Keks-Klau aus Nächstenliebe?

Veröffentlicht am 31.01.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Fall der Woche

Hannover ‐ Da klafft sie, die Lücke zwischen den schmiedeeisernen Brezelmännern. Wo einst ein 20 Kilo schwerer Butterkeks aus Messing hing, weht nun der kalte Januarwind durch das Wahrzeichen am Hannoverschen Stammhaus der Firma Bahlsen. Umso erstaunlicher, dass es ganze zwei Wochen dauerte, bis sein Fehlen bemerkt wurde. Nichtsdestotrotz möchte der Keks-Fabrikant das gute Stück natürlich zurück haben und die dreisten Diebe schnappen.

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Zwei Bilder nebeneinaner, eines mit den Brezelmännern und dem Keks und eines ohne Keks.
Bild: ©dpa/Jochen Lübke

Wo zu Jahresbeginn noch ein großer Metall-Butterkeks hing, sieht man nur noch blauen Winterhimmel.

Vor zwei Tagen dann eine neue Wendung im Keks-Fall. Es taucht ein Bekennerschreiben auf, ganz klassisch mit aus Zeitungen ausgeschnittenen Buchstaben. Der Absender ist eine Sensation: niemand anderes als das Krümelmonster itself hat den Keks in seiner Gewalt. Sein Foto mit dem gestohlenen Backwerk beweist es.

Nun ist Diebstahl eine Sache, Entführung aber schon eine ganz andere, auch wenn es sich nur um ein Messingplätzchen mit 52 Ecken handelt. Denn, so sagte einst der Erfinder Hermann Bahlsen: "Meine Buttercakes sollen eine Persönlichkeit haben." Schließlich haben sie auch einen Namen, im Fall Leibniz sogar den, eines berühmten deutschen Philosophen des 18. Jahrhunderts.

Das Krümelmonster - ein gemeiner Erpresser

Aber zurück zum aktuellen Fall. Das Krümelmonster ist also nicht nur ein Dieb, sondern ein Entführer und gemeiner Erpresser? Soweit, so klar verwerflich. Man ist geneigt, die Freigabe der Sesamstraße auf FSK 18 hochzusetzen. Hat diese Sendung doch einen dezidierten pädagogischen Auftrag.

Sieht man sich den Inhalt des Erpresserbriefes allerdings genauer an, stellt man fest: Es handelt sich hier um ein Monster mit - wen wundert es - kindlichem Charakter und Robin-Hood-Moral. Tatsächlich scheint es ihm bei der Aktion ausschließlich um den sozialen Aspekt zu gehen. So fordert es zwar Kekse für die Freigabe des guten Messingstücks, doch nicht für sich selbst. Stattdessen möchte das blaue Zotteltier Kinder in einem Krankenhaus bedacht sehen und verlangt zudem ein Lösegeld von 1.000 Euro, das an ein Tierheim gezahlt werden soll.

Unterdessen hat Werner M. Bahlsen reagiert und an das Krümelmonster appelliert, das Symbol der mehr als 120 Jahre alten Keksdynastie zurückzugeben. Über Facebook schrieb er: "Liebes 'Krümelmonster', wie dir sicherlich bekannt ist, engagiert sich das Unternehmen Bahlsen bereits seit Jahrzehnten in vielfältiger Weise im sozialen Bereich. Wir versprechen unseren Fans: Bahlsen spendet 52.000 Packungen Leibniz Kekse an 52 soziale Einrichtungen, wenn du uns unseren goldenen Keks wieder zurückbringst." Da muss doch sogar ein Monsterherz weich werden.

Interview mit Krümelmonster

Synchronsprecher Douglas Welbat leiht dem Krümelmonster seit Jahrzehnten seine Stimme. Im Spiegel-Online-Interview äußert er sich zum aktuellen Fall.

Ein ethisches Dilemma

Auch die Sesamstraße hat sich mittlerweile geäußert und entlastet ihren Hauptdarsteller: Zur fraglichen Zeit habe das Krümelmonster brav in einem Glaskasten gesessen. Genauer in der Ausstellung "40 Jahre Sesamstraße" in der Berliner Kinemathek. Dort sitzt es auch heute noch, wer vorbei geht, kann sich überzeugen. Sollte also doch eventuell ein ganz normaler Mensch hinter der ganzen Sache stecken? Vielleicht der gleiche, der im Jahr 2009 "Bernd das Brot" vom Kinderkanal klaute und niemals erwischt wurde? Oder handelt es sich um einen raffinierten PR-Gag? Wenn ja, war er doch nicht ganz so raffiniert, denn die Polizei ermittelt nun wegen Erpressung.

Was das Ganze mit Kirche und Glauben zu tun hat? Nun, die ethische Zwickmühle ist nicht zu übersehen. Zunächst einmal ist der Täter ein von Kindern geliebtes Kuscheltier, ob nun ein Mensch in der Verkleidung steckt oder nicht. Das Krümelmonster im Gefängnis? Wie will man das einem reinen Kinderherz erklären. Und dann die Sache mit Robin Hood: Wie verwerflich ist eine solche Tat, wenn dem Erpresser nicht um die eigene Bereicherung, sondern um den sozialen Zweck geht? Was meint ihr?

Von Janina Mogendorf