Die Vatikanischen Museen wollen Andy Warhol zeigen

Die Moderne kommt zum Papst nach Hause

Veröffentlicht am 10.02.2018 um 13:32 Uhr – Lesedauer: 
Kunst

Vatikan ‐ Seit Künstler nicht mehr Raffael oder Bernini heißen, tut sich der Vatikan schwer mit der zeitgenössischen Kunst. Nun hält erstmals die Pop Art Einzug: Die Vatikanischen Museen wollen Andy Warhol zeigen.

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Die katholische Kirche hat sich mit der Moderne lange schwer getan, auch in der Kunst. Mehr als 50 Jahre nachdem das Zweite Vatikanische Konzil die Parole "Öffnet euch für die Moderne" ausgab, nehmen die Vatikanischen Museen diese Botschaft nicht nur beim Wort, sondern auch beim Bild: Andy Warhol soll im Vatikan ausgestellt werden. Damit käme die Ikone der Pop Art in den Tempel Raffaels; der Ästhetiker der Konsumgesellschaft, der Campbell-Suppendosen und Coca-Cola-Flaschen museumsreif machte, soll die Ausstellungsräume des Stellvertreters Christi auf Erden schmücken.

Eine "wunderbare Idee" nannte Barbara Jatta, die Direktorin der Vatikanischen Museen, jüngst eine Ausstellung über den "mystischen Warhol" im Gespräch mit der Katholischen-Nachrichten-Agentur. Derzeit verhandelt man nach Jattas Worten noch mit dem Warhol-Museum in Pittsburgh darüber, wie das Projekt noch "genauer definiert" werden. Vorgesehen ist die Ausstellung demnach für 2019 im Braccio di Carlo Magno, einer Ausstellungsfläche, die sich an die Kolonnaden des Petersdoms anschließt.

Bild: ©picture alliance/Musei Vaticani/Musei Vaticani

Die Italienierin Barbara Jatta wurde am 20. Dezember 2016 zur neuen Direktorin der Vatikanischen Museen ernannt.

Wenn Warhols Werke zum Papst nach Hause kämen, wäre dies eine Sensation. Noch nie haben die Vatikanischen Museen einem Vertreter der Pop Art eine eigene Ausstellung gewidmet. Und es wäre auch ein erneutes Gesprächsangebot an die moderne Kunst. Auf lokaler und regionaler Ebene ist der Dialog zwischen Katholizismus und künstlerischer Avantgarde vielerorts zwar längst wieder in Gang gekommen. Doch der Vatikan hinkt der Entwicklung bis heute mindestens zwanzig Biennalen hinterher.

Pius XII.: Künste als "eldelste Mägde" des göttlichen Kults

Die Päpste hatten für die bildende Kunst des 20. Jahrhunderts lange kein gutes Wort übrig, es sei denn, sie ordnete sich der Mutter Kirche unter. Die schönen Künste passten nur dann wirklich zur Religion, wenn sie "gleichsam als edelste Mägde dem göttlichen Kult dienen", schrieb etwa Pius XII. 1947 in seiner Enzyklika "Mediator Dei".

 Umgekehrt standen viele zeitgenössische Künstler der katholischen Kirche ablehnend gegenüber. Bekannt ist das Beispiel Picassos, der den Wunsch Pauls VI. ablehnte, einige seiner Werke in den Vatikanischen Museen zu zeigen. Der Atheist verübelte der Kirche ihre Unterstützung für den späteren Diktator Franco im Spanischen Bürgerkrieg.

Nicht zuletzt förderte auch ein ganz profaner Umstand die gegenseitige Entfremdung: Die Päpste des 20. Jahrhunderts hatten kaum noch Geld für die Kunst übrig, allenfalls für die Restaurierung ihrer Sammlungen. Pius XII. war eben kein Julius II. mehr, der schwindelerregende Summen für den Bau der Sixtinischen Kapelle ausgeben konnte. Vom ehemals größten Ausgabeposten wurde die Kunst im 20. Jahrhundert vielmehr zu einer der größten Einnahmequellen des Vatikans. Die Vatikanischen Museen spülen mit ihren jährlich rund fünf Millionen Besuchern gutes Geld in die Kassen des päpstlichen Staates.

