Streit um zum Christentum konvertierte Flüchtlinge

Heikle Glaubensfragen

Veröffentlicht am 07.06.2017 um 14:29 Uhr – Von Christoph Arens (KNA) – Lesedauer: 
Flüchtlinge

Bonn ‐ Politik und Kirche diskutieren aktuell über einen konvertierten Asylbewerber, der wohl zum Mörder wurde. Jetzt schaltet sich auch das "betroffene" Bistum Augsburg ein und weist die Kritik zurück.

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Der Fall ist heikel für Kirchen und Politik: Da ersticht ein 41 Jahre alter verdächtiger Flüchtling aus Afghanistan im oberpfälzischen Arnschwang einen Jungen. Zuvor hatte der Mann wegen schwerer Brandstiftung im Gefängnis gesessen und war dort zum Christentum konvertiert. Deshalb wurde er nicht abgeschoben.

In einer Zeit, in der Vertreter aller Parteien mit Blick auf den Berliner Attentäter Anis Amri eine konsequente Abschiebung von Straftätern unter den Asylbewerbern fordern, stellen sich Fragen mit neuer Schärfe: Erschleichen sich Flüchtlinge mit einem vermeintlichen Übertritt zum Christentum bessere Chancen auf Asyl? Prüfen die Kirchen die Ernsthaftigkeit der Konvertiten ausreichend? Und wie gehen sie mit ihrem Auftrag zur Mission um?

Bistum: Christentum keine Garantie für sozialen Aufstieg

Die Kirchen stehen unter Druck: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärte, er erwarte von Kirchen und Gerichten, "dass sie sich sehr genau anschauen, ob einer wirklich zum Christentum übertritt". Auch Ralf Meister, Landesbischof der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover, rief die Kirchen zu kritischer Prüfung auf. "Missbräuchliche, erschlichene Taufen können nicht geduldet werden", sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Bild: ©Privat

Pfarrer Gottfried Martens hat in seiner Evangelisch-Lutherischen Dreieinigkeits-Gemeinde in Berlin-Steglitz zahlreiche christliche Flüchtlinge aufgenommen. Die Landeskirchen und die Freikirchen sprechen von mehr als 2.000 Konversionen seit 2014.

Dabei zeigen sich die offiziellen Kirchenvertreter mit Blick auf die Taufe von Muslimen sehr zurückhaltend. In einer im Frühjahr veröffentlichten Handreichung unterstreicht etwa das Bistum Aachen, dass "Menschen in Abhängigkeitsverhältnissen - und das kann auch auf Geflüchtete zutreffen - nicht zur Taufe geführt werden dürfen". Flüchtlingen müsse deutlich gemacht werden, dass die Zugehörigkeit zum Christentum "keine Garantie für eine schnelle Integration oder sozialen Aufstieg" bedeute. Auch müsse betont werden, dass mit der Konversion nur in wenigen Fällen ein gesicherter Aufenthaltsstatus verbunden sei; im Gegenteil könne die Taufe im Fall einer Abschiebung ins Herkunftsland lebensgefährlich werden.

Der in der Bischofskonferenz für Flüchtlingsfragen zuständige Hamburger Erzbischof Stefan Heße betonte kürzlich: "Jeder, der sich Christus anschließen will, ist uns willkommen." Zugleich setze die Taufe in der katholischen Kirche jedoch einen längeren Prozess voraus, in dem ein Mensch mit der Lehre und dem Leben der Kirche vertraut gemacht werde. "Angesichts dieses Vorbereitungsweges, der in der Regel ein Jahr dauert, ist ein Missbrauch des Taufbegehrens auch so gut wie ausgeschlossen."

Taufurkunde reicht nicht für Aufenthaltstitel

Der Ausländerrechtsexperte Victor Pfaff von Pro Asyl wies am Dienstag zugleich darauf hin, dass eine Taufurkunde für einen Aufenthaltstitel nicht ausreiche. Dass jemandem in seinem Heimatland als Christ unmenschliche Behandlung oder Folter drohe, scheine nur plausibel, wenn "er seine Konversion bekannt gemacht hat, wenn ihn jemand verraten hat oder wenn er plant, seinen Glauben sichtbar nach außen zu zeigen".

