Erzbischof zieht Konsequenzen nach Unstimmigkeiten

Erzbistum Freiburg drohen Millionen-Nachzahlungen

Veröffentlicht am 25.10.2017 um 20:00 Uhr – Lesedauer: 
Finanzen

Freiburg ‐ Das Erzbistum Freiburg hat jahrelang zu wenig Sozialabgaben gezahlt - der genaue Betrag ist noch unbekannt. Für die Nachzahlung stellte die Diözese 160 Millionen Euro zurück - und zog Konsequenzen.

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Das Erzbistum Freiburg hat möglicherweise für eine große Zahl geringfügig Beschäftigter jahrelang zu wenig Sozialversicherungsabgaben gezahlt. Die genaue Höhe lasse sich noch nicht beziffern, im Haushalt seien vorsorglich 160 Millionen Euro zurückgestellt worden, erklärte das Bistum am Mittwochabend. Allein mehr als 100 Millionen Euro könnten auf Säumniszuschläge entfallen.

Den Sozialversicherungsträgern sei nach jetziger Schätzung ein Schaden von etwa 60 Millionen Euro entstanden. Wegen nicht ordnungsgemäß abgeführter Beiträge zur Rentenversicherung sei es möglicherweise auch zu falschen Lohnsteuerberechnungen gekommen. Untersucht werden Abrechnungen, die bis ins Jahr 1999 zurückgehen.

Freiburgs Erzbischof Stephan Burger betonte, das Bistum stehe für die gesamten finanziellen Folgen ein und kooperiere umfassend mit Rentenversicherung und Steuerbehörden. In einem Schreiben an alle Mitarbeiter der Erzdiözese, das katholisch.de vorliegt, schreibt Burger: "Lassen Sie es mich ganz deutlich sagen: Für den entstandenen Schaden steht das Erzbistum ein und niemand anderes." 

Der Erzbischof wies darauf hin, dass alle Mitarbeiter der bistumsweit 23 Verrechnungsstellen in dieser Woche "aktualisierte Richtlinien" erhielten. Zugleich kündigte er an, dass die Diözese ab 2018 eine "Vermögensschadensversicherung" abschließen werde. Diese umfasse auch etwaige Dienstpflichtverletzungen von ehrenamtlich Tätigen.

"Für die betroffenen Mitarbeiter versuchen wir jetzt, alle Rentenansprüche wiederherzustellen", so ein Sprecher der Diözese. Dem Vernehmen nach geht es beispielsweise um Mesner oder Kirchenmusiker und weitere in den Kirchengemeinden geringfügig Beschäftigte.

Laut Burger gilt es nun, neue Verwaltungs- und Kontrollstrukturen aufzubauen, um solche Fehler künftig zu vermeiden. Eine bistumsinterne Taskforce solle zusammen mit einer unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft die Vorfälle aufarbeiten, so Burger. Als erster Schritt wurde der bisherige Diözesanökonom Michael Himmelsbach von seiner bisherigen Verantwortung entbunden. Eine Vorverurteilung sei damit "ausdrücklich nicht verbunden", teilte das Erzbistum am Donnerstag mit.

Gegenfinanzierung von Nachzahlung unklar

Laut Bistum wurden die Unregelmäßigkeiten im Mai durch eine Routineprüfung der Deutsche Rentenversicherung in einer kirchlichen Verrechnungsstelle entdeckt. Diese Stellen übernehmen für die Kirchengemeinden die Lohnabrechnungen. Bistumsweit gibt es 23 solcher Verrechnungsstellen. Über die möglicherweise zu wenig gezahlten Beiträge und Steuern seien auch die Oberfinanzdirektion und landesweit 41 Finanzämter informiert worden, hieß es. Auch die Staatsanwaltschaft Freiburg weiß um den Fall. Gegenüber dem Südwestrundfunk betonte der Freiburger Oberstaatsanwalt Michael Mächtel am Mittwoch, es gebe derzeit "keinen Anhaltspunkt, dass irgendwelche Straftaten im Raum stehen, und ein Ermittlungsverfahren war nach der bisherigen Erkenntnislage nicht einzuleiten."

Erzbischof Burger erklärte am Abend: "Wir nehmen dieses Problem sehr ernst und fühlen uns betroffen." Dass den Sozialkassen wahrscheinlich ein Schaden entstanden sei, "bedauern wir sehr", betonte Burger, "wir werden diesen wieder gut machen". Letztlich sei es zu begrüßen, "dass die Probleme entdeckt wurden" und nun "weiter aufgeklärt" würden. "Transparenz und Haltung sind für uns unabdingbare Werte", unterstrich der Erzbischof. Sobald umfassende Klarheit über den möglichen Schaden und seine Ursachen herrsche, "werden wir in der Öffentlichkeit darüber berichten", kündigte Burger an. Für Mitarbeiter des Erzbistums, Katholiken und die interessierte Öffentlichkeit hat die Diözese eine Telefonhotline eingerichtet.

Dem Vernehmen nach ist unklar, wie die Nachzahlungen in Millionenhöhe im Detail gegenfinanziert werden sollen. Derzeit laufen die Beratungen für den nächsten Doppelhaushalt des Bistums für die Jahre 2018/19. In diesem Jahr lag der Jahresetat bei rund 620 Millionen Euro. Die zu erwartenden Nach- und Strafzahlungen seien zu stemmen, dem Bistum drohe keine finanzielle Schieflage, hieß es. (fxn/KNA)

26. 10. 2017, 13.20 Uhr: Ergänzt um Zitate von Erzbischof, Bistumssprecher und Staatsanwalt.

Linktipp: Fragen und Antworten

Auf seiner Webseite hat das Erzbistum eine Liste von Fragen und Antworten zu den Vorgängen veröffentlicht.