Warum Tiere in christlicher Kunst vorkommen

Tierisch christlich

Veröffentlicht am 29.08.2017 um 12:40 Uhr – Lesedauer: 
Kunst

Bonn ‐ Tiere gibt es wohl in jedem Gotteshaus: etwa in Fenstergläsern oder als Statuen neben Heiligenfiguren. Katholisch.de erklärt, woher diese Tradition kommt und was es mit den Tieren auf sich hat.

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Man muss schon genau hinsehen, damit man sie erkennt. Denn die Hunde, die Künstler über Jahrhunderte in Kirchen verewigt haben, sind selten die Hauptperson. Vielmehr zieren sie als Beiwerk die biblischen Geschichten oder Heiligenlegenden, die auf Altarbildern, in Glasfenstern oder auf dem Gemäuer erzählt werden. Viel häufiger noch als Hunde sind dort Tiere wie Löwen, Pelikane, Hasen, ja sogar Einhörner zu finden. Doch was für eine Bedeutung haben diese Tiere?

Tierische Darstellungen in Verbindung mit Religion im weitesten Sinne haben in der Tat eine sehr lange Tradition. Höhlenmalereien aus der Steinzeit, in denen Mammuts oder Pferde zu sehen sind, erklären einige Forscher damit, dass die Zeichnungen Jagdmagie seien, die eine reiche Ausbeute sichern sollten. Eine andere Erklärung ist, dass die Tiere gemalt wurden, um damit deren Stärke und Macht für die Menschen zu beschwören.

Das Drei-Hasen-Fenster des Paderborner Doms.
Bild: ©KNA

Das Hasenfenster im Kreuzgang des Paderborner Doms. Das Fenster ist zum Wahrzeichen der Stadt Paderborn geworden. Die Hasen sind in einem Kreis an den Ohren so vereinigt, dass zwar jeder Hase seine beiden Löffel hat, aber insgesamt nur drei Ohren zu sehen sind.

Die religiöse Bedeutung von Tieren wird ebenso in späteren Kulturen, wie etwa in Ägypten, durch die Darstellung von Göttern als Tieren oder mit Tier-Elementen deutlich: Verehrt wurden etwa die Katzengöttin Bastet oder Horus, der oft von einem Falken verkörpert wurde. Die Eigenschaften des Tieres verband man auf diese Weise sichtbar mit der Gottheit. Auch im Alten und Neuen Testament werden viele Tiere wegen der ihnen zugeschriebenen Charakteristika erwähnt. Der Prophet Jesaja vergleicht Gläubige etwa mit Adlern, denen durch ihr Vertrauen auf Gott Flügel wachsen (Jes 40,31); der gefährliche Löwe ist gefürchtet, aber auch bewundert wegen seiner Stärke und Kraft (Psalm 7,3; Offb 5,5).

Der Fisch, der Pfau und der Phönix

Die figürliche Darstellung von Tieren übernahmen die frühen Christen von den Römern, die ihre Gebäude teilweise mit großzügigen Tierzeichnungen und -mosaiken ausstatteten. Sie bedienten sich dafür oft mythologischer Motive oder Alltagsszenen wie dem Tierkampf. Vom ersten Jahrhundert nach Christus an wurde vor allem der Fisch zu ihrem Symbol und Erkennungszeichen – wahrscheinlich auch, weil Ichthys, griechisch für "Fisch", als Akronym für "Iēsoũs Christós Theoú Hyiós Sōtḗr", zu Deutsch "Jesus Christus Gottes Sohn Erlöser", verstanden werden kann. Fisch-Darstellungen finden sich daher in vielen antiken Katakomben, in denen Christen beerdigt wurden. Daneben waren auch andere Tierdarstellungen populär, etwa die von Pfauen und Phönixen, die Symbole waren für das Paradies beziehungsweise das ewige Leben und die Auferstehung.

Diese anfangs sehr einfach gehaltenen Motive wurden über die Jahrhunderte künstlerisch weiterentwickelt: Aus der Romanik und Gotik sind in Manuskripten zahlreiche Initialen erhalten, deren Ornamente aus ineinander verschlungenen Tieren und animalischen Fabelwesen gestaltet wurden. Auch Wände und Säulen in Kirchen wurden mit Tieren verziert. Die große Mehrheit der Tierdarstellungen in Mittelalter symbolisiert entweder Eigenschaften oder Personen, wie etwa die Attribute von Heiligen. Das führte dazu, dass Tiere mit unterschiedlichen und sogar mit gegensätzlichen Zuschreibungen belegt wurden und somit sowohl für Tugenden, als auch für Laster stehen konnten. Der sicherlich bekannteste Heilige, der mit Tieren wie Wölfen, Lämmern, Fischen, aber vor allem Vögeln dargestellt wird, ist Franziskus von Assisi.

