevignano nahe Rom als eindeutig nicht übernatürlichen Ursprungs erklärt ("Declaratio de non supernaturalitate"). Auch die jüngste Entscheidung führte zu diesem Ergebnis: Die angebliche Aufforderung Jesu an eine französische Frau, ein 738 Meter hohes Kreuz zu errichten, wurde Anfang November endgültig als nicht übernatürlich eingestuft. (fxn)