Karlsruher Richter urteilen im Fall Wissenschaftler gegen Greenpeace

Kein Patent auf embryonale Stammzellen

Veröffentlicht am 27.11.2012 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Bundesgerichtshof

Bonn/Karlsruhe ‐ Patente auf menschliche embryonale Stammzellen sind nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht zulässig, sofern sie auf Stammzellen beruhen, für die Embryonen zerstört wurden. Die Karlsruher Richter bestätigten damit am Dienstag eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom vergangenen Jahr, gaben aber gleichzeitig der Berufung des Bonner Stammzellforschers Oliver Brüstle in Teilen statt. Die Kosten des Verfahrens wurden zu zwei Dritteln der Umweltschutzorganisation Greenpeace auferlegt, die gegen Brüstle geklagt hatte.

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Das Gericht betonte, dass Patente nicht erteilt werden könnten, wenn sie auf verbrauchender Embryonenforschung beruhten. Brüstle zeigte sich mit dem Urteil zufrieden; es habe Rechtsklarheit geschaffen. Es gebe inzwischen genügend wissenschaftliche Wege, um Stammzellen zu gewinnen, ohne Embryonen zu zerstören.

Der Vertreter von Greenpeace, Christoph Then, zeigte sich "nicht unzufrieden" mit dem Urteil. Das Patent Brüstles sei eingeschränkt worden, sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Allerdings lasse das Urteil nach erster Interpretation Wege offen, um Patente auf embryonale Stammzellen zu erteilen. Das gelte möglicherweise für abgetriebene Embryonen.

Jahrelanger Rechtsstreit

Die Entscheidung setze "ein Signal für den Schutz des Lebens", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bonn. "Indem es ausschließt, dass Zellen patentiert werden, die durch die Zerstörung von Embryonen entwickelt wurden, setzt es einen Riegel gegen die Verzweckung des menschlichen Lebens."

Deutliche Kritik äußerte Zollitsch an der Entscheidung der Richter, dass der Patentschutz bestehen bleibe, soweit menschliche embryonale Stammzellen durch andere Methoden gewonnen werden. Dies sei ethisch nicht zu rechtfertigen, so der Freiburger Erzbischof.

Für den Augsburger Weihbischof Anton Losinger ist die Entscheidung eine "Wiederholung des hochwillkommenen Urteils des Europäischen Gerichtshofes." Gegenüber katholisch.de betonte Losinger, der auch Mitglied des Deutschen Ethikrates ist, die medizinisch-ethische Dimension des Falls und die christliche Grundüberzeugung von der Unantastbarkeit ungeborenen menschlichen Lebens. "Es darf keine wissenschaftliche Methode in Gang gesetzt werden, deren Voraussetzung die Tötung menschlicher Embryonen ist", sagte Losinger. Zugleich gab er zu bedenken, dass Patente auf embryonale Stammzellen eine Kommerzialisierung des menschlichen Lebens bedeuten würden.

Ähnlich äußerte sich Eve-Marie Engels, Professorin für Ethik in den Biowissenschaften in Tübingen, gegenüber katholisch.de. Es sei "sehr problematisch", wenn mit Stammzellen von getötetem Menschen Profit gemacht werde, sagte die Wissenschaftlerin und weiter: "Von den meisten Patentierungen im Zusammenhang mit dem Leben halte ich nicht viel."

Für Brüstle kam die Entscheidung nicht unerwartet: "Mehr konnten wir nicht erwarten". Der Wissenschaftler betonte in einer Stellungnahme, das Urteil komme zu einer Zeit, in der mehr und mehr Alternativen für die Gewinnung pluripotenter Zellen entwickelt werden. "Insofern schafft das Urteil auch Klarheit darüber, auf welche Zelllinien sich das Feld für die Entwicklung von Zelltherapien konzentrieren kann", so der Wissenschaftler.

„Es darf keine wissenschaftliche Methode in Gang gesetzt werden, deren Voraussetzung die Tötung menschlicher Embryonen sind““

—  Zitat: Weihbischof Anton Losinger

In dem bereits seit acht Jahren dauernden Rechtsstreit hatte die Umweltorganisation Greenpeace gegen ein 1999 erteiltes Patent des Bonner Stammzellforschers Oliver Brüstle geklagt. Er will aus embryonalen Stammzellen Ersatzzellen für geschädigte Bestandteile des Gehirns und des Rückenmarks entwickeln und damit langfristig Krankheiten wie Multiple Sklerose und Parkinson bekämpfen.

Das Verfahren ist ethisch hoch umstritten, weil zur Gewinnung menschlicher Stammzellen Embryonen zerstört werden müssen. Greenpeace kämpft seit Beginn der 90er Jahre gegen alle Patente auf Pflanzen, Tiere sowie menschliche Gene und Zellen.

Von Karlsruhe nach Luxemburg und zurück

Brüstle argumentiert, dass er nur solche menschlichen embryonalen Stammzellen verwende, die legal aus Israel eingeführt worden seien. Das hatte der Bundestag im Jahr 2002 erlaubt. Brüstles Anwalt verwies in der Verhandlung auf die Heilungschancen bei schweren Krankheiten und betonte, es könne nicht sittenwidrig sein, Menschen zu helfen.

2006 hatte die Klage von Greenpeace in erster Instanz vor dem Bundespatentgericht Erfolg. Brüstle legte dagegen Beschwerde vor dem Bundesgerichtshof ein. Die Karlsruher Richter verwiesen die Klage aber an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg weiter, vor dem der Wissenschaftler 2011 ebenfalls unterlag.

Die dortigen Richter entschieden, dass Produkte aus menschlichen embryonalen Stammzellen nicht patentiert werden dürften, wenn dafür befruchtete Eizellen zerstört werden müssten. Solche Eizellen seien rechtlich als menschliche Embryonen zu bewerten, deren Menschenwürde geachtet werden müsse, so der EuGH. In Karlsruhe ging es nun um die Frage, wieweit dieses Urteil in Deutschland Anwendung findet. (meu/luk mit Material von KNA)