Roman Siebenrock befürchtet Versöhnung mit "konzilshermeneutischen Tricks"

Theologe warnt vor Einigung mit Piusbrüdern

Veröffentlicht am 28.06.2017 um 19:24 Uhr – Lesedauer: 
Mitglieder der traditionalistischen Piusbruderschaft bei einem Gottesdienst.
Bild: © KNA
Traditionalisten

Freiburg ‐ In der letzten Zeit gab es immer wieder Gerüchte über eine Einigung zwischen dem Vatikan und den Piusbrüdern. Der Innsbrucker Theologe Roman Siebenrock warnt vor "Tricks" der Traditionalisten.

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Der Innsbrucker Fundamentaltheologe Roman Siebenrock warnt vor einer Versöhnung mit der traditionalistischen Piusbruderschaft "auf Kosten der Wahrheit". So eine Einigung dürfe es nicht geben, schreibt Siebenrock in der Monatsschrift "Herder Korrespondenz" (Juli). Angesichts einer möglichen Versöhnung, die auf einer Entschärfung bestimmter Konzilsinhalte beruhen könnte, müsse nach den Bedingungen und Kosten gefragt werden, heißt es in dem Essay.

Siebenrock verweist auf Probleme, die bereits Papst Paul VI. (1963-1978) im Dialog mit Piusbrüder-Gründer Marcel Lefebvre benannt hatte: Lefebvre habe einen "absolut falschen Begriff von Kirchen und Tradition" und breche die Verbindung mit der lebendigen Kirche ab, wenn er in einer begrenzten Epoche unbeweglich verharren wolle. Paul VI. habe auch ein "zwiespältiges und missverständliches" Verhalten kritisiert. Siebenrock nennt die Beschwörung von Gehorsam, der aber nicht vollzogen werde, und dass Lefebvre für sich und seine Bruderschaft Religionsfreiheit selbstverständlich in Anspruch genommen habe, sie aber als Beschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils entschieden ablehnte.

Konzilstexte nicht mit Papstpredigten vergleichbar

Nun scheine sich ein Einigungsszenario anzudeuten, das auf einigen pastoral motivierten Zugeständnissen, aber auch auf einer hermeneutischen Entschärfung bestimmter Grundoptionen des Konzils beruht, so Siebenrock. Eine selektive Anerkennung von Konzilstexten hätten jedoch bereits die Kurienkardinäle Kurt Koch und Gerhard Ludwig Müller ausgeschlossen. Die These, dass die "Erklärungen" der im Konzil versammelten Kirche im Gegensatz zu "Konstitutionen" mit Papstpredigten vergleichbar und zu vernachlässigen seien, lehnt der Fundamentaltheologe ab.

Bild: ©KNA

Marcel Lefebvre (1905-1991) gründete 1969 die Priesterbruderschaft St. Pius X.

Laut Siebenrock enthalten die von Piusbrüdern kritisierten Konzilstexte zu Judentum, Ökumene und Religionsfreiheit lehrmäßige Aussagen, "die eine klare Ja-Nein-Alternative einfordern". So konkretisiere der offizielle Eintritt der katholischen Kirche in die ökumenische Bewegung das unter Papst Pius X. (1903-1914) begonnene Gebet um die Einheit der Christen. Der Theologe fragt: "Erkennt die Kirche das vom Heiligen Geist gewollte und getragene Wirken der anderen christlichen Gemeinschaften und Kirchen an? … Ist Israel bleibend auserwähltes Volk Gottes? Weist die Kirche jede Form von Gewalt und Manipulation in der Verkündigung des Evangeliums zurück?"

Siebenrock: Keine Einigung ohne Anerkennung des Konzils

Hermeneutische Tricks bei der Beantwortung dieser Fragen würden "die primäre Glaubwürdigkeit der Kirche in unabsehbarer Weise beschädigen". Zugleich räumt er ein, dass die katholische Kirche sich fragen müsse, wie sie "mit der ganzen Tradition" umgehe, wenn sie eine Anerkennung des ganzen Konzils fordere: "Selektion und subjektive Auswahl gibt es an vielen Orten." Der Einsatz der Päpste um eine Einigung mit der Priesterbruderschaft sei zunächst positiv zu würdigen. "Dass dieser Dienst nicht auf Kosten der Wahrheit gehen und die Gerechtigkeit, die die Kirche allen Menschen aufgrund ihrer Sendung schuldet, nicht beschädigen darf, sollte indes niemals aus dem Blick geraten." Deshalb sehe er keine Möglichkeit, sich auf der Basis einer hermeneutischen Dekonstruktion des Konzils zu einigen, schließt Siebenrock, der das Institut für Systematische Theologie der Universität Innsbruck leitet.

Die 1969 gegründete Priestervereinigung katholischer Traditionalisten ist seit unerlaubten Bischofsweihen im Jahr 1988 von der katholischen Kirche abgespalten. Nachdem Papst Benedikt XVI. die Exkommunikation der Bischöfe aufgehoben hatte, begannen 2009 mehrere Gesprächsrunden mit dem Vatikan. 2012 stockte der Prozess, als sich die Piusbrüder weigerten, eine vom Vatikan vorgelegte Erklärung über grundlegende Glaubenslehren zu unterzeichnen.

Im Anschluss äußerte Papst Franziskus wiederholt den Wunsch und die Hoffnung, dass es zu einer Aussöhnung komme. Er legte zum Heiligen Jahr 2015 fest, dass Katholiken bei Piusbrüdern "gültig und erlaubt" beichten können und verlängerte diese Maßnahme auf unbestimmte Zeit. Im Frühjahr 2017 erlaubte Franziskus unter bestimmten Bedingungen auch Hochzeiten bei den Traditionalisten. Bis dahin wurden die beiden Sakramente unter Beteiligung von Geistlichen der Piusbruderschaft nach kirchlicher Lehre als unerlaubt und ungültig angesehen.

29. Juni 2017, 9:30 Uhr: Letzter Satz präzisiert.

Von Agathe Lukassek