Ein Teilnehmer blickt auf das Orthodoxe Konzil von Kreta zurück

"Das Konzil muss weiter gehen"

Veröffentlicht am 05.07.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
"Das Konzil muss weiter gehen"
Bild: © KNA
Orthodoxie

Bonn ‐ Metropolit Augoustinos war Teilnehmer beim ersten panorthodoxen Konzil der Neuzeit. Ein Jahr nach der historischen Versammlung spricht er mit katholisch.de über die Folgen und bestehende Probleme.

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Frage: Eure Eminenz, mit welchem Gefühl blicken Sie im Abstand von einem Jahr auf das Heilige und Große Konzil der Orthodoxie?

Metropolit Augoustinos: Ich hatte die große Ehre, Mitglied der Delegation des Ökumenischen Patriarchates von Konstantinopel beim Konzil zu sein; ich war also sozusagen Konzilsvater und Augenzeuge eines kirchenhistorischen Ereignisses, das jahrzehntelang vorbereitet wurde. Dies erfüllt mich auch ein Jahr danach noch mit großem Stolz und mit Hochachtung für das Verdienst des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios, der – allen Schwierigkeiten zum Trotz – dieses Projekt durchgeführt und geleitet hat.

Frage: Im Vorfeld der Synode sorgte die Absage von vier Kirchen für große Debatten. Bis zuletzt drohte das Konzil gar zu scheitern. Hat das Fernbleiben der Vertreter der Orthodoxie nachhaltigen Schaden zugefügt oder konnten die Differenzen beigelegt werden?

Augoustinos: Die Differenzen, die Sie ansprechen, sind nicht erst im Vorfeld des Konzils aufgetreten, sondern sind, wenn Sie so wollen, eine ständige Begleiterscheinung des präkonziliaren Prozesses gewesen. Sie waren allerdings niemals kirchlicher oder theologischer Natur, sondern gehören zu dem, was die Theologen gern "die nicht-theologischen Faktoren" nennen. Da ich selbst eine offene Sprache liebe und die Dinge gern beim Namen nenne, habe ich in zwei Stellungnahmen vor dem Heiligen und Großen Konzil von einer politischen bzw. nationalistischen Entscheidung jener Kirchen gesprochen, welche die von ihnen selbst gefassten und mitgetragenen Beschlüsse zur Abhaltung des Konzils auf einmal ignorierten. An dieser Einschätzung hat sich auch ein Jahr später nichts geändert. Der Schaden, welcher der Orthodoxie dadurch zugefügt wurde und wird, ist also nicht erst mit dem Fernbleiben der vier Patriarchate entstanden.

Frage: Bezüglich der Situation der Orthodoxie in der Diaspora hat das Konzil festgestellt, dass Bischofskonferenzen rechtlich eigentlich unerwünscht sind; in einem Gebiet könne es schließlich immer nur einen Bischof geben. Zunächst sollen die Konferenzen aber weiter arbeiten. Wie hat das Diaspora-Papier Ihre Arbeit in der OBKD bislang beeinflusst?

Augoustinos: Die kanonische Ordnung der Kirche sieht in der Tat vor, dass es in einem Gebiet nur einen Bischof geben soll. Dieses Prinzip wird ja auch in der römisch-katholischen Kirche angewandt und ist in allen vorbereitenden Dokumenten des Konzils festgehalten. Als provisorische Lösung bis zur endgültigen Wiederherstellung eines derartigen kanonischen Zustands hat man 2009 in Chambésy bei Genf die Gründung von Bischofskonferenzen in der so genannten Diaspora beschlossen. 2010 haben wir uns daraufhin in Deutschland aufgrund der ebenfalls in Chambésy verabschiedeten Mustersatzung konstituiert und arbeiten seitdem harmonisch und kontinuierlich an buchstäblich allen uns gemeinsam betreffenden Projekten zusammen. Dies gilt für die Zeit vor und nach dem Konzil. Dieses hat hier vor Ort unsere Beziehungen und unsere Zusammenarbeit also nicht verändert.

Metropolit Augoustinos ist Oberhaupt der griechisch-orthodoxen Christen in Deutschland.
Bild: ©Griechisch-Orthodoxe Metropolie von Deutschland

Metropolit Augoustinos ist Oberhaupt der griechisch-orthodoxen Christen in Deutschland und Vorsitzender der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland.

Frage: Können Sie einen Ausblick auf die Zukunft geben? Wird die Orthodoxe Bischofskonferenz aufgelöst?

