Die katholische Militärseelsorge wird 60 Jahre alt

"Erfahrung mit Tod und Verwundung"

Veröffentlicht am 04.02.2016 um 00:01 Uhr – Von Christoph Scholz (KNA) – Lesedauer: 
Seelsorge

Berlin ‐ Die Auslandseinsätze der Bundeswehr stellen auch die Militärseelsorger vor neue Herausforderungen. Zugleich wird das Umfeld säkularer; Generalvikar Bartmann sieht darin aber auch eine Chance. Heute feiert die Militärseelsorge ihren 60. Geburtstag.

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Die Zurückhaltung mag nicht nur dem nicht ganz so runden Jubiläum geschuldet sein. Die vor allem in den vergangenen zehn Jahren gewachsene weltweite Verantwortung der Bundeswehr nimmt auch die Seelsorger in die Pflicht. "Die unmittelbare Erfahrung mit Tod und Verwundung, der Umgang mit militärischer Gewaltanwendung, das Leben auf längere Zeit fernab von Ehefrauen, Ehemännern, Kindern, Partnern und Freunden - das alles prägt und fordert Seelsorge in den Einsätzen heraus", so der Generalvikar des katholischen Militärbischofs, Reinhold Bartmann.

Damit ist eine weitere Hauptaufgabe benannt: die Begleitung der Familienangehörigen an den Heimatstandorten. Die lange Abwesenheit und ständige Ungewissheit der Partner wird für viele Beziehungen zur Zerreißprobe. Gerade mit Blick auf dieses Anliegen fand die Militärseelsorge inzwischen im Zentralinstitut für Ehe und Familie in der Gesellschaft (ZFG) an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt einen wichtigen Kooperationspartner.

Einätze in fast allen Teilen der Welt

Dieser Tage sind katholische Militärpfarrer zur seelsorgerlichen Einsatzbegleitung an verschiedensten Auslandsstandorten wie im zypriotischen Limassol, von wo auch der Libanoneinsatz begleitet wird, oder in Kabul sowie im Rahmen der NATO Response Force (RF) aktiv. Weitere Geistliche begleiten die Einsatzkräfte im afrikanischen Dschibuti, im türkischen Incirlik, im Kosovo und in wenigen Tagen wird es nach Mali gehen. Dies geschieht angesichts der Personalknappheit inzwischen zumeist abwechselnd mit der evangelischen Militärseelsorge.

Bild: ©KS / Doreen Bierdel

Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck ist auch Katholischer Militärbischof für die Bundeswehr.

Trotz rückläufiger Berufungen für das Priesteramt schafft es das Militärbischofsamt nach Bartmanns Worten, die "Verpflichtungen gegenüber dem Staat zu erfüllen". Das geschieht längst "im guten ökumenischen Zusammenwirken mit der evangelischen Militärseelsorge" unterstreicht er. Militärbischof Overbeck sieht eine wesentliche Aufgabe der Militärseelsorge ferner darin, "das moralische Verantwortungsbewusstsein der Soldaten im Einsatz zu stärken: Die Bundeswehr braucht fähige Leute, die ihre Entscheidungen ethisch reflektieren". Expertise liefern hier das Institut für Theologie und Frieden in Hamburg und das Zentrum für ethische Bildung in den Streitkräften (zebis).

Gefragter Gesprächsparter - auch für konfessionslose Soldaten

Die Tatsache, dass zumal seit der Wiedervereinigung zunehmend weniger konfessionell gebundene Soldaten in der Bundeswehr dienen, ist für Bartmann Herausforderung und Chance zugleich. Denn die Nachfrage nach seelsorglicher Begleitung ist nicht zurückgegangen. Im Gegenteil. Der Lebenskundliche Unterricht wird für viele Soldaten zum Anknüpfungspunkte für sehr existenzielle Fragen, und die Seelsorger sind bei Auslandseinsätzen gesuchte Gesprächspartner - nicht zuletzt, weil sie nicht in die Bundeswehrhierarchie eingebunden sind.

"Auch in der säkularen Bundeswehr ist es möglich, Seelsorge praktisch werden zu lassen", so Bartmann. "Wir tun dies nicht mit zwanghaft missionarischen und sich aufdrängenden Angeboten, sondern wollen durch die Qualität unseres Engagements überzeugen." Seit 1958 gehört dazu die Internationale Soldatenwallfahrt nach Lourdes. An der jüngsten nahmen immerhin 750 Bundeswehrsoldaten teil. Und nicht wenige von ihnen hatten keine Kirchenbindung. In diesem Jahr ist der Besuch im südfranzösischen Marienheiligtum vom 18. bis 21. Mai geplant. Ein Gebetsanliegen ist dabei auch eine gute Zukunft für die Militärseelsorge im 60. Jahr ihres Bestehens.

Linktipp: Militärseelsorge als Lebenshilfe

Franz-Josef Overbeck ist der sechste katholische Militärbischof in der Geschichte der Bundeswehr. Dem 50-jährigen Bischof von Essen obliegt seit 2011 die kirchliche Leitung der katholischen Militärseelsorge. Im Interview mit katholisch.de bezieht er Stellung zum Spannungsfeld, in dem sich die Militärseelsorge mit der kirchlichen Lehre befindet und zeigt die aktuellen Herausforderungen auf, vor denen die Seelsorge derzeit steht.
Von Christoph Scholz (KNA)