Ein erstes Tauwetter im Verhältnis von Vatikan und moderner Kunst setzte noch im letzten Jahr des Pontifikats von Pius XII. ein. Auf der Brüsseler Weltausstellung von 1958 präsentierte sich der Vatikan in einem eigenen als Kirche gestalteten Pavillon erstmals mit ausschließlich expressionistischer und abstrakter christlicher Kunst.

Paul VI. will den "verlorenen Faden" wieder aufnehmen

Paul VI., oft als erster moderner Papst des 20. Jahrhunderts bezeichnet, war es dann, der 1964 prominente Künstler in die Sixtinische Kapelle einlud. Er wolle den "verlorenen Faden" im Gespräch mit der zeitgenössischen Kunst wiederaufnehmen, so Paul VI. damals. "Wir brauchen euch" rief er den Malern, Musikern und Schriftstellern in der Sixtinischen Kapelle zu. Allerdings wirkte die landsmannschaftliche Zusammensetzung seiner Gästeliste noch ganz so, als sei sie in der Renaissance und nicht im 20. Jahrhundert zusammengestellt worden: Ein italienischer Papst sprach zu italienischen Künstlern.

Die Vatikanischen Museen verdanken Paul VI. auch eine eigene Abteilung für Moderne Kunst, die 1973 eröffnet wurde. Sie zählt mittlerweile immerhin 8.000 Bilder, Skulpturen und Grafiken. Darunter sind prominente Namen der klassischen Moderne wie Dali, Matisse, Paul Klee und Ernst Ludwig Kirchner. Dabei blieb es allerdings im Wesentlichen. Denn Geld für Ankäufe neuerer zeitgenössischer Werke in größerem Umfang gibt es nicht. Doch das bemerkt ohnehin kaum ein Besucher der Vatikanischen Museen: Den Ausstellungsraum für moderne Kunst lassen die meisten auf dem Weg zur Sixtinischen Kapelle links liegen.

Bendikt XVI.: Künstler müssen "Hüter des Schönen" sein

Wie fremd sich moderne Kunst und Vatikan letztlich aber auch im 21. Jahrhundert immer noch sind, zeigte sich, als Benedikt XVI. im November 2009 rund 250 Künstler in der Sixtinische Kapelle begrüßte. Sie müssten "Hüter des Schönen" sein, forderte der Papst, der gewiss einer der kunstsinnigsten Nachfolger Petri im 20. Jahrhundert war. Der Platoniker Joseph Ratzinger sprach davon, dass nur das Wahre auch schön sei. Und mancher Gast dürfte sich damals gefragt haben, ob die "Fettecke" von Joseph Beuys für Benedikt XVI. wohl Kunst ist. Einen "erweiterten Kunstbegriff" legte der Vatikan offenbar nur bei der Gästeliste an. Da reichten etwa für den Schauspieler Terence Hill auch vier Fäuste für ein Halleluja in der Sixtinischen Kapelle. Auch musikalisch missglückte der Brückenbau zur Moderne: Der Chor der Sixtinischen Kapelle sang, das, was er seit Jahrhunderten singt: Palestrina.

Viele der eingeladenen Künstler würdigten damals Benedikt Einladung als große Geste. Der große Durchbruch im Gespräch zwischen Vatikan und moderner Kunst blieb allerdings aus. Doch zumindest einige kleinere Projekte ergaben sich aus der Begegnung. So verwirklichte der deutsche Künstler Christoph Brech vor einiger Zeit ein Fotoprojekt in den Vatikanischen Museen. 

Aufgeschlossener für die moderne Malerei zeigte sich Benedikt XVI. bei der Wahl seines Porträtmalers: Sie fiel auf den Leipziger Maler Michael Triegel. Dessen sehr realistisches Benedikt-Porträt fand viele Kritiker. Sein Privatsekretär Erzbischof Georg Gänswein wollte es sogar nachträglich ändern lassen. Benedikt XVI. hingegen distanzierte sich nicht von dem Werk.

Bild: ©KNA

Porträt Papst Benedikts XVI. des ostdeutschen Malers Michael Triegel aus dem Jahr 2010.

