Generalvikare besuchen Diaspora-Kirche

Deutschland lernt von Schweden

Veröffentlicht am 21.05.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Diaspora

Bonn ‐ 21 deutschsprachige Generalvikare besuchen ab heute Schweden. Monsignore Georg Austen vom Bonifatiuswerk begleitet sie und berichtet im Interview von der extremen Minderheitensituation der Katholiken.

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Zu einer internationalen Tagung kommen ab heute 21 deutschsprachige Generalvikare in Stockholm zusammen, 13 davon kommen aus Deutschland. Fünf Tage lang werden sie sich dort auch über die Diaspora-Situation der Katholiken in Schweden informieren. Begleitet werden sie von Georg Austen, der als Generalsekretär des Bonifatiuswerkes die Kirche vor Ort gut kennt. Im Interview verrät er unter anderem, was Deutschland von Schweden lernen kann.

Frage: Monsignore Austen, auf welche Situation der katholischen Kirche werden die Generalvikare in Schweden treffen?

Austen: Sie treffen dort auf eine katholische Kirche, die in einer extremen Diaspora, also Minderheit, lebt. Nur rund 115.000 Menschen, die 1,2 Prozent der Bevölkerung ausmachen, sind katholisch. Die Kirche ist materiell arm, aber im Gegensatz zu vielen europäischen Ländern wächst sie in Schweden, wodurch viele Kirchen zu klein werden. Zudem gibt es zu wenige Seelsorger und die Pfarreien erstrecken sich im Norden des Landes nicht selten über riesige Entfernungen, sodass die Gläubigen enorme Fahrtzeiten zum Gottesdienst auf sich nehmen müssen. Ich habe dort aber auch viele ermutigende Zeichen erlebt. Wer in Stockholm oder Uppsala, in Göteborg oder Malmö die Messe besucht, erlebt eine junge und bunte Kirche, die sich in ihrer ganzen Universalität zeigt. Menschen, darunter sehr viele Migranten und Flüchtlinge, aus über 80 Nationen, mit mehr als 26 Sprachen, beten hier gemeinsam.

Frage: Was können die Generalvikare von der Diaspora-Kirche Schwedens lernen?

Austen: Auffallend ist die stark säkularisierte Gesellschaft Schwedens. Aufgrund der evangelischen Staatskirche, die bis 1996 existiert hat, gibt es zudem nur wenige Katholiken. Trotzdem erlebe ich dort sehr lebendige Glaubensgemeinschaften. Sie sind zwar zahlenmäßig nicht sonderlich groß, aber ihr Glaube prägt ihr Leben und das strahlen sie auch für andere Menschen aus. Mit ihrer christlichen Identität bilden sie trotz all ihrer Fragen und Probleme eine echte Gemeinschaft. Angesichts der sich ausweitenden Diaspora-Situation auch in Deutschland können wir von ihnen lernen, was es bedeutet, in einer zahlenmäßigen Minderheit zu leben, mit geringen finanziellen Mitteln auszukommen, trotzdem eine positive Ausstrahlungskraft zu haben und Menschen anderer Sprachen und Kulturen als Bereicherung zu erleben. Zudem können wir lernen, wie eine einladende und gastfreundliche Kirche aussehen kann.

Bild: ©Bonifatiuswerk

Monsignore Georg Austen ist Generalsekretär des Bonifatiuswerkes der deutschen Katholiken und Sekretär des Diaspora-Kommissariates der deutschen Bischöfe.

Frage: Gibt es einen konkreten Anlass dafür, dass die jährliche Tagung der Generalvikare jetzt in Schweden stattfindet?

Austen: Der Generalvikar von Stockholm, Pascal Lung, der bereits häufiger an dem jährlich stattfindenden Austausch teilgenommen hat, hat die deutschsprachigen Generalvikare nach Schweden eingeladen. Koordiniert wird die Tagung vom Bischöflichen Ordinariat Würzburg. Da das Treffen diesmal in Schweden stattfindet, wurde ich als Generalsekretär des Bonifatiuswerkes eingeladen teilzunehmen und unsere Arbeit vorzustellen. Sicherlich ist das Land auch deshalb ein passender Ort für die Tagung, weil Papst Franziskus im vergangenen Jahr zum Gedenken an die Gründung des Lutherischen Weltbundes und zur Feier der Messe an Allerheiligen Schweden besucht hat.

Frage: Welche besonderen Programmpunkte erwarten die Teilnehmer?

Austen: Neben einem Treffen mit dem Bischof von Stockholm, Anders Arborelius, stehen Gespräche mit katholischen Gläubigen und Seelsorgern auf dem Programm. In vielen persönlichen Begegnungen wird sich sicherlich zeigen, wie lebendig das Glaubensleben vor Ort ist und dass die katholische Kirche dort das Gesicht einer wirklichen Weltkirche hat. Die Teilnehmer der Tagung werden darüber hinaus das schwedische Priesterseminar und die katholische Hochschule "Newmaninstitut" in Uppsala besuchen sowie den Neubau einer Kirche mit Gemeindezentrum in Södertälje, den die chaldäische Gemeinde dringend benötigt.

Frage: Warum ist dieser Kirchenneubau für die chaldäischen Christen so wichtig?

Austen: Durch die Einwanderung aus dem Nahen Osten ist vor allem in den letzten Jahren eine große Anzahl orientalischer Christen, oft nach viel Leid und Verfolgung, nach Schweden gekommen. Die Anzahl der Gottesdienstteilnehmer wächst stetig. Die Chaldäer haben in Södertälje eine neue Heimat gefunden, in der sie in Frieden leben, ihrer Arbeit nachgehen und mit ihrer Familie im christlichen Glauben leben können. Zurzeit steht den rund 5.000 chaldäischen Christen nur eine ehemalige evangelische und viel zu kleine Kirche für Gottesdienste zur Verfügung. An einem normalen Sonntag muss die Hälfte der Gemeinde den Gottesdienst per Videoübertragung im Keller der Kirche oder auf der Straße verfolgen. Gemeinderäume für gemeinsame Veranstaltungen und Begegnungen gibt es momentan gar nicht. Das Bonifatiuswerk unterstützt deshalb den Neubau von Kirche und Gemeindezentrum in Södertälje mit Spendenmitteln aus Deutschland.

Von Tobias Glenz

Bonifatiuswerk

Katholische Gemeinden in der Diaspora, also dort, wo Menschen katholischen Glaubens in der absoluten Minderheit leben, profitieren von der Arbeit des Bonifatiuswerks. Katholisch.de stellt wissenswerte Informationen rund um das Hilfswerk vor.