Das Heilige Land gehört zu den diplomatischen Prioritäten des Vatikan

Die Israel-Politik des Vatikan: Auf Friedenssuche

Veröffentlicht am 19.04.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Israel

Vatikanstadt/Jerusalem ‐ Kaum eine Weltregion beschäftigt den Vatikan so sehr wie das Heilige Land mit seinem Dauerkonflikt und der sinkenden Zahl von Christen. Aber über die Jahrzehnte hat sich seine Politik gewandelt.

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In einer einfachen, aber emotionalen Zeremonie proklamierte der spätere Ministerpräsident David Ben Gurion am 14. Mai 1948 im Tel-Aviver Dizengoff-Museum "die Wiederherstellung des jüdischen Staates im Lande Israel, des Staates Israel". 1878 Jahre nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels und der Vertreibung der Juden, nach Diaspora, Exil, Verfolgungen und schließlich dem Holocaust war der Traum von einer eigenen Heimstatt wahr geworden.

Wenige Stunden später endete das britische Mandat über Palästina. Am folgenden Morgen bombardierten ägyptische Spitfire Tel Aviv. Fünf arabische Länder machten gegen den neuen Staat mobil. Der arabisch-jüdische Krieg hatte begonnen.

Papst entsendet 1994 ersten Nuntius nach Israel

Die USA erkannten Israel sofort an, wenige Tage danach auch die Sowjetunion. Der Vatikan folgte erst 45 Jahre später: Erst nachdem sich Rabin und Arafat auf dem Rasen des Weißen Hauses die Hand reichten, entsandte er 1994 einen Botschafter nach Tel Aviv.

Die erste Kontaktaufnahme war unglücklich verlaufen. Pius X. reagierte ablehnend, als Zionistenführer Theodor Herzl ihn 1904 um Unterstützung für eine jüdische Heimstatt in Palästina bat. Er würde die Juden nicht hindern können, nach Jerusalem zu gehen, "aber begünstigen können wir es niemals", notierte Herzl als Antwort des Papstes. Freilich machten spätere Kirchenaussagen deutlich, dass es Rom weniger um die Ablehnung eines jüdischen Staates ging als um die Rechte der ansässigen Katholiken.

Bild: ©KNA

Papst Pius X. (1903-1914) stand einem jüdischen Staat Israel ablehnend gegenüber.

Und die meldete der Heilige Stuhl energisch an, als Großbritannien nach Ende der osmanischen Herrschaft mit der "Balfour-Erklärung" 1917 einer "jüdischen Heimstatt in Palästina" seine Unterstützung zusagte. So erfreulich es sei, dass die Heiligen Stätten aus den Händen der Ungläubigen endlich in die der Christen zurückgekehrt seien; es wäre ärgerlich, "wenn die Ungläubigen nun in eine Position von Privilegien und des Übergewichts kämen", sagte Benedikt XV. 1919 vor Kardinälen.

Vatikan begrüßte internationale Verwaltung Jerusalems

Mit dem Zweiten Weltkrieg, der veränderten Lage in Nahost, mit dem Zustrom jüdischer Einwanderer, der Rebellion der arabischen Bevölkerung und den Eskalationen von Gewalt verschoben sich auch die Akzente der Vatikan-Diplomatie. Vor einer Delegation des "Hohen Arabischen Rates von Palästina" forderte Pius XII. 1946 eine Friedensordnung, die allen Konfliktparteien eine Sicherheit der Existenz und Lebensumstände für materiellen und kulturellen Wohlstand ermöglicht.

Der von der UNO mehrheitlich forcierte Teilungsplan für Palästina von 1947 in einen arabischen und einen jüdischen Teil fand die Zustimmung Roms insofern, als Jerusalem dabei herausgenommen und unter internationale Verwaltung gestellt werden sollte. In dieser Phase versuchte Pius XII. mit gleich drei Enzykliken binnen eines Jahres die Aufmerksamkeit der Welt auf das Heilige Land zu richten. Zwei Wochen vor der Staatsgründung Israels verurteilte er die tägliche Gewalt und die Massaker und rief zum Friedensgebet für das Palästina-Problem auf. Ein halbes Jahr später beklagte er die Opfer und Zerstörungen des Krieges und die vielen tausend Flüchtlinge.

Eine Prozession in der Grabeskirche.
Bild: ©KNA

Der freie Zugang für Katholiken zu den heiligen Stätten war lange das wichtigste Anliegen der vatikanischen Israel-Politik. Hier ein Gründonnerstagsgottesdienst aus dem Jahr 2017 in der frisch renovierten Grabeskirche in Jerusalem.

Das dritte Papstschreiben listete - kurz vor der Entscheidung über Israels Aufnahmeantrag in die UNO - nochmals die Erwartungen der Kirche in dem Konflikt auf: eine Internationalisierung Jerusalems, eine gerechte Friedenslösung und das Rückkehrrecht für die Flüchtlinge.

Das II. Vaticanum verbesserte Beziehungen zum Judentum

Sehr bald verlagerte sich das Weltinteresse vom Nahen Osten auf den Korea-Krieg. Der Vatikan beobachtete die Entwicklung im Heiligen Land weiterhin, doch mit veränderten Paradigmen. Anstelle einer Internationalisierung Jerusalem forderte er ein international garantiertes Statut für die Heilige Stadt. In den Vordergrund trat nach dem Sechstagekrieg 1967 der freie Zugang zu den Heiligen Stätten.

Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) hat das gestörte Verhältnis der Kirche zum Judentum entkrampft, die Beziehungen zu den anderen Religionen auf eine neue Grundlage gestellt und den religiösen Absolutheitsanspruch des Christentums im Heiligen Land relativiert. Die Reise Pauls VI. 1964 ins geteilte Jerusalem war ökumenisch ein Erfolg, blieb diplomatisch aber ohne Folgen.

Der in Oslo eingeleitete Friedensprozess liegt inzwischen auf Eis. Dennoch setzt der Vatikan seine Bemühungen um eine gerechte Friedenslösung fort. Die Beziehungen zu Israel gelten als stabil; allerdings sind die rechtlichen Verhandlungen bis heute nicht abgeschlossen.

Von Johannes Schidelko (KNA)