Das Wichtigste aus dem Abschlussdokument der Vorsynode

So wünschen sich Jugendliche die Kirche!

Veröffentlicht am 25.03.2018 um 13:53 Uhr – Lesedauer: 
Vatikan

300 Jugendliche haben in Rom über die Zukunft der Kirche diskutiert. Jetzt wurde das Abschlusspapier dem Papst überreicht. Es will ein "Kompass" für die bevorstehende Synode zum Thema Jugend sein.

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Der 13-seitige Text ist von der sogenannten Vorsynode am Samstag nahezu einstimmig verabschiedet worden. Das Schreiben soll nach dem Willen der Jugendlichen "Bischöfen als Kompass dienen, junge Menschen besser zu verstehen". Es zur Vorbereitung der Weltbischofssynode zum Thema Jugend im Oktober dienen. Der Papst hatte angekündigt, die Wünsche und Forderungen der Jugendlichen in die Tagesordnung der Synode einfließen zu lassen. Das Dokument bündelt die Debatten von 300 Jugendlichen in Rom, weitere 15.000 waren via Internet beteiligt. Es besteht aus zwei Teilen und gliedert sich in 15 Kapitel. Die Originalsprache ist Englisch.  

Das Schreiben beginnt mit der Feststellung, dass die Situationen von Jugendlichen weltweit heute nur schwer miteinander vergleichbar sind: "Jugendliche von heute sind mit einer Menge von inneren und äußeren Veränderungen und Möglichkeiten konfrontiert, von denen viele spezifisch für ihren individuellen Kontext sind und einige Kontinente übergreifend". Die Kirche müsse prüfen, wie sie angesichts dieser Lage ein "effektiver, relevanter und Leben schenkender Begleiter für deren Leben" sein könne. Das Dokument sei eine "synthetische Plattform, um einige Gedanken und Erfahrungen auszudrücken", heißt es weiter. Es handle sich um "eine Zusammenfassung unserer Gedanken und Erfahrungen, Überlegungen junger Menschen des 21. Jahrhunderts mit unterschiedlichem religiösen und kulturellen Hintergrund".

Die Logik des "Das-war-schon-immer-so" überwinden

Das 1. Kapitel trägt die Überschrift "Die Bildung der Persönlichkeit". Darin beklagen die Jugendlichen, dass die Kirche allzu häufig "zu streng" erscheine und "oft mit einem überzogenen Moralismus verbunden wird". Es sei in der Kirche schwer, die Logik des "Das-war-schon-immer-so" zu überwinden. Weiter heißt es: "Wir brauchen eine Kirche, die willkommen heißt und barmherzig ist, die ihre Wurzeln und ihr Erbe würdigt und jeden liebt, auch jene, die nicht den üblichen Standards folgen".

Die Jugendlichen fordern die Kirche zudem auf, Familien besser zu unterstützen und ihnen Zugang zu Bildung zu verschaffen. Dies sei besonders in jenen Ländern nötig, in denen keine Meinungsfreiheit herrsche, und die Kinder deshalb von ihren Eltern zuhause im Glauben unterrichtet werden müssten. Mit Blick auf die schwierige Situation Jugendlicher im Nahen Osten, "die sich häufig gezwungen sehen, zu anderen Religionen überzutreten, um von Gleichaltrigen und der sie umgebenden dominanten Kultur akzeptiert zu werden", heißt es, die Kirche müsse zeigen, dass "es Platz für alle gibt". Das gelte ebenso für Einwanderer in Europa, die sozial ausgeschlossen seien und sich genötigt sähen, ihre kulturelle Identität aufzugeben und sich der vorherrschenden Kultur anzupassen.  Außerdem äußern die Jugendlichen die Erwartung, dass die Kirche ein "kritisches Denken" etwa im Umgang mit sozialen Netzwerken lehre. Das geschehe in den Schulen oft nicht.

Im 2. Kapitel mit der Überschrift "Die Beziehung zu anderen Menschen" sprechen sich die Jugendlichen für einen "konstruktiven Dialog" mit Angehörigen anderer Religionen und Kulturen aus. Die Kirche müsse auf diesem Gebiet eine Vorreiterrolle spielen. Sie bedauern zugleich, dass es bislang keinen "bindenden Konsens in der Frage des Willkommens von Migranten und Flüchtlingen" gebe.

