Über Benedikt XVI. und "verschleierte" Papstrücktritte

Historiker: Amtsverzicht betont menschliche Seite

Veröffentlicht am 21.03.2017 um 11:45 Uhr – Lesedauer: 
Benedikt XVI.

Fribourg ‐ Kann der Stellvertreter Christi einfach wie ein Beamter in Pension gehen? Was sagt das über das Amtsverständnis aus? Der Schweizer Historiker Volker Reinhardt spricht über den Rücktritt Benedikts XVI.

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Mit seinem Amtsverzicht vor vier Jahren hat der emeritierte Papst Benedikt XVI. nach Meinung des Historikers Volker Reinhardt die menschliche Seite des Papstamtes betont. "Natürlich kann das ein Schritt zu einem im weitesten Sinn befristeten Amtsverständnis sein", sagte Reinhardt im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Das ist in der Geschichte der Päpste so nicht angelegt."

Das Amt des Stellvertreters Christi auf Erden habe man sich zuvor "eigentlich nur unbefristet vorstellen" können, so der Historiker. "Man ging davon aus, dass eine solche Mittleraufgabe zwischen Gott und dem Menschen nicht wie mit der Pensionierung eines Beamten enden könnte - eben weil dieses Amt weit über alles Menschliche, alles Irdische herausgehoben war."

Volker Reinhardt ist Professor für Allgemeine und Schweizer Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg in der Schweiz. Mit seinem neuen Buch "Pontifex" hat er soeben eine knapp 1.000 Seiten umfassende Geschichte der Päpste von Petrus bis Franziskus vorgelegt.

Angst vor zu ernsten Mönchen

Er erläuterte, das Papstamt habe in seiner Geschichte stets zwischen zwei Extremen geschwankt: "einem Papst, dem nicht Menschliches fremd ist, und einem asketischen, weltabgewandten". Den Römern sei ein menschlicher Papst immer viel lieber gewesen. "Sie hatten Angst vor zu ernsten Mönchen auf dem Thron."

Volker Reinhardt ist Professor für die Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg in der Schweiz.
Bild: ©Privat

Volker Reinhardt ist Professor für die Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg in der Schweiz.

Als historische Präzedenzfälle für Papstrücktritte verwies Reinhardt einerseits auf Coelestin V. 1294, der sich "den vielfältigen, auch sehr weltlichen und monetären Aufgaben nicht gewachsen fühlte". Auch dieser Rücktritt sei damals in der Öffentlichkeit sehr kontrovers diskutiert worden, so der Historiker. Vor allem die radikaleren Befürworter einer konsequenten Armut der Kirche seien davon ausgegangen, dass Coelestin V. zu diesem Schritt gedrängt oder gezwungen worden sei. "Aber dem ist sicher nicht so."

Auch sei zu belegen, dass manche Päpste, die in sehr hohem Alter starben, in den letzten Monaten oder Jahren "de facto eigentlich gar nicht mehr regiert" hätten. Dann seien meist Kardinalnepoten eingesprungen, also die wichtigsten Blutsverwandten des Papstes. Reinhardt sprach von "verschleierten Rücktritten". (KNA)