Auch wenn Benedikt XVI. zur modernen bildenden Kunst offenbar nur schwer Zugang fand, förderte er in seinem Pontifikat doch den Dialog zwischen Kirche und Kunst nach Kräften. Sein umtriebiger Kulturbeauftragter Kurienkardinal Gianfranco Ravasi, der seine Äußerungen gerne mit Paul Klees Forderung garniert, die Kunst solle nicht das Sichtbare wiedergeben, sondern das Unsichtbare sichtbar machen, unternahm einige vielbeachtete Initiativen auf diesem Gebiet. So nahm der Vatikan 2013 erstmals mit einem eigenen Pavillon an der Kunst-Biennale in Venedig teil. Dafür konnte Ravasi prominente Künstler gewinnen, wie den amerikanischen Maler Lawrence Carroll und den tschechischen Fotografen Josef Koudelka, der durch seine Fotos für die Agentur Magnum weltberühmt wurde.  In diesem Jahr wird der Vatikan auch erstmals an der Architektur-Biennale in Venedig teilnehmen. Doch größere päpstliche Initiativen gab es seit dem Amtsantritt von Franziskus bislang noch nicht. Benedikts Nachfolger Franziskus engagiert sich im Dialog mit der modernen Kunst nicht in auffallender Weise.

Warhol: Warst Du am Sonntag in der Messe?

Dass der Fotograf Koudelka bekennender Atheist ist, war für den Vatikan kein Hinderungsgrund mehr, seine Werke in Venedig auszustellen. Auch Andy Warhol wurde oft für einen Atheisten gehalten. Schließlich sagte er selbst einmal, wer alles über ihn wissen wolle, der müsse nur die Oberfläche betrachten: "die meiner Bilder und Filme und die von mir selbst und dort bin ich. Es gibt nichts dahinter". Viele Bewunderer und Kritiker waren daher überrascht, als sich nach Warhols Tod 1987 herausstellte, dass es hinter blonden Toupet und Sonnenbrille doch noch etwas gab: Warhol war vor allem in seinen späteren Jahren ein religiöser Mensch gewesen, der tief in der byzantinisch-katholischen Kirche verwurzelt war, in die er durch seine slowakischen Eltern hineingeboren wurde. Warhol suchte nach Angaben seines Neffen in späteren Jahren regelmäßig seine New Yorker Pfarrkirche zum Gebet auf und half dort auch bei der Armenspeisung mit. Seinen Neffen soll er an Sonntagen sogar stets gefragt haben, ob er denn auch den Gottesdienst besucht habe.

Weniger bekannt ist bis heute auch, dass Warhol in seinen letzten Lebensjahren christliche Motive in den Mittelpunkt seines Schaffens stellte. Wie die Zeitschrift "The Art Newspaper" berichtete, sollen im Vatikan vor allem diese Kunstwerke Warhols gezeigt werden. Gedacht sei etwa an Andy-Warhols-Abendmahlsserie von 1986, die von Leonardo da Vincis berühmter Abendmahlsdarstellung inspiriert wurde.Was

Was Marylin Monroe und eine christliche Ikone gemeinsam haben

Aber auch in Warhols ganz und gar profanen Werken, etwa in seinen Porträts von Marylin Monroe lassen sich nach Ansicht mancher Kunsthistoriker Parallelen zu christlichen Ikonen ausmachen. Vor allem das Prinzip der Wiederholung, das charakteristisch für die Pop Art Warhols ist, hat eine Entsprechung in der Ikonenmalerei der Kirchen des byzantinischen Ritus. Ebenso wie für Warhols Serien gilt hier, dass eine Ikone stets das Urbild mit möglichst geringer Abweichung wiederholt. Ob die Tradition der Ikonenmalerei Warhol tatsächlich geprägt hat, bleibt allerdings offen.

Fest steht nur: Bereits die Einladungskarte für die Gedenkfeier nach Warhols Tod wies den Weg nach Rom. Abgedruckt war darauf seine Arbeit "Raphael Madonna $ 6,99". Warhol kontrastiert hier die Umrisslinien der Sixtinischen Madonna mit einem Preisschild. Seine Sixtinische Madonna ist laut Auszeichnung mit rund sieben Dollar deutlich günstiger als der Eintritt in die Vatikanischen Museen.

Von Thomas Jansen