"Multikulturalismus kann Dialog und Toleranz erleichtern"

Die Jugendlichen betonen, dass die Vielfalt der globalisierten Welt eine Bereicherung sei und Unterschiede nicht unterdrückt werden sollten. "Multikulturalismus kann die Schaffung einer Umgebung für Toleranz und Dialog erleichtern". Die Jugendlichen beklagen allerdings, dass es für die christliche Minderheit im Nahen Osten oft schwer sei, ihren Glauben zu leben. Aber auch in Ländern mit christlichen Wurzeln würden Kirche und Religion Stück für Stück zurückgedrängt.

Unter der Überschrift "Junge Menschen und Zukunft" fordern die Jugendlichen von der Kirche im 3. Kapitel mehr Unterstützung für Altersgenossen in schwierigen Situationen, insbesondere jene die unter psychischen Erkrankungen und körperlichen Beeinträchtigungen leiden. Sie wünschen sich eine friedliche Welt und eine nachhaltig ökologische Weltwirtschaft. Hierbei sei die katholische Soziallehre für junge Leute besonders hilfreich, heißt es in dem Dokument.

"Die Beziehung zur Technologie" wird im 4. Kapitel thematisiert. Darin beschreiben die Jugendlichen die Zwiespältigkeit technischen Fortschritts. Von der Kirche wünschen sich die Teilnehmer der Vorsynode, dass sie sich mit diesem Thema intensiver beschäftigt, um mit der jungen Generation ins Gespräch zu kommen. Die Kirche sollte vor allem das Internet als "fruchtbaren Platz der Neuevangelisierung sehen".

Jugendliche fordern "echte Diksussion" über Rolle der Frau in der Kirche

"Die Suche nach dem Sinn des Lebens" steht im Mittelpunkt des 5. Kapitels. Viele Jugendliche hätten heute ihr Vertrauen in Institutionen verloren und sich von der "organisierten Religion" abgewandt, heißt es darin. Die Kirche habe bei ihnen durch tatsächliche und vermeintliche Skandale Vertrauen eingebüßt. Jugendliche würden sich oft nicht mehr als "religiös" bezeichnen, seien aber offen für spirituelle Angebote. Die Kirche müsse sicherstellen, dass diese Personengruppe nicht an den Rand gedrängt werde und sich akzeptiert fühle.

Die Jugendlichen mahnen auch eine offene Diskussion über die Rolle der Frau in der Kirche an. "Es ist ein generelles Problem in der heutigen Gesellschaft, dass Frauen immer noch nicht gleichen Platz darin haben. Das gilt auch für die Kirche." Daher stelle sich die Schlüsselfrage: "Welches sind die Aufgaben und Orte, an denen Frauen sich in Kirche und Gesellschaft entfalten können"? Es gebe "großartige Beispiele" von Frauen, die in Ordensgemeinschaften oder als Laien Führungspositionen innehätten, schreiben die Jugendlichen. "Aber für einige junge Frauen sind diese Beispiele nicht immer sichtbar". Die Kirche müsse bei diesem Thema eine "echte Diskussion" zulassen und "Offenheit für die verschiedenen Ideen und Erfahrungen" zeigen.

Meinungsverschiedenheiten über kirchliche Morallehre

Auch die schwindende Akzeptanz der kirchlichen Morallehre sprechen die Jugendlichen an. Es gebe oft große Meinungsverschiedenheiten unter jungen Leuten, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Kirche über eine "einige Lehren, die heute besonders kontrovers sind". Als Beispiele werden Empfängnisverhütung, Abtreibung, Homosexualität, Zusammenleben unverheirateter Paare, Hochzeit und die Wahrnehmung des Priesteramts genannt.

Diese Diskussionen seien "unabhängig vom jeweiligen Grad des Verständnisses kirchlicher Lehre". Das Ergebnis seien Forderungen, die Kirche solle ihre Lehre ändern oder eine bessere Erklärung dafür anbieten. Doch auch wenn Jugendliche nicht alle kirchlichen Positionen teilten, wollten sie jedoch weiter Teil der Kirche sein.

