Kirchenrechtler und Jesuit Rhode über die Sonntagspflicht

Sonntags in die Kirche - ein Muss?

Veröffentlicht am 18.05.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Glaube

Bonn ‐ Wie lange darf ein Katholik vor der Messe nicht essen oder trinken? Was genau bedeutet Sonntagspflicht und welche Ausnahmen gibt es? Der Jesuit Ulrich Rhode hat die Antworten.

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Frage: Pater Rhode, was hat es mit dem Sonntag und der Gottesdienstpflicht für uns Katholiken auf sich?

Rhode: Während die Juden den siebten Tag der Woche als den Sabbat begehen, den Tag, an dem Gott ruhte, haben die Christen schon früh begonnen, die Eucharistie am ersten Tag der Woche zu feiern, also am Sonntag, dem Tag der Auferstehung Jesu Christi. Erst später wurde daraus im römischen Reich auch ein Ruhetag. Jeder Sonntag ist wie ein kleines Osterfest. An diesem Tag kommen Christen zusammen, um das Wort Gottes zu hören, an der Eucharistiefeier teilzunehmen und so des Leidens, des Todes und der Auferstehung des Herrn zu gedenken. Nach Kirchenrecht sind die Gläubigen am Sonntag und an den anderen gebotenen Feiertagen zur Teilnahme an der Eucharistie verpflichtet. Wer diese Pflicht absichtlich versäumt, begeht – so sagt es der Katechismus der Katholischen Kirche – eine schwere Sünde.

Frage: Demnach leben also laut Kirchenstatistik 22,5 Millionen Deutsche, die sonntags nicht in den Gottesdienst gehen, in Sünde?

Rhode: Auf den ersten Blick schon. Aber der Katechismus mildert es ja selbst ab, indem er darauf hinweist, dass das Versäumen der Eucharistiefeier gewichtige Gründe haben kann. Wenn ich also nicht gut zu Fuß bin, wenn ich einen Säugling zu Hause pflege, wenn ich krank oder alt bin, dann können das Gründe dafür sein, dass ich entschuldigt bin. Man bleibt in diesen Fällen ja nicht absichtlich dem Gottesdienst fern. Viele sind sich auch gar nicht klar, dass sie als Christen eine Sonntagspflicht zu erfüllen haben. Die konkrete Beurteilung des Einzelfalls, warum jemand nicht in den Gottesdienst geht, darum kümmert sich die Kirche nicht. Das muss man vor Gott mit dem eigenen Gewissen entscheiden.

Frage: Sind Kinder von der Sonntagspflicht ausgenommen?

Rhode: Das Kirchenrecht verpflichtet Kinder ab dem Alter von sieben Jahren, den Gottesdienst sonntags zu besuchen. Davor unterliegen sie dieser Regelung nicht.

Bild: ©Privat/katholisch.de

Jesuitenpater Ulrich Rhode unterrichtet Kirchenrecht an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom.

Frage: Wenn ich einen Gottesdienst unter der Woche besuche, habe ich dann meine Sonntagspflicht erfüllt?

Rhode: Nein, die Sonntagspflicht ist nicht verschiebbar. Der Gottesdienstbesuch unter der Woche kann den sonntäglichen Kirchenbesuch nicht ersetzen. Seit 1965, also seit der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils, ist es allerdings möglich, die Messe schon am Vorabend zu besuchen und damit die Sonntagspflicht zu erfüllen.

Frage: Und wie oft darf ich am Sonntag die Kommunion empfangen?

Rhode: Zweimal pro Tag ist das Maximum.

Frage: Was habe ich davon, häufiger zu kommunizieren? Mehr Gnade?

Rhode: Nein, man kann Gnade nicht quantifizieren. Aber es kann gute Gründe geben, zweimal am Tag in die Messe zu gehen und die heilige Kommunion zu empfangen. Zum Beispiel, wenn jemand morgens einen Gottesdienst in der Gemeinde und abends noch einmal eine Messfeier besucht, die etwa in Zusammenhang mit einer Beerdigung steht. Die Erfahrungen über die Jahre haben diese Praxis einfach nahegelegt.

Frage: Gibt es diese Praxis noch, dass ich vor dem Gottesdienst nichts essen darf?

Rhode: Ja, diese Regelung ist nach wie vor gültig und steht so auch im Kirchenrecht (can. 919 CIC). Eine Stunde vor dem Empfang der Kommunion ist das Essen und Trinken nicht erlaubt. Wenn also nach Beginn eines Sonntagsgottesdienstes noch rund 45 Minuten bis zur Kommunion vergehen, darf ich 15 Minuten vor dem Gottesdienst nichts mehr essen. Wasser zu trinken, ist allerdings erlaubt. Ältere Menschen und ihre Pflegekräfte sind von dieser Regelung ebenfalls ausgenommen.

Ein Mann nimmt den Codex des kanonischen Rechts aus einem Regal.
Bild: ©katholisch.de

Im Codex des kanonischen Rechts ist die Pflicht zur Teilnahme an einer Eucharistiefeier am Sonntag geregelt.

Frage: Alkohol ist klarerweise auch verboten …

Rhode: Ja, es sei denn ich muss eine medizinische Arznei einnehmen, die Alkohol enthält. Bei dieser Regelung geht es darum, dem Gläubigen den Unterschied zwischen normalem Essen und der Eucharistie im Bewusstsein zu halten. Der Gläubige kann sich so bewusster auf die Kommunion vorbereiten.

Frage: Erfülle ich die Sonntagspflicht denn auch, wenn ich mir einen Gottesdienst live im Fernsehen anschaue?

Rhode: Wer verhindert ist, die Messe zu besuchen, ist nicht dazu verpflichtet, einen Gottesdienst im Fernsehen anzuschauen. Das ist lobenswert und eine schöne Praxis, aber es gibt keine Verpflichtung dazu. Schön ist es auch, wenn es Kommunionhelfer gibt, die den alten oder kranken Gläubigen die Kommunion zu Hause vorbeibringen. Wenn kein Priester da ist oder aus einem anderen schwerwiegenden Grund die Teilnahme an der Eucharistiefeier unmöglich ist, empfiehlt das kirchliche Gesetzbuch stattdessen, eine Wort-Gottes-Feier zu besuchen oder das persönliche Gebet zu Hause oder in der Familie zu pflegen.

Frage: Glauben Sie, dass Verpflichtungen wie die, einen Gottesdienst zu besuchen, die Kirchen eher voller oder leerer machen?

Rhode: Ich glaube, dass eine Verpflichtung auch eine psychologische Hilfe sein kann. Die Sonntagspflicht kann jemanden dabei unterstützen, seine eigene Faulheit zu überwinden. Aber sie kann auch in anderen Situationen helfen; wenn ich zum Beispiel in meiner Umgebung Widerstand bekomme oder wenn ich auf Reisen bin. Dann kann ich sagen: "Es ist nicht nur mein persönlicher Wunsch, in die Messe zu gehen, sondern es ist auch meine Pflicht." Das kann doch eine Argumentationshilfe sein, oder?

Von Madeleine Spendier

Ulrich Rhode (52) ist Jesuit und Professor für Kirchenrecht an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Papst Franziskus ernannte ihn zum Konsultor der Kongregation für das Katholische Bildungswesen.