Augoustinos: Nein, sie wird weiterhin existieren und – gestatten Sie mir, es prophetisch zu sagen – sie wird weiterhin segensreich tätig sein. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Arbeit der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland (OBKD) sogar noch intensiviert werden kann und muss. Deutschland, pflege ich zu sagen, ist ein besonderes Land mit besonderen Herausforderungen. Es ist im Gegensatz zu Frankreich, Österreich oder Großbritannien ein dezentrales und föderales Land, dessen große Entfernungen auch spezifische Antworten erforderlich machen. Es ist sicherlich noch zu früh, von einer Regionalisierung der OBKD zu sprechen. Tatsache ist aber, dass z.B. die vermehrt gegründeten orthodoxen Pfarrkonferenzen, eine Art "OBKD auf Ortsebene", eine größere Rolle spielen werden, denn vor Ort muss sich ja die innerorthodoxe Zusammenarbeit und Einheit zeigen und bewähren.

Frage: Auch zur Ökumene hat sich das Konzil sehr positiv und wohlwollend geäußert. Wird das auch Auswirkungen auf die Zusammenarbeit der Kirchen in Deutschland haben?

Augoustinos: Dieses Prinzip der Präsenz vor Ort gilt auch in der Frage der ökumenischen Beziehungen unserer Kirche hierzulande. Natürlich haben wir auf Bundesebene einen Sitz im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) und eine orthodoxe Referentin in deren Geschäftsstelle, der Ökumenischen Centrale in Frankfurt, natürlich haben wir eine kompetente – übrigens panorthodoxe – Delegation in der Mitgliederversammlung der ACK und im Deutschen Ökumenischen Studienausschuss (DÖSTA), und Entsprechendes gilt auch für die regionalen ACKs. Ökumene verwirklicht sich aber nach meiner Erfahrung zunächst in der guten, vertrauensvollen und wachsamen Nachbarschaft der Kirchengemeinden vor Ort. Dazu ermutigen wir alle unsere Priester und Gläubigen immer wieder – gerade auch nach dem Konzil von Kreta.

Bild: ©KNA

Vesper vor der Kirche Sankt Titos während des Panorthodoxen Konzils am 18. Juni 2016 auf Kreta

Frage: Das letzte Konzil der katholischen Kirche – das Zweite Vatikanische Konzil – liegt gut 50 Jahre zurück, und noch immer wird über die Auslegung der Dokumente diskutiert. Wird das Orthodoxe Konzil auch so lange nachwirken?

Augoustinos: Ein Konzil, das fast ein Jahrhundert lang vorbereitet wurde, kann und wird nicht in ein paar Jahren rezipiert werden. Ich glaube, da sind wir uns über die Grenzen unserer Kirche hinweg einig.

Frage: Das Konzil hatte selbst beschlossen, dass zukünftig alle sieben bis zehn Jahre große, panorthodoxe Synoden stattfinden sollen. Halten Sie das für notwendig und realistisch?

Augoustinos: Kreta hat gezeigt, dass es notwendig ist, gemeinsam und miteinander zu verhandeln und im Gespräch zu sein. Dies war für viele von uns Teilnehmern eine ermutigende Erfahrung. Und für manche Konzilsväter war es etwas Neues. Man muss sich ja vor Augen halten, dass wir als orthodoxe Christen in Deutschland aus verschiedenen Herkunftsländern stammen und uns deshalb auch in einem ständigen innerorthodoxen Austausch befinden. Diese Art des innerorthodoxen Diskurses ist manchen meiner Mitbrüdern, die in einem mehr oder weniger monokonfessionellem Kontext leben, gar nicht vertraut. Das Konzil wird und muss also weiter gehen – hoffentlich in dem von Ihnen angesprochenen (und vom Konzil selbst auch angeregten) Rhythmus.

Frage: Glauben Sie, dass beim nächsten Mal alle autokephalen Kirchen vertreten sein werden?

Augoustinos: Ich bin fest davon überzeugt.

Von Kilian Martin

Hintergrund: Orthodoxes Konzil

Vom 18. bis 26 Juni 2016 fand auf Kreta die "Große und Heilige Synode" der Orthodoxie statt. Damit versammelten sich Vertreter der Kirchen des Ostens erstmals seit dem 8. Jahrhundert zu einem Konzil. Die Versammlung drohte bereits vor der Eröffnung zu scheitern, nachdem vier Kirchen ihre Teilnahme abgesagt hatten. Sie wurde jedoch unter Vorsitz des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I., planmäßig durchgeführt. Metropolit Augoustinos nahm als Vertreter des Ökumenischen Patriarchats als einer von drei Delegierten aus der Deutschland am Konzil teil. (kim)