Debatte um Grabsteine aus Kinderarbeit

Verbot unmöglich?

Veröffentlicht am 14.11.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Deutschland

Stuttgart ‐ Der Wunsch ist verständlich: Grabsteine aus Kinderarbeit haben nichts auf deutschen Friedhöfen zu suchen. Doch wie schwer Verbote sein können, wird derzeit in Baden-Württemberg offenbar. Zwar ermächtigte der Landtag die Kommunen zu Verboten von Grabsteinen aus unfairem Handel oder ausbeuterischer Kinderarbeit - doch werden diese inzwischen massenhaft wieder einkassiert.

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Die Justiz hat einen Riegel vorgeschoben. Begründung der Verwaltungsgerichte: Es gibt kein Zertifikat und keinen belastbaren Nachweis darüber, wie die Grabmale in Indien, Vietnam oder China hergestellt wurden. 2013 kippte das Bundesverwaltungsgericht das Verbot von Grabsteinen aus Kinderarbeit in Nürnberg. Geklagt hatte ein Steinmetz. Ihm könne der Nachweis nicht zugemutet werden, dass seine Grabmale in der gesamten Wertschöpfungskette ohne Kinderarbeit produziert wurden, hieß es damals. Im Grunde ist das die Argumentation, auf die sich jetzt weitere Gerichte stützen. Kehl am Rhein etwa hat seine Friedhofssatzung nach einem solchen Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg wieder umgeschrieben.

Baden-Württemberg war nach dem Saarland und Bremen das dritte Bundesland, das den Kommunen einen Ausschluss von Grabsteinen aus Kinderarbeit ermöglichte. Handlungsbedarf sehe man nun aber nicht, heißt es im Stuttgarter Sozialministerium. Die Kommunen seien ja nicht gezwungen worden, ihre Friedhofssatzungen zu ändern. Nordrhein-Westfalen geht dennoch einen Schritt weiter: Im neuen Bestattungsgesetz steht klipp und klar, dass Grabsteine aus Ländern mit Kinderarbeit von Mitte nächsten Jahres an nur mit einem anerkannten Siegel aufgestellt werden dürfen.

Die Justiz stärkt die Position des Handwerks

Die Anerkennung der Zertifizierungsstellen wird in NRW von einem landeseigenen Büro übernommen. "Dort werden die Kommunen nicht alleingelassen", sagt Walter Schmidt, Geschäftsführer der Freiburger Organisation "Xertifix" , die sich seit Jahren bemüht, Steinbrüche in Indien mindestens einmal im Jahr unangekündigt zu kontrollieren. Im Gegensatz zur Textilindustrie mit vielen kleinen Zulieferern lasse sich der Weg der Steine deutlich leichter nachzeichnen, sagt Schmidt. "Die Quelle ist klar. Wo Granit-Vorkommen sind, ist ja bekannt."

Die Justiz aber stärkt die Position des Handwerks. Beim Bundesverband Deutscher Steinmetze in Frankfurt am Main heißt es: Natürlich sei man gegen Kinderarbeit, Geschäftsführerin Sybille Trawinski stellt aber klar: "Es ist den Steinmetzen nicht zuzumuten, alle Glieder der Herstellungs- und Transportkette zu kontrollieren und die Verantwortung zu übernehmen für etwas, was viele tausende Kilometer weiter geschieht oder eben nicht geschieht."

Absolute Sicherheit könne es nur geben, so Trawinski, wenn man deutsche Kontrolleure entsende, die das Grabmal vom Steinbruch bis nach Deutschland begleiten - was souveräne Staaten wie Indien oder China auch kaum dulden würden. "Es gibt keine glaubwürdige Zertifizierung", ist Trawinski sicher. Auch für Gustav Treulieb, Bestatter aus Stuttgart, ist klar: Letztlich entscheide der Verbraucher - und dessen Vertrauen zu seinem Steinmetz.

Familien im "Teufelskreis der Armut"

"Xertifix" war 2005 unter Beteiligung des katholischen Hilfswerks Miserior gegründet worden. Ein anderes Siegel, das NRW anerkennen will, ist "Fair Stone" . Die Miserior-Projektleiterin für Südindien, Brigitte Mandelartz, sieht viele Familien in Indien im "Teufelskreis der Armut". 1,50 Euro Lohn für zehn Stunden Arbeit im Steinbruch seien keine Seltenheit. "Die Kinder gehen dann nicht in die Schule, sondern in den Steinbruch." Nach Schätzungen müssten in Indien 14 Millionen Kinder arbeiten - es könnten sogar 50 Millionen sein.

"Wir hatten da immer Fragezeichen", sagt Gerhard Mauch vom Städtetag Baden-Württemberg zu den juristischen Problemen für die Kommunen. Solange es kein von allen Seiten anerkanntes Zertifikat gebe, sei das Ganze nicht mehr als Symbolpolitik. "Gut gemeint" zwar, und besser als nichts - aber eben nur ein Symbol. Letzte Sicherheit gebe es leider nicht. "Im Endeffekt bleibt nur Gottvertrauen."

Von Roland Böhm (dpa)