Konkrete Zahlen über Konversionen muslimischer Flüchtlinge gibt es nicht. Für die katholischen Bistümer liege auch keine Schätzung vor, sagte eine Sprecherin der Deutschen Bischofskonferenz. Die evangelischen Landeskirchen und die Freikirchen hatten im vergangenen Jahr von mehr als 2.000 Konversionen seit 2014 gesprochen. Zugleich erklärten sie, es gebe eine beträchtliche Dunkelziffer, weil manche Pfarrer in Eigeninitiative auf die Taufe vorbereiteten.

Offenkundig ist, dass die meisten Konvertiten aus dem Iran stammen. Kirchenvertreter betonen, dass zumindest ein Teil von ihnen schon dort Christ geworden sei, aber wegen drohender Todesstrafe noch keine Taufe erhalten habe. Vor diesem Hintergrund warfen kürzlich Vertreter der evangelischen Landeskirchen und der Freikirchen Asylentscheidern vor, Anträge von christlichen Iranern fälschlicherweise abgelehnt zu haben.

Die Organisation Open Doors fordert deshalb eine Neuüberprüfung. Die zuständigen Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge besäßen nicht die notwendige Qualifikation, um die Aufrichtigkeit der Konversion zu prüfen. Auch der religionspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, erklärte: "Ob jemand es mit der Kirchenmitgliedschaft ernst meint, dürfen allenfalls die Kirchen selbst beurteilen."

Von Christoph Arens (KNA)

Linktipp: "Sie flehen mich an, sie herauszuholen"

Gottfried Martens ist Pfarrer in Berlin. Zu seiner Gemeinde zählen mittlerweile rund 1.200 christliche Flüchtlinge, die ihm immer wieder von Übergriffen durch Muslime berichten. Für Martens ist klar: Das darf nicht länger verschwiegen werden. (Interview vom Februar 2016)

UPDATE: Bistum Augsburg verwahrt sich gegen Kritik an Flüchtlingstaufen

Das Bistum Augsburg hat sich in die Diskussion um Konversionen von Flüchtlingen zum Christentum eingeschaltet. Hintergrund ist der Fall eines afghanischen Asylbewerbers (41), der am Samstag im oberpfälzischen Arnschwang einen fünfjährigen Jungen in einer Unterkunft getötet hatte - mutmaßlich, weil er sich von Lärm des Kindes gestört fühlte. Die Abschiebung des Afghanen war ausgesetzt gewesen, da ihm, inzwischen Christ geworden, in seiner Heimat Verfolgung gedroht hätte. Nach seinem Angriff auf das Kind sowie dessen Mutter hatte die alarmierte Polizei den Täter erschossen.

Getauft und gefirmt worden war der Afghane im April 2012 in der Kirche der Justizvollzugsanstalt (JVA) Landsberg am Lech, die auf dem Gebiet des Bistums Augsburg liegt. In der JVA saß er wegen besonders schwerer Brandstiftung eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten ab, zu der ihn das Landgericht München I 2009 verurteilt hatte. Der Leiter des Bischöflichen Seelsorgeamts im Bistum Augsburg, Bertram Meier, verteidigte am Mittwoch Taufen von Flüchtlingen. Bevor jemand getauft werde, müsse er einen monatelangen Prozess der Vorbereitung und der Prüfung durchlaufen, sagte der Prälat: "Christ wird man nicht im Galopp, es ist ein langer Weg, der Geduld braucht."

Meier: Bewerber in engem und intensiven Kontakt mit Seelsorgern

Dies gelte für alle Taufbewerber unabhängig von deren Herkunft oder kulturellem Hintergrund, betonte Meier. Die Bewerber stünden in engem und intensiven Kontakt mit Seelsorgern, die sie in den Glauben einführten und auf den Empfang der Taufe vorbereiteten. Die Seelsorger könnten sich so einen Eindruck von der Ernsthaftigkeit des Vorhabens verschaffen, Christ zu werden. Bevor die Taufe gespendet werde, müsse auch noch die Erlaubnis des Bischöflichen Ordinariates eingeholt werden. "Damit stellen wir sicher, dass sich niemand die Taufe sozusagen 'erschleicht'", betonte der Prälat.

Meier fügte hinzu, ihm sei kein einziger Fall bekannt, in dem die Taufe als Vorwand genutzt worden sei, um nicht abgeschoben zu werden. Die Mehrzahl derer, die sich als Erwachsene taufen ließen, gehöre zudem keiner Religion an. Die Zahl der konvertierten Muslime "war in den vergangenen Jahren erfahrungsgemäß stets eher gering und betrug bistumsweit weniger als zehn Personen pro Jahr". (KNA)