Björn Odendahl über unsinnige innerkirchliche Debatten

Weltfremd

Veröffentlicht am 18.07.2016 um 00:01 Uhr – Von Björn Odendahl – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Björn Odendahl über unsinnige innerkirchliche Debatten

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Am vergangenen Freitag hat die Deutsche Bischofskonferenz ihre Kirchenstatistik für das Jahr 2015 vorgestellt. Die Zahlen sind symptomatisch für die katholische Kirche in Westeuropa: hohe – wenn auch im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunkene – Austrittszahlen auf der einen und geringe Gottesdienstteilnahmen auf der anderen Seite. In Deutschland gehen nur etwa 10 Prozent aller Katholiken regelmäßig zur Messe. Das ist alarmierend.

Noch alarmierender ist aber, was der Religionssoziologe Michael Ebertz nach Veröffentlichung der Zahlen sagte. Nämlich, dass der Gottesdienstbesuch bei jungen Leuten laut aktuellen Studien gegen Null tendiere. Umso wichtiger ist es, sich mit dem "warum" auseinanderzusetzen. Sicher ist: Die Kirche hat in den vergangen Jahrzehnten Fehler gemacht – gerade in Europa. Sie war zu selbstzufrieden, zu realitätsfern, zu wenig in der Nachfolge Christi und damit zu wenig missionarisch. Sie hat verlernt, die Sprache der Menschen von heute zu sprechen.

Was aber nicht hilft, ist, nun Antworten auf die falschen Fragen zu suchen und zu geben. Wenn Kardinal Robert Sarah sagt, dass die Kirchenkrise eine Folge der Eucharistiekrise ist und Priester deshalb wieder "ad orientem" zelebrieren müssten, wird hier nicht nur Ursache und Wirkung vertauscht. Nein, es wird vielmehr eine Diskussion geführt, die die Jugend, aber auch die kirchenfernen Erwachsenen nicht annähernd betrifft. Wer nicht weiß, was wir an Weihnachten oder Ostern feiern, den interessiert keine Diskussion über Gebetsrichtungen. Es ist weltfremd.

Wenn Kardinal Carlo Caffarra oder Kurienerzbischof Georg Gänswein sich von Papst Franziskus wünschen, er möge sich in puncto kirchlicher Lehre klarer ausrücken, dann ist das ihr gutes Recht. Doch nur die wenigsten Gläubigen werden "Amoris laetitia" wohl überhaupt gelesen haben. Und schon gar nicht die Fußnoten. Deshalb werden sie sich weiter auf ihr Gewissen und den Seelsorger ihres Vertrauens verlassen. Genau wie es sich Franziskus wünscht. Alles andere zu glauben, ist weltfremd.

Der Soziologe Ebertz rät zu Lebensnähe. Das klingt erst einmal platt. Aber genau daran führt kein Weg vorbei. Doch das bedeutet, mit den Menschen zu reden statt über sie. Das bedeutet, nicht mehr von oben herab für die Schäfchen entscheiden, was gut und was schlecht ist, sondern das Christsein im Alltag vorzuleben. Dafür müssen wir zunächst raus aus den Kirchen, um die Menschen wieder hinein zu holen. Alle anderen Diskussionen sind vor allem eins: weltfremd.

Der Autor

Björn Odendahl ist Redakteur bei katholisch.de.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.
Von Björn Odendahl