Ein Freiburger bietet Fahrten im Pilgertaxi an

Mit dem Taxi zum Seelenheil

Veröffentlicht am 14.06.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Buntes

Freiburg ‐ St. Ottilien, Altötting, Medjugorje - diese Wallfahrtsorte will Christian Dieckmann mit seinem Pilgertaxi anfahren. Doch auch bei seinen regulären Touren wirbt der Taxifahrer für Jesus. Ein Ortsbesuch.

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In der Reihe der weißen Taxis vor dem Freiburger Hauptbahnhof fällt das von Christian Diekmann nicht weiter auf. Doch als der schlanke 54-Jährige in grauer Trachtenjacke die Tür öffnet, erklingt geistliche Musik. Über dem Handschuhfach begrüßen den Fahrgast Jesus und Maria als Mini-Bilder, ein blaues Kunststoffkreuz liegt in der Mittelkonsole. Als "praktizierenden Katholiken" bezeichnet sich Christian Dieckmann auf seiner Internetseite. Meist fährt er seine Kunden in Freiburg von A nach B, aber er bietet auch einen besonderen Service an: Fahrten als Pilgertaxi zu Klöstern, Exerzitien oder "Gnadenorten in Europa", wie er selbst sagt.

Er sei "zwischen Kirche und Welt", erklärt Dieckmann und schlägt vor, auf den nahegelegenen Lorettoberg zu fahren: "Da gibt es eine schöne Kapelle." Das Taxi als anonymer Ort sei wie gemacht für tiefschürfende Gespräche, meint er, als er die kurvige Straße bergauf ansteuert. "Hier kann man über alles reden." Er spüre, dass viele seiner Fahrgäste Probleme haben. "Das merkt man einfach." Das sei kein Wunder: "Wir können heute die Welt zerstören. Die Menschen haben Angst. Viele sind auf der Suche." Doch missionieren will er nicht – jedenfalls nicht direkt. Er lässt lieber die Bilder an Armatur sprechen. "Viele sagen nichts dazu, aber einige wollen reden." Dann ist er seinem Ziel nahe: "Marketing für Jesus" zu machen. "Werbung für die Kirche." Er lächelt etwas verlegen. Dann sagt er ernst: "Ich will Jesus helfen, solange ich auf der Erde bin."

Bilder von Jesus und Maria in einem Auto an der Armatur
Bild: ©Heckeley/katholisch.de

Sind immer im Pilgertaxi dabei: Jesus, Maria und zwei Schutzengel.

Ein Zwischenstopp an der Lorettokapelle, ein Gebäude, das drei Kapellen unter einem Dach vereint: Eine ist Joseph, die in der Mitte Maria geweiht. Die dritte ist die Annen- und Joachimskapelle. Dieckmann tritt in das Halbdunkel der Josephskapelle. "Schön hier", meint er knapp. Aber oft sei er nicht hier oben: "Hier gibt es keine Heilige Messe". Und in die versucht er, täglich zu gehen – was sich gut mit dem Taxifahren vereinbaren lässt. "Die Kraft ist in der Eucharistie." Auch Anbetungen besuche er gern. "Ich finde da Ruhe und Sinn. Wie Vitamine für die Seele." Draußen, wieder im Hellen, eröffnet sich ein weiter Blick über die Stadt: "Freiburg ist ein sehr gesegneter Ort", meint er. Hier gebe es noch viele Klöster, denen es gut gehe.

Jogi Löw als Gast, Seelenheil als Ziel

Zu diesem Segen will Dieckmann nun auch seine Fahrgäste mit dem Pilgertaxi bringen, "um etwas für Ihre Seele zu tun" wie es auf seiner Homepage heißt. Beispielrouten hat der Taxifahrer, der nicht im Auftrag der Erzdiözese arbeitet, bereits zusammengestellt. Eine geht von Freiburg aus in die oberbayrische Erzabtei der Benediktiner, St. Ottilien, dann weiter über den Marienwallfahrtsort Altötting mit seiner Gnadenkapelle. Anschließend plant er bis nach Medjugorje in Bosnien und Herzegowina, einen offiziell nicht anerkannten Wallfahrtsort, und wieder zurück zu reisen. Nach Altötting und Medjugorje ist er schon gefahren – allerdings allein, um selbst zu pilgern. Einen Kunden hat er für solch große Fahrten bisher nicht gefunden. Für kleine Wallfahrts-Stopps jedoch schon: Manche seiner Stammkunden fänden es gut – oder hätten nichts dagegen – wenn er mit ihnen etwa einen kleinen Umweg zu Klöstern oder Kirchen macht, erzählt Dieckmann. "Wir sind ja alle Pilger auf Erden, das ganze Leben ist eine Pilgerschaft", sinniert er. Dann deutet er mit seinem Zeigefinger in das nebelverhangene Tal: "Da ist auch das Freiburger Münster. Da fahren wir jetzt hin."

