Hamburg nimmt Abschied von Altkanzler Helmut Schmidt

Letzte Ehre für einen Giganten

Veröffentlicht am 23.11.2015 um 16:49 Uhr – Von Christina Rietz (KNA) – Lesedauer: 
Letzte Ehre für einen Giganten
Bild: © KNA
Trauer

Hamburg ‐ Rund um den Michel haben am Mittag Tausende Hamburger Abschied von Helmut Schmidt genommen. Weihbischof Hans-Jochen Jaschke würdigte den verstorbenen Altkanzler als Politiker, der sich über seine Verantwortung immer im Klaren gewesen sei.

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Was drinnen an Feierlichkeiten geschieht, kann man draußen nicht sehen oder hören. Die Ehrenformation der Bundeswehr, die später dem Altkanzler die größte aller militärischen Ehren erweisen soll, scheppert mit beschlagenen Absätzen die Zufahrtsstraße zum Michel auf und ab. Drei alte Damen stehen am Straßenrand. Sie beteuern, dass sie heute nicht zum Michel gekommen sind, um traurig zu sein - sondern um den Herrn Schmidt zu ehren, den "Sturmflutmanager in der Not". Dann erblicken sie einen lautstark kreisenden Helikopter am Himmel. "Ich hoffe, dass sie den Flughafen bald in Helmut-Schmidt-Airport umbenennen", sagt eine der Frauen.

"So legt euch denn, ihr Brüder, / In Gottes Namen nieder"

Das Warten auf Schmidt, dem unzählige Hanseaten die letzte Ehre erweisen, ist ein kaltes. Jedoch meinen die sonst eher unromantischen Hamburger, dass das sonnige Wetter an diesem Tag kein Zufall sein könne. Wie übrigens auch nicht der Schnee am Vortag: Das sei Zigarettenasche gewesen, die der Himmel zu Ehren Schmidts vergossen habe. Aus kleinen Handylautsprechern dringen immer wieder Teile des Gottesdienstes nach draußen, die die Wartenden dankbar und andächtig aufnehmen. Als das "Abendlied" von Matthias Claudius erklingt, kommt es vereinzelt doch zu Schniefen und Seufzen: "So legt euch denn, ihr Brüder, / In Gottes Namen nieder".

Linktipp: Kirchen würdigen Altkanzler Schmidt

Die Deutsche Bischofskonferenz bezeichnet ihn als "einen Politiker mit Weitblick und Klugheit". Für die Evangelischen Kirche in Deutschland war er ein "große Denker und kritischer Mahner". Das sind die Reaktionen zum Tod von Altkanzler Helmut Schmidt.

"Man fängt ja innerlich geradezu an zu weinen, wenn man dieses Lied hört", sagt der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke. Er kannte Schmidt seit vielen Jahren. Es ist ihm ein Anliegen, an der Trauerfeier in der Hauptkirche Sankt Michaelis teilzunehmen. Der Michel, sagt er, das sei ein Ort der Identifikation für alle Hamburger. Hier komme man zusammen, wenn etwas ganz Wichtiges geschehe, etwas, das man als Stadt verarbeiten müsse, weniger als Individuum.

Das Individuum Schmidt allerdings sei schon gläubig gewesen, ist der Weihbischof überzeugt. "Nicht so im Katechismusglauben, aber in den Tugenden, die er verkörperte. Er sah sich seinem Gewissen gegenüber verpflichtet und war sich über seine Verantwortung als Politiker immer im Klaren." So ähnlich erinnert sich an Schmidt auch Henry Kissinger; die Welt verliere einen "Giganten", sagt der frühere US-Außenminister über seinen Weggefährten.

Für die vor dem Michel wartende Menschenmenge kann es jetzt nicht mehr lange dauern, bis sie ihren Staatsmann endlich ein letztes Mal grüßen darf. Als sich die Ehrenformation der Bundeswehr aufstellt, bricht eine Dame in Tränen aus. Zwei Männern neben sich sagt sie: "Der Helmut ist gestorben und ihr macht dumme Witze - wenn sie wenigstens gut wären, das hätte er gemocht." Die Menge reicht ihr Taschentücher und tröstet sie.

Bild: ©picture alliance/ZB

"Er sah sich seinem Gewissen gegenüber verpflichtet und war sich über seine Verantwortung als Politiker immer im Klaren", so der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke über den verstorbenen Helmut Schmidt.

Dann kommen die schwarz gekleideten Sargträger mit den Degen an der Seite aus der Kirche. Auf ihren Schultern ruht Schmidts Sarg - und es wird so still, dass man eine Zigarette fallen hören könnte. Das Musikkorps spielt einen Choral, die Menge summt mit. Das Musikkorps spielt die Nationalhymne, die Menge flüstert mit, zurückhaltend. Es ist eine gewisse weltliche Frömmigkeit zu spüren. Beim Trauermarsch von Händel wird dann schon ein bisschen geweint, aber nur kurz.

"Die Sonne soll in der Ewigkeit für Helmut scheinen"

Dann ist der Trauerzug bereits vorüber, auf dem Weg zum Ohlsdorfer Friedhof. Selbst die tieftraurige Dame fasst sich wieder und sagt strahlend: "Die Sonne soll in der Ewigkeit für Helmut scheinen und in den Herzen der Menschen, wenn sie an ihn denken."

Von Christina Rietz (KNA)