Das will keiner
Mediziner, Ethiker und Parlamentarier aller Fraktionen haben ihre Vorbehalte gegenüber dem Gesetzentwurf zu Arzneimitteltests an Demenzkranken bekräftigt. Nichteinwilligungsfähige seien besonders schützenswert. Forschung dürfe hier nur in sehr engen Grenzen stattfinden und nur wenn es dem Einzelnen nütze, erklärten die SPD-Abgeordnete Ulla Schmidt und die Grünen-Abgeordnete Kordula Schulze-Asche am Dienstag in Berlin. Gemeinsam mit dem CDU-Politiker Uwe Schummer und der Linken-Abgeordneten Kathrin Vogler haben sie einen entsprechenden Änderungsantrag eingereicht.
Wachsender Widerstand
Die Bundesregierung will in engen Grenzen Arzneimittelversuche an nichteinwilligungsfähigen Patienten erlauben, von denen diese voraussichtlich keinen Nutzen mehr haben werden. Dazu sollen die Betroffenen bei noch klarem Bewusstsein ihre Bereitschaft in einer Probandenverfügung dokumentiert haben und sich zuvor ärztlich beraten lassen. Zulässig sollen zudem nur Studien mit einer minimalen Belastung sein.
Mit dem Gesetzentwurf zur "Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften" soll eine EU-Verordnung umgesetzt werden, die ab Ende 2018 greift. Der Bundestag hatte die Entscheidung über den Entwurf nach wachsendem Widerstand im Juli jedoch vertagt. Nun soll die Vorlage in der dritten Septemberwoche erneut debattiert werden.
Andreas Lob-Hüdepohl ist Professor für Theologische Ethik an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin.
Der Leiter des Interdisziplinären Zentrums für Zelltherapien in München, Martin Hildebrandt, verwies darauf, dass klinische Forschung stets ergebnisoffen sei. Wenn daher von vorne herein klar sei, dass sie keinerlei Nutzen für den Probanden habe, müsste besonders detailliert über Risiken der Studie aufgeklärt werden, das sei aber bei Nichteinwilligungsfähigen nicht möglich.
Lob-Hüdepohl: Fremdnützige Forschung ist ethisch bedenklich
Der Ethiker und Theologe Andreas Lob-Hüdepohl gab zu Bedenken, dass fremdnützige Forschung grundsätzlich ethisch bedenklich sei, auch wenn die Person einwillige. Essenziell sei aber nicht nur die Zustimmung des Individuum, sondern auch seine Möglichkeit während der Studie auszusteigen. "Der Proband muss Herr des Verfahrens bleiben", bekräftigte Lob-Hüdepohl. Das sei für Demenzkranke nicht möglich.
Der Bundestag hatte sich 2013 einstimmig dafür ausgesprochen, sogenannte fremdnützige Forschung an Behinderten oder nichteinwilligungsfähigen Erwachsenen nicht zu erlauben. So waren viele Politiker überrascht, dass die Schutzstandards nun doch abgesenkt werden sollten. Auch die Pharmaindustrie hält die Öffnung nicht für notwendig. (KNA)
