Im Zentrum steht das Matthäus-Evangelium – das Lesejahr A
Ein bisschen drunter und drüber geht es durchaus in der Kirche: Diesen Eindruck bekommt man, wenn man sich näher mit dem Fest- und Heiligenkalender oder der Liturgie auseinandersetzt. Da gibt es ganz eigene Regeln und Regelungen. Ein Beispiel dafür ist auch, dass das Kirchenjahr nicht mit dem bürgerlichen Jahr zusammenfällt.
Das neue Kirchenjahr beginnt eben nicht am 1. Januar, sondern bereits am ersten Adventssonntag (dieses Jahr am 30. November). Und mit dem neuen Kirchenjahr beginnt auch ein neues Lesejahr in der Kirche. Damit man nicht jedes Jahr an jedem Sonntag die gleichen Texte zu hören bekommt, wurden nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil drei sogenannte Lesejahre eingeführt – und mit den Buchstaben A, B und C gekennzeichnet. In diesem Jahr beginnt am ersten Advent nun wieder das Lesejahr A.
Im Zentrum dieses Lesejahres stehen vor allem Texte aus dem Evangelium nach Matthäus. An den Sonntagen im Jahreskreis, aber auch an vielen Fest- und Feiertagen, werden Texte gelesen, die aus der Feder des Evangelisten Matthäus stammen. Wer dieser Matthäus war, ist nicht genau bekannt. Schon sehr früh jedenfalls wird dieses Evangelium einem Mann mit diesem Namen zugeschrieben. Lange hat man geglaubt, dass der Apostel Matthäus auch der Autor des Evangeliums sei; das ist allerdings rein hypothetisch.
Viele Unklarheiten
Wahrscheinlich war der Autor des Matthäusevangeliums in seiner Gemeinde als Lehrer tätig und kannte sich deswegen gut mit dem Judentum aus. Man weiß auch nicht, wo das Evangelium des Matthäus entstanden ist; vermutlich stammt es aus dem syrischen Raum. Jedenfalls erlangte es über die großen Städte der damaligen Zeit rasch Verbreitung. Was die Entstehungszeit angeht, so gibt man allgemein die Jahre 80 bis 90 nach Christus an. Damit konnte Matthäus in seinem Evangelium gut auf die Evangelienschrift des Markus zurückgreifen, die zu diesem Zeitpunkt bereits vorlag.
Eine der wichtigsten Bibelstellen ist die Bergpredigt.
Im Matthäusevangelium wird Jesus als der Immanuel verstanden. So heißt es schon im ersten Kapitel bei der Verkündigung an Maria: "Siehe: Die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären und sie werden ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott mit uns" (1,23). Und bei "Matthäus am Letzten", dem allerletzten Vers des Evangeliums, kehrt dieser Gedanke wieder: "Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt" (28,20).
Für Matthäus ist also entscheidend, dass Gott in Jesus Christus den Menschen ganz nahe kommt, dass er ihre Wege mitgeht, dass er bleibend da ist. In den schweren Situationen des Lebens, in den Momenten des Verzweifelns: Immer ist es dieser Gott, der in Christus da ist und den Menschen seine Nähe schenkt.
"Warum habt ihr solche Angst?"
Das macht Matthäus an vielen Stellen in seinem Evangelium konkret. Ein Beispiel ist die Stillung des Sturmes auf dem See Genezareth (8,23-27). Als die Jünger um ihr Leben fürchten, als das Boot unterzugehen droht, da ist es Christus, der ihnen zuruft: "Warum habt ihr solche Angst, ihr Kleingläubigen?" (8,26). Angst müssen sie nicht haben. Denn Gott ist in Christus an ihrer Seite, um sie zu retten.
Viele prominente und wichtige Texte stehen ausschließlich im Matthäusevangelium: die Episode von den Sterndeutern aus dem Osten zum Beispiel, die kommen, um dem Jesuskind zu huldigen und den Kindermord des Herodes auslösen (2,1-18). Oder die Bergpredigt mit den Seligpreisungen als Herzstück des Evangeliums. Auch viele Gleichnisse wie das Gleichnis von den zehn Jungfrauen (25,1-13), das Weltgericht (25,31-46) oder von den Arbeitern im Weinberg (20,1-16) finden sich allein bei Matthäus.
"Variatio delectat", also: Abwechslung erfreut, sagt man. Und so ist es gut, dass die Liturgie den "Tisch des Wortes" für Christinnen und Christen reichlich deckt. Dass nicht jedes Jahr die gleichen Texte gelesen werden. Sondern dass man einen Einblick in die Vielfalt der Evangelien bekommt und so immer neu eingeladen wird, eine andere Perspektive auf Jesus Christus und sein Leben zu werfen.