Im 6. Kapitel geht es unter dem Titel "Jugendliche und Jesus", darum dass Heranwachsende heute oft falsche Vorstellungen von Jesus haben. Für viele von ihnen sei Jesus nur noch eine historische Gestalt, die für ihr eigenes Leben keine Bedeutung habe. Andererseits gebe es Jugendliche, die irrtümliche Vorstellungen von christlichen Idealen hätten und das Christentum für einen "unerreichbaren Standard" hielten. Dem müsse die Kirche mit einer stärker biblisch verankerten Verkündigung entgegenwirken.

Jugendliche haben es schwer, ihren Platz in der Kirche zu finden

Mit "Glaube und Kirche" befasst sich das 7. Kapitel. Der Glaube sei heute für Jugendliche oft zur Privatsache geworden sei, schreiben die Jugendlichen. Dazu hätten auch negative Erfahrungen mit der Kirche beigetragen. Aus Sicht mancher Jugendlicher kreise die Kirche nur noch um sich selbst als Institution, habe aber keine lebendige Beziehung zu Jesus Christus mehr.

Oft sei es für Jugendliche zudem schwer, ihren Platz in der Kirche zu finden und sich aktiv einzubringen. "Jugendliche interpretieren Kirche aufgrund ihrer Erfahrung als Ort, wo sie als zu jung und unerfahren für Führungsaufgaben betrachtet werden". Diese Wahrnehmung hätten insbesondere junge Frauen. Andererseits machten Jugendliche vor allem in Afrika, Asien und Lateinamerika die Erfahrung, dass ihnen die Kirche sehr nahe sei.

Im 8., 9., 10. Kapitel geht es darum, wie Jugendliche heute ihre Berufung im Leben finden können. Die Jugendlichen schreiben, dass vielen ihrer Altersgenossen gar nicht klar, sei, was "Berufung" überhaupt bedeute. Sie betonen zugleich, dass dieser Begriff nicht nur auf Priesteramt und Ordensleben bezogen werden sollte. Jeder Jugendliche sei von Gott in unterschiedlicher Weise berufen. Für die Kirche sei es eine Chance, jungen Leuten dabei zu helfen, ihren Weg im Leben zu finden. Hierbei gelte es, besonders junge Frauen zu stärken.

Für eine transparente und offene Kirche

Im 11. Kapitel mit dem Titel "Das Verhalten der Kirche" appellieren die Jugendlichen an kirchliche Amtsträger transparenter und offener zu sein: "Besonders der Hierarchie sagen wir: Seid transparent, offen, ehrlich, einladend, kommunikativ, zugänglich, freudig und eine Gemeinschaft im Austausch. Eine glaubwürdige Kirche hat keine Angst, als verletzlich zu gelten." Die Kirche sollte zudem ihre Null-Toleranz-Politik gegenüber sexuellem Missbrauch ausweiten.

Unter der Überschrift "Junge Führungskräfte" fordern die Jugendlichen im 12. Kapitel mehr Mitspracherechte in der Kirche. "Die Kirche muss junge Leute in ihre Entscheidungsprozesse einbinden und ihnen Führungsrollen anbieten", heißt es in dem Text. Dies müsse vor Ort in den Pfarreien beginnen, aber auch auf diözesaner, nationaler und internationaler Ebene erfolgen, bis hin zu einer Kommission im Vatikan. Hierzu müssten Jugendliche mit speziellen Programmen vorbereitet werden. Weiter heißt es: "Einige Frauen haben den Eindruck, dass es ein Mangel an weiblichen Vorbildern in Führungspositionen in der Kirche gibt".

Im 13. Kapitel sagen die Jugendlichen, an welchen Orten Kirche ihrer Meinung nach vor allem präsent sein sollte. Kirche muss demnach auf der Straße stattfinden. Die Jugendlichen fordern "neue, kreative Ideen", um Leute anzusprechen. Dies könne etwa in Bars, Kaffees, Parks und Fitnessstudios, Sportstadien oder Kulturzentren erfolgen.

In den beiden letzten Kapiteln geht es um konkrete kirchliche Initiativen für junge Leute und darum, wie diese Zielgruppe angesprochen werden kann. "Die Kirche muss eine Sprache entwickeln, die zu den Gewohnheiten und Kulturen der Jungen passt, so dass alle die Chance haben, die Botschaft des Evangeliums zu hören", heißt es in dem Text. Die Jugendlichen schlagen etwa christliche Sportligen und eine intensivere Nutzung des Internets vor. (tja/KNA)