Agathe Lukassek über die Betpraxis der Deutschen

Nur noch peinlich?

Veröffentlicht am 19.01.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Agathe Lukassek über die Betpraxis der Deutschen

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Beten scheint den meisten peinlich zu sein. Außerhalb von Ordens- und Exerzitienhäusern wird das Tischgebet kaum noch praktiziert. Wer öffentlich anspricht, sich abends an der Bettkante zum Gebet hinzuknien, riskiert betretenes Schweigen. Wenn gar auf Social Media zu Gebet aufgerufen wird, ist Hohn vorprogrammiert: "Nicht beten, sondern handeln schafft Veränderung", heißt es dann.

In kirchlichen Strukturen gibt es immerhin Ausnahmen: Videos oder Kurse über Gebets- und Meditationsformen kommen gut an und einige Laien interessieren sich sogar für das recht anspruchsvolle Stundengebet der Kirche. Für mich klingen die Begründungen dafür aber oft recht ich-zentriert: "Ich bete, weil mir das gut tut / weil ich zu mir finde / weil mir das eine Struktur im Tag gibt".

Mir fehlt das Beten für andere. Sogar im Gottesdienst geht es bei den Fürbitten oft nur um eigennützige Bitten, nämlich für die Belange der eigenen Gemeinde oder Kommune. Dabei ist das die Stelle in der Messe, in der wir Katholiken für andere beten können: für Notleidende, für die Umwelt, für Verstorbene.

Oft scheint in unserer ich-zentrierten westlichen Welt das Gespür dafür zu fehlen, wofür man beten könnte. Dabei bietet einer, der sich mit den Anliegen der Kirche und der Welt auskennt, seit mehr als 100 Jahren Anregungen: Bei der "Gebetsmeinung des Papstes" bittet der Papst monatlich um Gebet zu zwei Themen - diesen Januar sind es Obdachlose in der Winterkälte und die Einheit der Christen. Seit einem Jahr verbreitet der Papst diese Anliegen auf allen sozialen Netzwerken - 13 Millionen Menschen haben 2016 seine Gebetsvideos gesehen.

Aber da gilt leider: Lateinamerika hui, Deutschland ... naja, ausbaufähig. Auf Facebook, YouTube und Twitter hat das Angebot des Papstes hierzulande bislang nur wenige Likes und Abos. Da würde ich die Leute gerne aufrütteln: Viel einfacher kann man nicht darauf aufmerksam gemacht werden, ein Stoßgebet für andere zu verrichten! Das Projekt verdient weitaus mehr Aufmerksamkeit. Oder ist den deutschen Katholiken das Gebet am Ende selbst für ein "Daumen hoch" in den Social Media noch zu peinlich?

Von Agathe Lukassek

Die Autorin

Agathe Lukassek ist Redakteurin bei katholisch.de.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.