In Freiburg kennt Dieckmann nicht nur die Straßen in- und auswendig, sondern auch die Klöster und Kirchen. Und ihre Geschichte: "Hier hat Mutter Teresa mal für einige Tage gewohnt, als sie Freiburg besucht hat", sagt er und deutet auf ein unscheinbares Haus, ein Konvent. Er selbst hat nach einem abgebrochenen Studium für einige Zeit im Kloster gelebt, "religiös war ich schon immer, aber das ging nicht, ich muss unterwegs sein". Familie hat er keine; er war erst Busfahrer, bevor er zum Taxi kam. Viele seiner Fahrgäste sind Geistliche oder Ordensleute. Aber auch Prominente wie Richard von Weizsäcker, den früheren Bundespräsidenten, oder Fußball-Nationaltrainer Jogi Löw hat er schon herumgefahren. "Danach habe ich für den Sieg unserer Mannschaft gebetet", erzählt er. "Und befreundete Nonnen dafür beten lassen." Er lacht. Und legt eine neue CD ein: Ein Mitschnitt einer Gebetsveranstaltung. "Aber ich kann es auch ausschalten, ich habe noch anderes", fügt er schnell hinzu und zeigt auf seine Mittelkonsole.

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Dort stecken neben CDs und einem Ladekabel auch Bücher, "Die Regel des Heiligen Benedikt" etwa und Kärtchen mit spirituellen Impulsen und das blaue Kunststoffkreuz. "Das ist aus Italien. Die Kraft dieses Kreuzes hilft auch gegen den Teufel", ist sich Dieckmann sicher. Ob er dem schon mal begegnet sei? Er zögert. Eines Nachts habe er einen Kunden gehabt, der unbequem gewesen sei. Er habe seine Freundin dabeigehabt und der wohl imponieren wollen. "Der wollte mich schlagen." Um das Taxi seien sie herumgerannt. Später sei der zum Glück im Taxi eingeschlafen. "Ich bin wohl vom Himmel beschützt."

Ansonsten gibt es selten Probleme mit Fahrgästen. Zumindest nicht von Dieckmanns Seite: "Ich habe keine Berührungsängste", meint er. Gerade Muslime seien froh, jemand so Gläubigen wie ihn zu finden: "Sie sind dann immer ganz erstaunt, dass es so etwas in Deutschland noch gibt." Er plaudert weiter: Einmal hatte er eine Auseinandersetzung mit einem homosexuellen Fahrgast, der mit seinen konservativen Ansichten nicht einverstanden war und kurzerhand wieder ausstieg. Das ist ihm inzwischen unangenehm, er lacht verlegen und will schnell das Thema wechseln. "Egal". Er zuckt mit den Schultern. Das sei das Gute am Taxifahren: "Der nächste Fahrgast wird schon kommen." Er lacht wieder.

Ein kurzer Stopp beim Freiburger Münster. Eine Kehrmaschine entfernt die letzten Spuren des Wochenmarktes, Schüler mit bunten Rucksäcken stellen sich vor der Kathedrale aus rotem Sandstein in Zweierreihen auf. Es regnet. "Das Gute als Taxifahrer ist, dass man ganz vorfahren darf." Diekmann grinst. Im Münster sei er oft, bete oder gehe zur Beichte. "Die Beichte ist ein Angebot des Himmels. Das ist Gnade. Aber das versteht heute kein Mensch mehr." Er schaut kritisch auf die dicken Regentropfen auf der Windschutzscheibe. "Die Seele bleibt ewig. Daher muss man dafür was tun. Man muss im Licht bleiben." Er steuert sein Taxi vom Münsterplatz herunter- und in Richtung Bahnhof. "Da gibt es eigentlich immer Kunden", meint er noch. Dann reiht er seinen Wagen in die Schlange der wartenden Taxis ein.

Von Johanna Heckeley