Linktipp: Die Tiere der Bibel

Am Gedenktag des heiligen Franziskus wird der Welttierschutztag begangen. Schon lange hatte der Mensch eine besondere Beziehung zur Tierwelt, wie diese Zeugen aus der Heiligen Schrift beweisen. (Artikel von Oktober 2016)

Einen bedeutenden Einfluss auf die christliche Ikonografie hatte der Physiologus, eine griechische Schrift vermutlich aus dem 2. Jahrhundert. Sie zählte zu den weit verbreiteten Bestiarien, die Tiere und Fabelwesen mit ihren charakteristischen Verhaltensweisen beschrieben und vielfach Bezüge zum Christentum herstellten. Der Physiologus wurde bis ins 15. Jahrhundert in zahlreiche Sprachen übersetzt, immer wieder überarbeitet und fand im mittelalterlichen Europa und dem christlich geprägten Orient weite Verbreitung.

Von Wunden und Sünden

Auf dieses Buch gehen daher viele Zuschreibungen zurück: Über den Hund berichtet es beispielsweise, er könne Wunden heilen, wenn er darüber lecke. Dieses Motiv findet sich auch in der Legende des heiligen Rochus. Er hatte Pestkranke geheilt und sich selbst angesteckt. Niemand soll sich um ihn gekümmert haben – außer einem Hund, der ihm täglich Brot brachte, seine Wunden leckte und ihm so das Leben rettete. Das Wundenlecken verglichen Christen mit der Heilung von Sünden durch die Beichte. Wegen ihrer Anhänglichkeit und ihres Gehorsams symbolisieren Hunde darüber hinaus oft Treue und Loyalität. Viel häufiger lassen sich jedoch Hasen in Kirchen finden. Berühmt ist beispielsweise das Drei-Hasen-Fenster im Paderborner Dom. In ihm sind drei Tiere so im Kreis angeordnet, dass sie sich die Ohren teilen. Im Mittelalter dachte man, der Hase sei ein Hermaphrodit, könne also sein Geschlecht wechseln und sich so fortpflanzen, ohne seine Jungfräulichkeit zu verlieren. Daher wurde er auch mit der Gottesmutter in Verbindung gebracht.

Auf diese Weise wurden auch viele andere Tiere zu Symbolen. Weit verbreitet ist etwa der Pelikan, der für Jesus Christus stehen kann: Der Physiologus erklärt, dass der Vogel seine eigene Brust verletzt, damit sein Blut auf seine toten Küken fällt und sie wieder ins Leben zurückholt. Diese Erzählung wurde als Allegorie auf den Opfertod Jesu verstanden, der Pelikan damit als Symbol der aufopferungsvollen Nächstenliebe gesehen. Auch der Löwe galt als Sinnbild für Jesus und seine Auferstehung, denn der Physiologus berichtet über die Löwin, dass sie ihr Junges tot gebiert. Nach drei Tagen erweckt der Löwe das Tier jedoch zum Leben, indem er es anhaucht, so wie auch Gott nach drei Tagen seinen Sohn auferstehen ließ. Und über das begehrte Einhorn heißt es, es könne durch eine Jungfrau gefangen werden: Zu ihr werde es laufen und seinen Kopf in ihren Schoß legen. In vielen Darstellungen wird daher die Gottesmutter Maria mit einem Einhorn abgebildet; es steht für Jungfräulichkeit und Reinheit.

Eine Darstellung von Maria Verkündigung mit einem Einhorn auf einem Marienteppich um 1500
Bild: ©KNA

Der Marienteppich, um 1500, aus der Marienkirche in Gelnhausen zeigt die Verkündigung des Herrn durch den Erzengel Gabriel und Maria, der ein Einhorn in den Schoß springt.

Das bekannteste Symbol für Christus ist jedoch das Lamm: In den religiösen Riten des antiken Nahen Ostens spielte es als Opfertier eine wichtige Rolle – auch bei den Israeliten. Die Christen übernahmen dieses Bild für Jesus, der sich für die Menschheit opfert. So ist es bereits an mehreren Stellen des Neuen Testaments zu finden. Auch die Evangelisten werden in Tierform oder mit Tieren als Attributen dargestellt: Matthäus als Mensch, Markus mit dem Löwen, Lukas mit dem Stier und Johannes mit dem Adler. Diese werden dann zudem mit Engelsflügeln versehen. Auch diese Darstellung geht zurück auf die Bibel, zum Beispiel auf Visionen bei Ezechiel, in denen die vier Gesichter der Cherubim in dieser Art beschrieben werden.

Nach dem Mittelalter spielte die Symbolik von Tieren keine große Rolle mehr. Allenfalls in der Emblematik des 16. und 17. Jahrhundert hatte sie eine untergeordnete Bedeutung: In der Gestaltungsform, in der Überschrift, Bild und poetischer Text zusammengeführt wurden, gestaltete man das Bild mitunter mit leicht zu entschlüsselnden allegorischen Anspielungen. Trotzdem sind die Tiere mit den ihnen zugeschriebenen Attributen noch immer allgegenwärtig: Der Pelikan mit seinen Jungen etwa findet sich auch in der neueren christlichen Kunst noch, so wie auf der Papsttür im Südportal des Kölner Doms, die Ewald Matare in den 1950ern entworfen hat. Und auch der Hund schafft es hin und wieder in Gotteshäuser, so beispielsweise 2012 in der Rochuskapelle in Niederkassel, wo ihm gleich ein ganzes Fenster gewidmet wurde.

Von Johanna Heckeley

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